Deutschlands Sport gerät unter Generalverdacht. Dabei macht Doping nach Meinung der Experten in vielen Disziplinen nur wenig Sinn.

Hamburg. Systematisches Doping im deutschen Fußball? Nein, das kann sich Bundestrainer Joachim Löw beim besten Willen nicht vorstellen. Die grundsätzliche Möglichkeit dagegen schon. Nach den jüngsten Enthüllungen im Radsport müssen auch Verantwortliche aus anderen Sportarten vermehrt Stellung beziehen. Zu nah liegt die Annahme, dass Spitzenleistungen nur noch mit dem Griff in den Apothekerschrank zu erzielen sind. Namhafte Sportmediziner meinen hingegen, dass Doping in vielen Disziplinen gar keine entscheidenden Effekte hätte.

Beispiel Fußball. Dr. Gerold Schwartz war über zehn Jahre Mannschaftsarzt bei den Bundesliga-Profis des HSV: "Im Fußball macht Doping keinen Sinn", sagt er. "Schließlich geht es am Ende darum, Tore zu erzielen." Hinweise auf Doping-Praktiken habe er auch nicht. "Das sind Mutmaßungen, die im Rahmen des großen Schocks vorschnell getroffen werden", sagt Schwartz.

Auch Professor Dr. Klaus-Michael Braumann, ärztlicher Leiter des Instituts für Sport- und Bewegungsmedizin der Uni Hamburg, hält die Spielsportarten für eindeutig weniger betroffen als beispielsweise den Radsport. Im Fußball könnten seiner Meinung nach Aufputschmittel sowie anabole Stereoide in der Rehabilition zum Einsatz kommen. "Das ist aber alles reine Theorie", sagt Braumann. "Ich denke, dass in Deutschland die Angst, erwischt zu werden, viel zu groß ist."

Prof. Dr. Bernd Kabelka, Teamarzt der Eishockeycracks von den Hamburg Freezers sowie der Footballer der Hamburg Sea Devils, hat in seinen "Spezial-Sportarten" noch keine Anzeichen für Doping festgestellt. Weil es im Eishockey auch auf Sprintfähigkeit und Schnelligkeit ankommt, käme seiner Meinung nach Epo für Betrüger in Betracht. Denkbar seien wie in anderen Spielsportarten auch Aufputschmittel und solche zur schnelleren Regeneration. "Ich glaube, dass Doping wenn überhaupt nur in den Play-offs einen Unterschied machen würde", meint Kabelka. "Nämlich dann, wenn alle besonders müde sind."

Der Mediziner betreut alljährlich auch die Tennisstars am Rothenbaum. In der Vergangenheit hatte es im "weißen Sport" einige Dopingfälle gegeben. Der Argentinier Mariano Puerta ließ sich beispielsweise gleich zweimal erwischen und wurde für acht Jahre gesperrt. Einen Effekt hätte Doping laut Kabelka vor allem bei langen Grand-Slam-Turnieren. Seit Jahren im Doping-Fokus stehen die Schwimmer. Braumann arbeitete früher als Teamarzt des nationalen Verbandes. Epo und Wachstumshormone könnten je nach Strecke im Wasser weiterhelfen, meint er. Allerdings gebe es keine Sportart, die so offensiv mit dem Thema Doping umgehen würde wie das Schwimmen.

Den Einsatz von Dopingmitteln gar für kontraproduktiv hält der Hamburger Internist Dr. Bodo Eckmann, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). "Es gab und gibt immer mal wieder Fälle von Anabolika-Missbrauch. Vereinzelt kommt auch der Gebrauch von Cannabis oder Amphetaminen vor, früher wurden zum Gewichtmachen auch entwässernde Medikamente genommen", sagt er. Anabolika für den Muskelaufbau, wie zuletzt in Deutschland im vergangenen Jahr bei Weltergewichtsprofi Michel Trabant vorgekommen, seien jedoch nutzlos, "weil sie das Gewicht erhöhen, was Boxer meist verhindern wollen. Pure Kraft hilft im Boxen sowieso nicht, und ein Mittel, das die Schnellkraft und Technik leistungsfördernd beeinflusst, gibt es nicht", so Eckmann weiter.

Amphetamine, die die Aggressivität steigern und das Schmerzempfinden lindern, sowie entwässernde Medikamente seien verpönt, "weil die Gefahr, sich schwer zu verletzen oder zu dehydrieren, erhöht wird." Ausdauer fördernde Mittel wie Epo hätten in einer auf Schnellkraft beruhenden Sportart wie Boxen generell keine Wirkung. Eckmann erklärte, er habe in seiner Laufbahn noch nie Anfragen nach Dopingmitteln oder deren Verabreichung erhalten. "Wir sind aber nicht so naiv zu glauben, dass es nicht genügend Leute gibt, die nach Mitteln suchen, um ihre Leistung zu optimieren", sagt er. Deshalb wird nach jedem Titelkampf zur Kontrolle gebeten.