Jetzt also soll es Frührentner Jupp Heynckes richten. Zwei Tage nach der Niederlage gegen Schalke 04 hat der FC Bayern München Trainer Jürgen Klinsmann gefeuert. Heynckes wurde allerdings nur auf Zeit eingekauft. Wer den deutschen Fußball-Rekordmeister in der kommenden Saison führen wird, steht noch in den Sternen. Von Cajkovski bis Klinsmann: die Bayern-Trainer in der Bundesliga

München. Der wankende Fußball-Riese FC Bayern München hat das riskante "Projekt Klinsmann" abrupt beendet und Frührentner Jupp Heynckes als Nothelfer für den Endspurt um den letzten möglichen Titel aus dem Hut gezaubert. Auch die Cottbuser Schützenhilfe gegen Bundesliga-Spitzenreiter VfL Wolfsburg konnte Jürgen Klinsmann den Job nicht mehr retten ganz im Gegenteil: "Jetzt erst recht", habe die Losung des Vorstandes gelautet, verriet Manager Uli Hoeneß. "Wir brauchen Aufbruchstimmung. Wir hatten so viele Bremsen drin in letzter Zeit", sagte Hoeneß, nachdem die spektakuläre Interimslösung mit Heynckes verkündet war.

Nach nur zehn Monaten ist der ehemalige Bundestrainer Klinsmann bei seinem ersten Job als Vereinscoach grandios gescheitert das "Sommerzeugnis" des Bayern-Vorstandes für den 44-Jährigen fiel verheerend aus. "Wir waren letzte Saison 34 Spieltage Tabellenerster, diese Saison nicht einmal. Das war zu wenig", zählte Hoeneß auf. Zudem habe man "alle wichtigen Spiele" verloren; in der Champions League 0:4 in Barcelona, in der Bundesliga 1:5 in Wolfsburg und im DFB-Pokal 2:4 in Leverkusen. "Irgendwann kommt der Punkt, wo du zweifelst", berichtete der Manager, der lange Klinsmann stützte.

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Der aus der Frührente zurückgeholte Heynckes (63) wird mit dem als Co-Trainer zur Seite gestellten Amateur-Coach Hermann Gerland (54) definitiv nur bis Saisonende einspringen. "Die Lösung gilt nur für fünf Spiele", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. Man traue dem Champions-League-Sieger von 1998 mit Real Madrid zu, "mit ruhiger Hand die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken".

Heynckes soll die Bayern "wenigstens" erneut in die Champions League führen, sagte Rummenigge. Der Bundesliga-Krösus bangt auch um die Millionen-Einnahmen in der Königsklasse, zumal die Abfindung nach der vorzeitigen Trennung von Klinsmann (Vertrag bis 2010) und die Verpflichtung eines Nachfolgers sehr teuer werden dürften.

"Es war ein Momentum eingetreten, wo wir die psychologische Barriere beiseite räumen mussten", begründete Rummenigge das Handeln des lange zögernden Vorstandes. Heynckes feiert sein Bundesliga-Comeback ausgerechnet am Sonnabend im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach. "Das ist schon Wahnsinn. Da sind zwei Seelen in meiner Brust", sagte Heynckes der "Rheinischen Post". Mit den abstiegsbedrohten Gladbachern war er als Spieler mehrfach deutscher Meister geworden und arbeitete dort später auch zweimal als Trainer.

Wer in der kommenden Saison Cheftrainer wird, ist offen. "Wir haben ganz bewusst keinen Trainer bis heute kontaktiert", erklärte Rummenigge. Zahlreiche Kandidaten werden in München gehandelt, neben ausländischen Trainern wie Arsene Wenger (FC Arsenal) auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der 2002 Borussia Dortmund als Chefcoach zum Gewinn der Meisterschaft führte.

Auch für den Vorstand bedeutet der Klinsmann-Rauswurf einen Imageschaden und das Eingeständnis einer Fehlentscheidung. "Wir haben alles gegeben", widersprach Hoeneß: "Das beste Konzept nützt nichts, wenn keine Ergebnisse kommen." Man wolle aber "in keinster Weise schmutzige Wäsche waschen", versicherte der Manager.

Klinsmann äußerte sich "sehr enttäuscht" über seinen Rauswurf. Trotzdem bedankte er sich "für eine ereignisreiche Zeit". Der 44- Jährige, der am Montag nach dem Rauswurf in Rummenigges Büro fluchtartig in seinem Dienstwagen das Vereinsgelände verlassen hatte, sieht sich nicht gescheitert. "Wir haben den Grundstein gelegt für die Zukunft", behauptete er. Auch seine Assistenten Martin Vasquez und Nick Theslof mussten gehen.

Heynckes wird am Dienstag offiziell vorgestellt und danach erstmals die Bayern-Profis trainieren. Diese wurden am freien Montag zusammengetrommelt und in der Kabine vom Wechsel unterrichtet. Die Spieler hätten es "ziemlich neutral aufgenommen", sagte Rummenigge. "Das Alibi Jürgen Klinsmann ist der Mannschaft genommen. Wir werden genau verfolgen, wer sich auf dem Platz zerreißt", warnte er.

Heynckes wurde in seiner ersten Münchner Amtszeit von 1987 bis zu seiner Entlassung am 8. Oktober 1991 zweimal Meister (1989, 1990) mit den Bayern. Nach der Entlassung in Mönchengladbach Anfang 2007 hatte er sich eigentlich aufs Altenteil zurückgezogen. Am Sonnabend saß er bei Klinsmanns Finale gegen Schalke schon auf der Tribüne der Allianz-Arena, genau einen Platz unterhalb von Klinsmanns Frau Debbie. Heynckes habe nach der Anfrage "nur fünf Minuten mit seiner Frau überlegt" und dann zugesagt, berichtete Rummenigge. "Ich tue das für den FC Bayern, der mir das Sprungbrett in den internationalen Fußball gegeben hat, und aus Freundschaft zu Uli Hoeneß", sagte Heynckes.

Klinsmann war mit großen Visionen angetreten und wollte "jeden Spieler jeden Tag besser machen". Das gelang nicht, in Champions League und DFB-Pokal schied der Rekordmeister jeweils im Viertelfinale aus. In der Bundesliga redete der Hitzfeld-Nachfolger immer nur von Platz eins. "Seit Weihnachten war es mit wenigen Ausnahmen nicht das, was wir uns vorgestellt haben", sagte Hoeneß zu den Ergebnissen und Leistungen auf dem Platz.

Klinsmann hatte bis zuletzt nicht an eine Kündigung geglaubt. "Wir ziehen das durch. Die Chemie stimmt intern", behauptete er nach der Schalke-Pleite. "Er hatte wohl damit gerechnet, dass wir es nach der Niederlage von Wolfsburg in Cottbus nochmals aufschieben würden", sagte Hoeneß.

Neben seinem Freund Heynckes will der Manager nun auf der Bank am 23. Mai nach dem letzten Spiel gegen Stuttgart in der Allianz-Arena doch noch zum 22. Mal die Meisterschale in Händen halten. "Wir sind alte Phantasten und sehen die Chance, das Unglaubliche zu schaffen und den Titel zu holen", sagte Hoeneß. Klinsmanns Entlassung ist der insgesamt vierte Trainerwechsel in der laufenden Bundesliga-Saison.