Matchmaker Jean-Marcel Nartz über deutschen Box-Nachwuchs, Sauerlands Fehler und seinen neuen Job in Hamburg

Hamburg. ABENDBLATT: Herr Nartz, an diesem Sonnabend verteidigt Sauerland-Superstar Sven Ottke in Nürnberg seinen WM-Titel gegen den Dänen Rudy Markussen. Sie wechseln zum neuen Jahr zu Sauerlands großem Konkurrenten Universum. Interessiert Sie Ottke eigentlich noch?

JEAN-MARCEL NARTZ: Natürlich. Mein Arbeitgeber ist immer noch Sauerland, deshalb haben meine Aufgaben hier bis zum Vertragsablauf Vorrang. Es ist ja auch nicht so, dass ich mich im Bösen von Sauerland trenne. Ich werde mich auch in Zukunft für Sven und die anderen Jungs aus dem Sauerland-Stall interessieren.

ABENDBLATT: Ihre Gedanken kreisen also noch nicht um die neue Aufgabe?

NARTZ: Nein. Für mich wird sich ja jobmäßig auch nicht viel ändern. Ich verfolge die Szene ständig, kenne alle bei Universum. Die einzige Neuerung ist, dass ich kein Sauerland-Emblem mehr trage, sondern ein Universum-Emblem. Aber darauf muss ich mich mental nicht monatelang vorbereiten.

ABENDBLATT: Wie kam es zu der Entscheidung, von Sauerland zum großen Konkurrenten Universum zu wechseln?

NARTZ: Ich habe dreimal geheiratet, und ich habe drei Angebote von Herrn Kohl bekommen. Ich sage mir immer: Aller guten Dinge sind drei. Im Ernst: Ich habe einfach eine neue Herausforderung gesucht. Und ich sehe bei Universum die größeren Perspektiven, sowohl persönlich als auch sportlich.

ABENDBLATT: Geld spielte keine Rolle?

NARTZ: Nein. Auf jeden Fall keine wichtige. Ich kann mich über das Geld, das ich bei Sauerland verdiene, ebenso wenig beschweren wie über das, was ich bei Kohl bekommen werde. Aber in meinem Alter kann Geld keine Motivation mehr sein.

ABENDBLATT: Was werden Sie bei Universum verändern?

NARTZ: Ich werde ein paar organisatorische Änderungen vornehmen. Mir schweben schon einige Ideen vor. Aber darüber werde ich mit meinen neuen Kollegen reden, wenn es so weit ist.

ABENDBLATT: Wo sehen Sie denn ihre Position bei Universum? Es gibt mit Peter Hanraths einen Geschäftsführer, Ecki Klein ist dessen Assistent, Matchmaker ist Hedi, die Pressearbeit machen Rainer Koppke und Kiki Diezemann. Was machen Sie?

NARTZ: Ich werde niemandem seinen Job wegnehmen, aber ich kann jeden Einzelnen unterstützen. Peter Hanraths will ein wenig kürzer treten, in seine Position kann ich hineinwachsen. Ich werde auch mit Hedi sprechen, wie wir gemeinsam arbeiten können. Bei 18 Veranstaltungen im Jahr ist aber mit Sicherheit für jeden genug Arbeit da. Herr Kohl kennt meine Stärken und Schwächen und wird wissen, wofür er mich geholt hat.

ABENDBLATT: Was sind die Stärken, auf Grund deren Herr Kohl Sie geholt hat?

NARTZ: Zunächst meine guten Drähte auf alle fünf Kontinente und zu allen großen Verbänden, dazu dann sicherlich mein Know-how in der Kommunikation mit den Fernsehsendern. Ich habe - bis auf das ZDF, das ich nun bei Universum kennen lernen werde - schon mit allen großen Sendern Europas und den US-Pay-TV-Riesen HBO und Showtime zusammengearbeitet. Dazu sagt man mir nach, dass ich ein gutes Organisationstalent besitze und sehr flexibel bin.

ABENDBLATT: Und die Schwächen?

NARTZ: Ich bin manchmal zu ehrlich und zu direkt. Das haben einige nicht so gerne. Aber ich nehme eben kein Blatt vor den Mund.

ABENDBLATT: Das gilt auch für das Verhältnis zu Herrn Kohl, mit dem Sie nicht immer gleicher Meinung gewesen sein sollen.

NARTZ: Ich habe mich schon oft mit Herrn Kohl gestritten, aber genauso oft lagen wir uns wieder in den Armen und haben uns vertragen. Wir sind beide Stiere, sehr impulsiv. Da wird schon mal gebrüllt, wenn man sich ärgert. Aber ich habe schon vor 20 Jahren für ihn gearbeitet, als Ringsprecher oder Technischer Leiter. Wir haben beide ein gemeinsames Streben, den Boxsport nach vorn zu bringen. Deshalb wird es in unserer Zusammenarbeit keine Probleme geben.

ABENDBLATT: Könnte es sein, dass Sie schon vor dem 1. Januar bei Universum einsteigen?

NARTZ: Das ist im Moment kein Thema. Wenn mich Herr Sauerland rauswirft, dann könnte es passieren. Aber ich glaube nicht, dass er das jetzt noch tut.

ABENDBLATT: Sie sind freier Unternehmer und können daher nebenbei noch für den Promoter Ulf Steinforth arbeiten. Beißt sich das nicht mit dem Job bei Sauerland und jetzt bei Universum?

NARTZ: Nein. Ich war schon immer dafür, die Kleinen zu unterstützen, und werde das auch weiter tun. Herr Sauerland wollte mir das untersagen, er war wohl ein wenig eifersüchtig. Herr Kohl hat mir den Nebenjob gestattet. Das macht den Wechsel zu Universum natürlich noch zusätzlich leichter.

ABENDBLATT: Was ist Ihre persönliche Zielsetzung für die Arbeit bei Universum?

NARTZ: Ich möchte dabei sein, wenn Universum gemeinsam mit dem ZDF beim Boxen die Nummer eins in Europa wird. Ich habe für fünf Jahre unterschrieben, will maximal noch sieben Jahre arbeiten. Ich hätte nichts dagegen, bei der Nummer eins aufzuhören.

ABENDBLATT: Mit dem Wechsel zu Universum hinterlassen Sie bei Sauerland eine große Lücke. Manche meinen, es wäre der Anfang vom Ende für den Stall. Wie sehen Sie dessen Zukunft?

NARTZ: Das Hauptproblem ist, dass Herr Sauerland in den letzten drei Jahren die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Er hat es versäumt, junge Nachwuchstalente zu fördern oder zu verpflichten. Die Leute, die er hätte haben können, haben inzwischen bei Kohl unterschrieben.

ABENDBLATT: Zum Beispiel?

NARTZ: Steven Küchler, Felix Sturm, andere hoffnungsvolle, noch unbekannte Amateure. Dort hätte Sauerland auch zugreifen können. Nun hat er das Problem, dass er dringend neue Leute braucht. Sven Ottke beispielsweise wird maximal noch ein Jahr bei Sauerland boxen.

ABENDBLATT: Sein Wechsel zu Universum ist definitiv vom Tisch?

NARTZ: Darüber habe ich mit ihm nicht gesprochen. Das muss er selbst entscheiden.

ABENDBLATT: Werden wir den Kampf Ottke gegen Michalczewski sehen?

NARTZ: Das weiß ich nicht. Ich habe da so meine Bedenken, selbst wenn sich Kohl und Sauerland einigen und die Medien diesen Kampf mittlerweile sehr puschen. Wie einigen sich die Fernsehsender? Gibt es eine Rückkampfklausel, die ja eigentlich verboten ist? Dann könnte zunächst die ARD und dann das ZDF übertragen. Aber was ist, wenn der Verlierer des ersten Kampfes aufhört, was meiner Meinung nach passieren würde? Ich glaube nicht, dass der Kampf kommt.

ABENDBLATT: Sie sprachen die besseren sportlichen Perspektiven an. Wo sehen Sie Universum in der Zukunft, was läuft gut, woran muss gearbeitet werden?

NARTZ: Zunächst muss man bedenken, dass die älteren Boxer wie Michalczewski oder Grigorian in ein paar Jahren nicht mehr kämpfen. Nur mit den Klitschkos oder Gomez zu veranstalten, das geht nicht. Also muss man auf die jungen Leute setzen. Da ist mit Trabant, Dimitrenko, Veit, Erdei, Kotelnik Perspektive. Und Jürgen Brähmer ist ein Jahrhundert-Talent. So schwierig er charakterlich auch sein mag.

ABENDBLATT: Es fällt auf, dass wenige deutsche Kämpfer darunter sind. Glauben Sie, dass die Identifikation der Fans mit Universum leidet, wenn zu viele Ausländer im Ring stehen?

NARTZ: Nein. Schauen Sie sich die Fußball-Bundesliga an. Da spielen so viele Ausländer, und die Leute gucken trotzdem zu. Das Problem ist, dass der deutsche Markt wenig hergibt. Ich sehe es selber häufig genug, dass sich die deutschen Jugendlichen nicht quälen mögen. Deutschland ist immer noch ein Wirtschaftswunderland, viele sind zu satt.

ABENDBLATT: Drängt Universum deshalb auch verstärkt auf den europäischen und den US-Markt?

NARTZ: Nicht nur deshalb. Ein Wladimir Klitschko ist in Deutschland mittlerweile nicht mehr zu bezahlen. Er muss sehen, dass er in seiner kurzen Laufbahn möglichst viel Geld verdient. Und das geht am besten in den USA, wo durch Pay-per-View die Millionen fließen. Diese Chance hat er nur in Amerika.

ABENDBLATT: Wie sieht denn die Zukunft des Boxens im TV aus?

NARTZ: Gut. Herr Kohl hat sich ein europäisches Netz geschaffen, das für die Zukunft eine große Bedeutung haben wird. Das sieht man auch daran, dass er eine Zusammenarbeit mit dem Pay-TV-Sender HBO vereinbart hat.

ABENDBLATT: Muss man nicht eine Übersättigung befürchten, wenn es fast jedes Wochenende Live-Events im TV gibt? Im Tennis hat man gesehen, was passiert, wenn die deutschen Helden fehlen. Dann sendet sich eine Sportart selber tot.

NARTZ: Boxen ist ein Sport Mann gegen Mann, und wenn der Kampf attraktiv ist, dann gucken die Leute, egal, ob ein Deutscher dabei ist oder nicht. Man sieht, welchen Erfolg die Spartensender DSF und Eurosport mit ihren Konserven haben. Da gucken 150 000 Leute die sechste Wiederholung von Ottkes Kämpfen. Es kommt auf die Qualität des Produktes an. Wenn die stimmt, dann glaube ich, dass ARD und ZDF konstante Quoten von fünf Millionen Zuschauern schaffen können. Und ein Kampf Ottke gegen Michalczewski würde locker 15 Millionen bringen.

ABENDBLATT: Sie sprechen viel von diesem Kampf. Wäre das Ihr Wunschduell?

NARTZ: Nein. Der Kampf, von dem ich träume, ist Wladimir Klitschko gegen Lennox Lewis. Diesen Kampf möchte ich sehen.

ABENDBLATT: Wenn Sie einen Boxer von Sauerland mitnehmen könnten, welcher wäre das?

NARTZ: Kein Kommentar. Nachher kommt der wirklich, und es heißt, ich hätte das gedreht.

ABENDBLATT: Und mit welchem Boxer, der nicht bei Universum unter Vertrag steht, würden Sie gerne mal zusammenarbeiten?

NARTZ: Ich würde gerne mit Roy Jones arbeiten oder das Comeback von Felix Trinidad vorbereiten. Toll wäre auch, wenn Markus Beyer Weltmeister würde und ich ihm einen Kampf gegen Joe Calzaghe verschaffen könnte.

ABENDBLATT: Beschränkte sich Ihre Leidenschaft fürs Boxen eigentlich immer auf die passive Ebene?

NARTZ: Mehr oder weniger, aktiv habe ich nur trainiert, aber nie gekämpft. Meine Box-Leidenschaft begann, als ich als sechsjähriger Junge meinen Vater begleitete, der für Siemens in Nordrhein-Westfalen die Ringbeleuchtung installiert hat. Seitdem hat mich das Boxen nicht mehr losgelassen.

ABENDBLATT: Haben Sie Idole gehabt, die Sie besonders geprägt haben?

NARTZ: Sportlich war es natürlich Muhammad Ali, geschäftlich gab es viele, bei denen ich mir etwas abgeschaut habe. Mein Großvater hat mir beigebracht, mit den Augen zu stehlen. Das habe ich oft genug getan.

ABENDBLATT: Bei Ihren Großeltern in Hamburg-Rissen sind Sie aufgewachsen. Welche Erinnerungen haben Sie an Hamburg?

NARTZ: Ich habe mich hier immer am wohlsten gefühlt. Bis zu meinem siebten Lebensjahr habe ich in Hamburg gelebt und bin dann, bis ich 17 war, jede Ferien hierher gefahren. Wenn ich ein Jahr nicht hier gewesen wäre, hätte mir etwas gefehlt. Noch heute bin ich HSV-Fan. Das zeigt, welchen Eindruck die Stadt hinterlassen hat. Umso mehr freue ich mich, bald wieder hier zu leben.