Tipps, Erfahrungen und Anregungen vor dem großen Lauf am Sonntagmorgen in Hamburg.

Das sagen drei Experten: Beim Sportforum von NDR 90,3 und dem Hamburger Abendblatt diskutierten im Landesfunkhaus Hamburg an der Rothenbaumchaussee, Sportmediziner Professor Dr. Klaus-Michael Braumann, Laufschuhverkäufer und -hersteller Ulf Lunge, 1983 Hamburger Marathonmeister, und ARD-"Tagesthemen"-Moderator Tom Buhrow über die Herausforderungen eines Marathon-Laufes. Moderiert wurde die einstündige Hörfunksendung von Matthias Steiner (NDR 90,3) und Abendblatt-Redakteur Rainer Grünberg (r.).

Professor Dr. Klaus-Michael Braumann (58) über...

...mögliche Fehler in den letzten Tagen der Vorbereitung: "Es gibt Läufer, die behaupten, sie hätten die letzte Woche vor dem Start im Bett verbracht. Das ist sicherlich nicht falsch. Der Organismus braucht nach der intensiven Vorbereitung eine Phase der Regeneration. Wer jetzt noch nicht in Form ist, dem hilft kein Training mehr. Ein bisschen Bewegung schadet jedoch nicht."

...die richtige Marathon-Temperatur: "Mit Fieber, und das beginnt bei 37,0 Grad, sollte man nicht starten. Ein Infekt kann schlimmstenfalls die Herzmuskulatur schädigen. Wenn man nur ein bisschen verschnupft ist oder hüstelt, gibt es keinen medizinischen Grund, nicht zu laufen."

...Aufputschmittel und Doping:

"Die größte Gefahr besteht darin, dass die natürlichen Leistungsgrenzen verschoben und die autonom geschützten Energiereserven aufgebraucht werden. Der Läufer nimmt dann die Alarmsignale seines Körpers nicht mehr wahr. Das kann bei ehrgeizigen Hobbysportlern zu schweren Erschöpfungszuständen führen und tödlich enden."

...Gedanken ans Aufgeben: "Bei der Frage, inwieweit ein Läufer die Warnsignale seines Körpers beachten soll, gibt es zwei Lager: Weichei oder Ranger. Man hat ja meistens ein halbes Jahr lang trainiert, um über dieses Gefühl ,jetzt kann ich überhaupt nicht mehr' hinwegzukommen. Das ist doch der persönliche Triumph beim Marathon: es trotz aller Schmerzen ins Ziel zu schaffen. Andererseits gibt es Einzelfälle, bei denen Läufer sehr ernste Warnsignale ihres Körpers ignorieren. Es ist schwierig, von außen Kriterien festzulegen, wann man aussteigen soll - und wann nicht. Das muss man mit sich selbst ausmachen. Im Training hat man sicher einige Grenzerfahrungen gemacht und gelernt, wie man mit diesen verantwortungsbewusst umzugehen hat."

...das richtige Trinken: "Früher hieß es, so viel trinken wie möglich und so früh wie möglich damit anfangen. Da gibt es heute andere Erkenntnisse: Gerade die Läufer, die fünf oder sechs Stunden für den Marathon brauchen, schwitzen nicht so viel, wie sie trinken. Das kann im Extremfall zu ernsten Gesundheitsstörungen führen, zu einer Überwässerung des Körpers. Das getrunkene Wasser kann die Körperflüssigkeit derart verdünnen, dass es zu Hirnschwellungen kommt. Selbstverständlich soll man genügend trinken, man sollte als Fünf- oder Sechsstundenläufer nur nicht die Faustregel pro Stunde ein Liter Wasser beherzigen. Und man sollte leicht gesüßte Getränke - und Bananen - zu sich nehmen, weil der Blutzuckerabfall dieses schreckliche Gefühl ausmacht, das als ,der Mann mit dem Hammer' beschrieben wird. Vor dem Lauf spricht übrigens nichts gegen eine starke Tasse Kaffee. Die hat stimulierende Wirkung."

Ulf Lunge (47) über...

...die richtigen Laufschuhe: "Wir haben Kunden, die kommen zwei Tage vor dem Marathon in unsere Geschäfte und fragen, ob sie mit ihren alten Tennisschuhen laufen können. Da neige ich zu dem Rat: ,Kauf dir lieber neue Laufschuhe, auch wenn du dir ein paar Blasen holst, mit denen kommst du besser über die Strecke.' Natürlich ist es am schönsten, wenn der Schuh über 200 Kilometer eingelaufen ist; das ist nicht immer möglich. Die Einlaufprobleme bei bewährten Modellen halten sich heute in Grenzen. Beim Schuhkauf empfehle ich das Gespräch mit einem ausgebildeten Verkaufsberater. Die gibt es inzwischen in vielen Geschäften in Deutschland. Der richtige Schuh ist extrem wichtig für einen beschwerdefreien Lauf."

...über Hightech im Schuh: "Man sollte sich durch die Werbung der Hersteller nicht blenden lassen. Andererseits beobachten wir seit einigen Jahren den Trend, dass immer mehr Hersteller in der Lage sind, gute Schuhe zu bauen und - das war lange ein großer Kritikpunkt - sie hochwertigere Materialien benutzen. Es muss jedoch für den Hobbyläufer nicht das Teuerste vom Teuren sein. Ein Standardmodell tut es auch."

...Kleidung und Cremes: "Beim Start sollte man ruhig ein zweites T-Shirt anziehen, das man später, wenn es wärmer wird, ausziehen und wegwerfen kann. Unter den Achseln, auf den Brustwarzen, im Schritt und an den Füßen schmiere ich mich mit Hirschtalg ein, seitdem ich einmal einen Marathon abbrechen musste, weil ich meine Brustwarzen wundgescheuert hatte. Hirschtalg ist temperaturresistenter als zum Beispiel Vaseline, die läuft schon mal weg, und dann greift bei Kilometer 35 das körpereigene Salz die offenen Stellen an. Das tut höllisch weh. Die Füße sollte man schon zwei Tage vor dem Lauf erstmals eincremen, damit das Fett besser in die Haut einzieht."

Tom Buhrow (49) über...

...seine Befindlichkeit vor dem Lauf: "Vor meinem ersten Marathon im Jahr 2000 dachte ich, ich muss absagen, ich kriege einen Infekt. In den letzten Nächten vor dem Start habe ich jede Nacht drei T-Shirts durchgeschwitzt. Ein Freund hat mich dann beruhigt. Das sei die ganz normale Nervosität vor einer solchen Herausforderung. Die spüre ich wieder."

...die Langzeitwirkung eines Marathons: "Die Vorbereitung ist Spaß, der Lauf am Ende, vor allem auf den letzten sieben, acht Kilometern eine Quälerei, eine echte Pein. Im Ziel stellt sich nach der Erschöpfung eine große Befriedigung ein, es geschafft zu haben. Und die verleiht mir auch über das Laufen hinaus Selbstbewusstsein und gibt mir Energie, auch schwierige Aufgaben im Privat- oder Berufsleben anzupacken. Der Marathon ist eine extreme Belastung. Wenn man sich auf sie einlässt, sollte man genau wissen, warum. Bei mir war es Trotz. Ich wollte es nicht nur mir beweisen, sondern es auch nach außen demonstrieren. Ein Kameramann sagte einmal bei einem Dreh zu mir: ,Du bist viel zu chaotisch, um einen Marathon in Angriff nehmen zu können.' In diesem Moment wusste ich: Ich laufe dieses verdammte Ding!"

...seine Ausrüstung: "Lange Zeit war meine Philosophie, Laufen ist ein natürlicher Sport, den haben schon die Steinzeitmenschen betrieben, du musst kein Geld für eine Spezialausrüstung ausgeben. Ich habe aber die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass es mit Schuhen vom Discounter nicht getan ist. Ich habe mich mit Sehnenbeschwerden rumplagen müssen und habe einen Marathon am Schluss nur mit Gehpausen durchgestanden. Seitdem lege ich auf die individuelle Besohlung meiner Füße großen Wert."