Marcel Hölscher und Sören Bertram vom HSV stehen heute im Aufgebot gegen Österreich.

Hamburg. Es ist ihr gemeinsamer großer Traum. Die deutsche Hymne singen, gemeinsam mit 10 000 Fans. Den Blick auf die schwarz-rot-goldene Fahne. Sören Bertram und Marcel Hölscher, die 17 Jahre alten Talente des HSV, haben seit zwei Wochen nur diesen einen Gedanken. Dabei zu sein, wenn heute um 18 Uhr am Millerntor die deutsche U-18-Nationalmannschaft gegen Österreich auflaufen wird.

Ob ihr Traum in Erfüllung gehen wird, werden sie allerdings erst heute Mittag in einem Konferenzraum im Hotel Mövenpick Wasserturm erfahren. Dann wird Trainer Frank Engel die Aufstellung auf eine große Tafel schreiben. Mit ihren Namen? Bertram glaubt ganz fest an seine Chance: "Ich will mich unbedingt beweisen."

Es wäre auch nur gerecht. Denn ausgerechnet vor einem Trainingslager des DFB in Katar brach sich der Schüler des Gymnasiums Heidberg vor knapp einem Jahr beim Waldlauf den rechten Fuß.

Es folgten Wochen der Schinderei. "Ich war ganz unten und musste mich wieder hochkämpfen." Aber einer wie er ist Kämpfen gewohnt. Einer, der lieber Jogginghose als Designer-Jeans trägt. Jahrelang chauffierte ihn sein Vater fünfmal die Woche aus seiner Heimat in Uelzen nach Hamburg, zunächst zum FC St. Pauli, dann zum HSV. 90 Kilometer hin, 90 Kilometer zurück. "Mein Papa hat nachts länger gearbeitet, um mich tagsüber fahren zu können. Unglaublich, wie viel Zeit und Geld er in mich reingesteckt hat."

Seine große Liebe zerbrach am Fußball: "Wir haben uns zu wenig gesehen. Aber man muss auch Opfer bringen."

Seit zwei Jahren wohnt er nun im HSV-Internat. Sein Zimmer mag er nicht zeigen. "Nicht aufgeräumt", grinst er beim Besuch der Abendblatt-Reporter: "Lasst uns in Marcels Zimmer gehen." Marcel Hölscher wohnt ein paar Türen weiter im Apartment Nr. 7. An der Wand hängt ein Kevin-Kuranyi-Poster. Das Foto seiner Freundin steht auf dem Tisch - seine Beziehung hat den Karriere-Stress offenbar verkraftet.

Vielleicht weil er auch ein wenig ruhiger ist als Sören. Er wirkt älter als 17, spricht fast druckreif über den Glauben: "Ich gehe nicht oft in die Kirche. Aber ich bete vor jedem Spiel in der Kabine." Sein Idol: Gianluigi Buffon, der italienische Weltmeister-Torwart.

Irgendwann will er auch einmal dort ankommen. In der Königsklasse: "Chelsea, das wäre mein Traumklub. Aber zunächst muss ich den Sprung in den Profikader des HSV schaffen." Bei aller Träumerei ist Marcel doch Realist geblieben. Er macht eine Ausbildung zum Industriekaufmann - sein Sicherheitsnetz.

Zwei Hamburger Jungs. Ein Traum. Heute können sie ihm wieder ein Stück näher kommen. Wenn Trainer Engel die richtigen Namen aufschreibt. Und wenn nicht? Dann gibt es eine zweite Chance. Am Donnerstag im Edmund-Plambeck-Stadion in Norderstedt, wenn die U 18 gegen Litauen spielt. In einer der Partien, hat der Trainer versprochen, werden sie dabei sein.