Tischtennis-Europameister Timo Boll kämpft bei der Weltmeisterschaft in Japan um seine erste WM-Medaille im Einzel. Dazu muss der 28 Jahre alte Linkshänder in die Phalanx der scheinbar übermächtigen Chinesen eindringen.

Hannover. Mit drei Schlägern und 20 Belägen im Gepäck fliegt Tischtennis-Europameister Timo Boll an diesem Sonnabend zur Weltmeisterschaft nach Japan. In Yokohama kämpft er von Dienstag an um seine erste WM-Medaille im Einzel. Der 28 Jahre alte Linkshänder sieht sich auf Augenhöhe mit den scheinbar übermächtigen Chinesen. "Wenn ich so gut spiele wie in den letzten Monaten, dann habe ich auf jeden Fall eine Chance. Dann müssen die Chinesen auch erst einmal an ihre volle Leistungsgrenze herankommen, um mich zu schlagen", sagte Boll im Interview mit der Deutschen Presse Agentur dpa.

Durch stabile Leistungen und bemerkenswerte Ergebnisse ist der Düsseldorfer seit den Olympischen Spielen 2008 in Peking auf Rang vier der Weltrangliste geklettert. Allein in diesem Jahr gewann er vier Turniere, darunter die German Open, das Europa Top 12 und die Katar Open. In Doha bezwang er im Finale sogar Olympiasieger Ma Lin - ein Erfolg, der im Reich der Mitte für Aufsehen sorgte. "Das war von großer Bedeutung. Ich habe die Chinesen etwas zum Nachdenken gebracht", erklärte Boll, der in China wegen seines Könnens und seines Auftretens sehr geschätzt wird.

Seit August 2008 spielt und trainiert der gebürtige Hesse fast beschwerdefrei. Nur vorige Woche zwang ihn ein altes Rückenleiden, das wieder auftauchte, zu einer kurzen Pause. "Die Ärzte haben das aber schnell in den Griff gekriegt", sagte Boll. Neben der langen verletzungsfreien Zeit machte er eine Regeländerung für sein Leistungshoch verantwortlich. "Die Material-Umstellung hat sich auch positiv ausgewirkt, ich bin von Anfang an sehr gut damit zurecht gekommen. Ich spiele mit langsameren Belägen, die dafür griffiger sind. Das kommt meinem Spiel zu Gute", erklärte der deutsche Meister, der in der Deutschen Tischtennis Liga (DTTL)noch unbesiegt ist.

Der Weltverband ITTF hat nach Peking das sogenannte Frischkleben untersagt. Die Beläge dürfen nicht mehr kurz vor Spielbeginn mit Klebern, die giftige Lösungsmittel enthalten, auf die Schläger geklebt werden. Die Ausrüsterfirmen haben danach andere Beläge entwickelt, und Boll hat sich schnell der neuen Situation angepasst: "Eine Woche habe ich getestet, dann habe ich mich entschieden und das ohne Murren durchgezogen. Viele waren nie zufrieden und haben immer probiert, etwas Besseres zu finden. Ich habe es akzeptiert, dass es nicht mehr so ist wie vorher."

In Yokohama hat der Ausnahmespieler auch im Doppel mit Christian Süß Medaillenchancen. Das Düsseldorfer Duo holte 2005 WM-Silber und zählt auch ohne spezielles Doppel-Training zum Favoritenkreis. "Wir wissen, wo wir hinspielen müssen, um den anderen gut einzubinden. Nach ein, zwei Runden ist man schnell drin im Doppel", sagte Boll. Auf das Mixed verzichtete er. Die WM, die am 5. Mai endet, ist auch so anstrengend genug. "Meine Kondition war mit Sicherheit schon besser. Das ist vielleicht im Moment die einzige Schwäche, die ich habe. Vom Ballgefühl her passt es prima. Ich habe zuletzt immer guten Willen gezeigt und mich durchgebissen. Auch wenn ich müde war, bin ich an die Grenzen gegangen", erklärte die deutsche WM-Hoffnung.