Letzter Auftritt des Wurf-Giganten beim Heimspiel gegen Göppingen in der Color-Line-Arena.

Hamburg. "Ach, hallo", ruft der Kellner am Eingang des Landhauses Walter und schaut erwartungsvoll, "was macht das Golfspielen?" Kyung-Shin Yoon stutzt einen Moment, dann grüßt er zurück, und man weiß nicht genau, ob es asiatische Höflichkeit ist oder ob er sich wirklich an eine Begegnung erinnern kann. Yoon ist es gewohnt, von fremden Menschen angesprochen zu werden. Er ist das, was man für Handballverhältnisse einen Star nennen kann, und sein Auftritt ist entsprechend: lässige Leinenhose, modisches schwarzes T-Shirt mit aufwendigen Applikationen, die Augen hinter einer großen Designersonnenbrille versteckt.

Kyung-Shin Yoon genießt diese sonnigen Tage, die vorerst seine letzten sind in Deutschland. Das morgige Saisonfinale des HSV gegen Frisch Auf Göppingen (15 Uhr, Color-Line-Arena/HBL.TV) ist Yoons Abschiedsspiel in der Bundesliga. Nach zwölf Jahren kehrt er mit Frau und Kind in seine koreanische Heimat zurück, und wenn ihn künftig die Menschen auf den Straßen von Seoul ansprechen werden, dann weil sie glauben, er müsse mit seinen 2,04 Metern ein Basketballstar sein.

Zum Jahrhundertsportler haben sie den 34-Jährigen in Korea gewählt. Überhaupt gibt es kaum eine Auszeichnung, die Yoon als Individualist nicht eingeheimst hätte: Welthandballer des Jahres, achtmal Torschützenkönig der Bundesliga, zweimal Toptorjäger einer Weltmeisterschaft. Seine 2900 Bundesligatore sind ein Rekord für die Ewigkeit. Er hat längst aufgehört, sie zu zählen. "Wichtiger ist, dass die Mannschaft gewinnt."

Genau daran hat es in seinen zehn Jahren beim VfL Gummersbach gemangelt. Yoon traf und traf mit seinem linken Wurfarm, aber er musste alles allein machen, weil es in der Mannschaft lange Zeit keinen gab, der annähernd an seine Klasse heranreichte. Für die vielen Tore gab es am Saisonende einen Blumenstrauß. Die Pokale aber heimsten die anderen ein.

Und so kommt es, dass einer, der ein Spiel dominieren kann wie kaum ein anderer, sich ohne nationalen Titel verabschieden muss. Das Pokalfinale im März gegen Kiel zu verlieren habe besonders geschmerzt, sagt Yoon, weil es sein erstes war und zugleich seine letzte Chance. Einzig der Europacup im vergangenen Jahr mit dem HSV war ihm vergönnt, und man kann sagen, dass dieser Erfolg ohne Yoon nicht möglich gewesen wäre. Sekunden vor Ende des Rückspiels in León machte er das entscheidende Tor. Kein spektakuläres zwar, aber das sind Yoon-Würfe selten: keine verspielten Dreher oder Heber, "das kann ich überhaupt nicht". Sie sind noch nicht einmal besonders hart, dafür präzise und manchmal tückisch, kurzum: Maßarbeit. Yoon kennt die Bewegungsabläufe fast aller Torhüter, er studiert sie vor jedem Spiel auf Video.

Seine schönsten Tore waren für Yoon keine Kempa-Tricks, sondern ebendas von León und der Siegtreffer im November in Kiel. Darauf ist er stolz. "Und dass ich eine neue Sprache, eine andere Kultur kennenlernen durfte." Die Zeiten, in denen er stets freundlich nickte, obwohl er kein Wort verstand, liegen lange zurück. Geblieben ist der Spitzname: Nick.

Erst beim HSV fand Yoon vor zwei Jahren ein Umfeld, das ihm ebenbürtig war. "Die Entscheidung für Hamburg war die beste meines Lebens", sagt er. Heute denkt Yoon, dass er den Wechsel vielleicht früher hätte wagen sollen. "Das ist wohl meine koreanische Mentalität: Ich wollte den VfL nicht im Stich lassen." Am Ende war es der Verein, der ihn im Stich ließ und mit einer Gehaltskürzung brüskierte. Sein VfL, den er mit seinen Toren vor der Bedeutungslosigkeit bewahrt hatte. Das hat ihn verletzt.

Ende des Monats kehrt Yoon für seine große Abschiedsparty noch einmal nach Gummersbach zurück. Olympia in Peking soll der letzte Höhepunkt seiner Karriere werden, bevor er sie in den kommenden drei Jahren beim Werksteam Doosan ausklingen lässt. Nebenbei will Yoon sich im Sportmarketing ein berufliches Standbein aufbauen. Koreas Verband hat ihm eine Anstellung in Aussicht gestellt. "Ich werde bestimmt Heimweh nach Deutschland bekommen", sagt Yoon, "hier ist das Klima besser, das Leben nicht so hektisch." Nur an eine Sache habe er sich nie gewöhnen können: Kartoffeln.