Der 22-Jährige ist Zweiter der Weltjahresbestenliste. Sein Trainer: Olympiasieger Rolf Danneberg.

Hamburg. Er misst 2,07 Meter, wiegt 130 Kilo, hat kräftige Oberarme und keinen Bauchansatz. Seine Gestalt wirkt imposant. "Ich bin Markus", sagt Markus Münch und lächelt dabei sympathisch schüchtern. Sein Händedruck ist kräftig, wie es sich für einen Diskuswerfer gehört. Auf 64,90 Meter hat der 22-Jährige die zwei Kilo schwere Scheibe Mitte März auf Teneriffa geschleudert - und sich aus der Anonymität. Als Zweiter der Weltjahresbestenliste hinter Olympiasieger Gerd Kanter (69,70 m) aus Estland gehört Münch plötzlich zum Leichtathletik-Establishment. "Anfang des Jahres war die WM in Berlin mein Traum, jetzt ist sie mein Ziel", sagt er.

Wir sitzen im Stadtpark im Unterstand an der Wurfwiese neben der Jahnkampfbahn. Rolf Danneberg (56), Olympiasieger 1984, Münchs Technik- und Krafttrainer seit vier Jahren, ist auf seinem Motorrad eingetroffen. Er hört den Satz. Er akzeptiert ihn nicht. "Das ist zu wenig, Markus", sagt Danneberg, "WM-Teilnahme und dann tschüs in der Qualifikation, das kann es nicht sein. Wir wollen uns in Berlin präsentieren." Geht es konkreter? "64,90 Meter sollten zum Endkampf der besten acht reichen - wenn sein Kopf mitmacht. Eine WM ist aber kein Dorfsportfest, der Druck ist hundertmal höher. An dem sind auch schon viele Große gescheitert."

Berlin, die WM, ist für Münch nur noch einen Wurf entfernt. Schmeißt er in den nächsten Wochen den Diskus ein zweites Mal über 64,50 Meter, hat er die Teilnahmebedingungen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes erfüllt - als wahrscheinlich einziger Hamburger. Nach einem zweiwöchigen Trainingslager auf Zypern will Münch die WM-Norm am 16. Mai in Wiesbaden oder einen Tag später in Darmstadt angreifen. "Klappt das", sagt Danneberg, "können wir uns nach ein paar größeren Meetings umsehen, wo es ein bisschen Geld zu verdienen gibt." Münch, Student der Sportwissenschaften an der Uni Hamburg, trainiert wie ein Profi neunmal die Woche, seinen Lebensunterhalt aber bestreiten weiter hauptsächlich seine Eltern, bei denen er in Hasloh wohnt.

Als Sigrun Soukup, bis heute Münchs Athletiktrainerin, Danneberg im Herbst 2004 fragte, ob er sich nicht "eines großen Talentes" annehmen wolle, reagierte der Olympiasieger zunächst skeptisch. Damals hatte er schlechte Erfahrungen mit zwei jungen Athleten gemacht, "denen einfach der Biss und das Durchhaltevermögen fehlte". Münch hat beides. Unter der Anleitung Dannebergs verbesserte er sich in den vergangenen vier Jahren um rund 15 Meter. Im Februar warf er in Kienbaum erstmals über 60 Meter.

"Markus hat sein Potenzial in den Bereichen Kraft und Technik längst nicht ausgeschöpft. Das wird frühestens in zwei bis vier Jahren der Fall sein", sagt Danneberg. Beim Gewichtheben bringt Münch 130 Kilo im Reißen zur Hochstrecke, in einem Zug vom Boden über den Kopf. Danneberg schaffte in seiner besten Zeit 150. Dafür müsste Münch zunehmen, mindestens fünf Kilo. "Ich esse sehr gern", sagt Münch, "aber das schlägt bei mir nicht richtig an."

Zum Abschied will Danneberg noch etwas sagen - über sein Lieblingsthema, die Trainingsbedingungen in Hamburg. Die hätten sich verbessert, "aber das Bezirksamt scheint nicht in der Lage, unseren Diskusring wetterfest zu machen. Im Nassen ist die Verletzungsgefahr groß. Dabei würde fürs Erste eine Plastikplane reichen." In Magdeburg und anderswo im Osten Deutschlands gibt es sogar Wurfhäuser, sagt Danneberg. Die kosteten rund 10 000 Euro. Damit eins im Stadtpark gebaut wird, muss Markus Münch wohl erst Weltmeister werden.