Sie arbeiten als Grafikerin, Bankerin oder Ärztin. Sie fiebern der größten Herausforderung entgegen, die sie sich als Seglerinnen vorstellen können. Und sie sind überzeugt: Wir werden das schaffen!

Hamburg. "Ich bin durch das Büro gehüpft, nein, geflogen. Und habe den ganzen Betrieb durcheinandergebracht." Stefanie Edeler (34) konnte ihr Glück nicht fassen, als sie zu einem ersten Training für die Frauencrew des Deutschen Hochseesportverbands Hansa (DHH) eingeladen wurde. "Ich hatte mehrfach per E-Mail versucht, mich bei unserer Schiffsführerin Inken interessant zu machen. Doch dass ich nun wirklich in der Crew bin, ist der Wahnsinn." Edeler, die als Teamleiterin im Kundencenter der Deutschen Bank in Bonn arbeitet, träumte schon lange von einer Atlantiküberquerung. "Unsere ganze Familie ist segelverrückt. Für alle ist der Atlantik die große Herausforderung."

Das "HSH Nordbank Blue Race" gilt als eine der härtesten Amateurregatten der Welt. Am 16. Juni wird das Segelrennen, das von Newport (USA) nach Hamburg führt, zum zweiten Mal nach 2003 gestartet.

"Mit diesem Projekt wage ich in meinem Leben erneut einen Ausstieg." Madeleine Krüger (32), die als freie Grafikerin in Hamburg arbeitet, war bereits zwei Jahre Segellehrerin. "Lange Zeit bedeutete der Job als Grafikerin mir alles. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich mal raus muss und bin nur gesegelt." Auch über den Atlantik. "Allerdings die sogenannte Barfußroute, von den Kanaren in die Karibik." Bei der Frauencrew war sie von Anfang an dabei. "Wenn ich die Chance nicht jetzt nutze, wann dann?"

Für viele Segler ist eine Atlantiküberquerung trotz ihrer großen Gefahren eine Erfahrung, die man einmal gemacht haben muss.

"Eigentlich hatte ich weder Zeit noch Geld, um so lange für ein Segelprojekt auszusteigen." Antje Wöhnke (42) ist freie Mitarbeiterin beim NDR in Hamburg. Für sie ist der lange Urlaub eine doppelte Belastung, weil sie in dieser Zeit kein Geld verdient. "Aber meine Freunde haben mir gesagt: ,Alles andere ist relativ, wenn du die Chance bekommst, diese Route einmal zu segeln.'"

Es haben sich bereits 22 Schiffe aus sieben Nationen gemeldet. Insgesamt rechnen die Veranstalter mit rund 50 Startern und mehr als 500 Mitseglern.

"Mein großes Ziel ist es, bis zum Start den Facharzt in der Tasche zu haben." Melanie Aalburg (32) will in wenigen Monaten Allgemeinärztin sein. "Hoffentlich muss ich mein Können auf unserem Trip nicht beweisen." Die zierliche Frau aus Berlin, in einer Seglerfamilie großgeworden, will für alle möglichen Verletzungen vorsorgen und eine spezielle Ausrüstung mitnehmen. "Es gibt nur wenige Dinge, die wir nicht auf dem Schiff behandeln können."

Über den stürmischen Nordatlantik geht es für die Teilnehmer auf einer rund 3600 Seemeilen langen Strecke nördlich um Großbritannien herum bis in die Elbe hinein. Dabei müssen alle Segler den sogenannten Point Alpha passieren, der die Eisgrenze vor Neufundland markiert. So soll ausgeschlossen werden, dass ein Schiff auf einen Eisberg stößt.

"Zusammen mit den Mädels werden wir alles meistern können." Petra Klieba-Schmidt (30), eine gebürtige Kroatin, wird an Bord die Vertreterin von Skipperin Inken Braunschmidt sein. Kennengelernt haben sich die beiden während des "Hongkong Challenge Round the World Race" (ca. 10 000 Seemeilen). Klieba-Schmidt arbeitet derzeit in einem Reisebüro in Kroatien. "Dort hat Segelsport eine große Bedeutung, sodass ich alle Unterstützung für das Projekt bekomme."

Als besonders gefährlich gelten im Nordatlantik auch verloren gegangene Container, die dicht unter der Oberfläche schwimmen und nicht einmal mithilfe des Radars zu erkennen sind.

"Angst habe ich nur vor Situationen, in denen an Bord etwas Wichtiges kaputtgeht. Mit rauem Wetter rechnen wir ja täglich." Beate Nielhoff (39) bleibt ganz ruhig, wenn sie von den Herausforderungen spricht, die auf die 14 Frauen zukommen. "Nur das Material muss halten, dann schaffen wir alles." Dabei hat Nielhoff bisher nur wenig Erfahrung im Regattasegeln oder auf langen Strecken. "Dafür segele ich aber seit meiner Kindheit", sagt die Kauffrau, die gerade von Köln in den Schwarzwald zieht.

Auch schlafende Wale bereiten den Seglern immer wieder Sorgen. Sie schwimmen ebenfalls dicht unter der Wasseroberfläche und sind schlecht auszumachen.

"Mir ist auf den großen Regatten beinahe alles passiert, sodass ich mir nicht vorstellen kann, dass hier noch etwas Schlimmeres auf mich wartet." Inken Braunschmidt (32) ist die Skipperin der "KPMG". Die blonde Frau, die als Unternehmensberaterin bei RWE-Systems in Essen arbeitet, hat viele Ozeane überquert. So segelte sie unter anderem um das Kap Farewell nach Grönland und nahm am "Hongkong Challenge Round the World Race" teil. "Wir wollen in unserer Vorbereitung so weit kommen, dass wir beinahe alles an Bord selbst lösen können, bis hin zu kleinen Operationen."

Das Wettrennen ist ausgeschrieben für Einrumpf-Hochseeyachten mit einer Länge ab 40 Fuß (12,2 Meter). Unter den teilnehmenden Yachten ist derzeit die "Parsifal III" mit 52,4 Meter Länge das größte Schiff.

"Die Dimensionen auf der ,KPMG' sind schon gewaltig. Aber mit etwas Geschick bekommen wir alles in den Griff." Edda Thiessen (27) ist die Jüngste an Bord und kennt dennoch die Route so gut wie wenige andere. Bereits 2003 nahm sie an dem Rennen von Newport nach Hamburg teil. Auf der "KPMG" wird sie eine der härtesten Aufgaben bekommen: die Koordination auf dem Vorschiff. Bis zum Start im Juni hat sie noch viel zu erledigen. "Ich werde im Mai mein Examen in Medizin an der Uni Kiel machen. Und wenn alles gutgeht, direkt danach in den Flieger nach Amerika steigen."

Es ist das erste Mal, dass auch eine Frauencrew ins Rennen geht. Die 18 Meter lange Yacht "KPMG" vom Deutschen Hochseesportverband Hansa (DHH) hat bereits vor vier Jahren an der Regatta teilgenommen. Damals unter dem Namen "World of Tui".

"Seglerisch bin ich sicherlich am unerfahrensten." Frauke Windolph (29) hat erst vor drei Jahren mit dem Segeln begonnen. Dabei ist sie an der Ostsee aufgewachsen. "Und so habe ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass ich mitfahren kann." Windolph, die in Bremen im Marketing und Produktionsmanagement arbeitet, ist deshalb umso stolzer, dabei zu sein. "Als ich im Sommer auf die Entscheidung wartete, schwand meine Zuversicht von Tag zu Tag. Das schaffst du nie, da mitzukommen, habe ich mir gesagt." Und dann bei der Zusage gejubelt wie ein kleines Kind.

Die 14 Frauen bereiten die rund drei Wochen auf See ganz genau vor. Um das große und schnelle Schiff noch besser kennenzulernen, trainieren sie im März zwei Wochen in der Karibik. Denn dort liegt die "KPMG" derzeit. Einen Großteil der Reisekosten tragen die Frauen selbst.

"Für mich war dieser zusätzliche Urlaub und der teure Flug einfach zu viel. Ich kann nicht mit in die Karibik kommen." Maren Gadischke (33) bleibt im März zu Hause. Doch die junge Frau ist eine sehr erfahrene Seglerin, sodass sie trotz des fehlenden Trainings auf der "KPMG" im Juni optimal vorbereitet starten wird. "Ich war noch im Bauch meiner Mutter, da musste ich schon mit an Bord." Gadischke arbeitet als Kauffrau in einem Exportbetrieb in Kiel. Sie war eine der Letzten, die zu der Frauencrew dazustieß. "Wegen eines Jobwechsels konnte ich erst sehr spät zusagen. Aber zum Glück hat es ja noch gereicht."

Die "Haspa Hamburg", die "Norddeutsche Vermögen", die "Peter von Sestermühe" und die "Cheri Hakatan" nehmen bereits zum zweiten Mal teil. Sie waren 2003 bei der Vorläuferregatta dabei, dem "DaimlerChrysler North Atlantic Challenge".

"Auf der "Peter von Sestermühe" bin ich die ARC ("Atlantic Rally for Cruisers") gefahren. Doch das war ja seicht gegen das, was uns jetzt erwartet." Heike Hupperts (39) wurde von ihren Eltern an den Segelsport herangeführt. "Die haben mich einfach in einen Optimisten gesteckt." Selbst als Segellehrerin hat die Diplom-Betriebswirtin, die in der Schweiz lebt, schon gearbeitet. Mittlerweile hat sie nur noch an den Wochenenden Zeit für ihr Hobby. "Doch mit einer reinen Frauencrew den Atlantik zu überqueren hat mich gereizt."

Das sogenannte Hauptfeld der Wettfahrt startet am 16. Juni in Newport im Bundesstaat Rhode Island. Eine Woche später gehen die schnellen Racer auf die Strecke. So soll ermöglicht werden, dass alle Schiffe etwa zur gleichen Zeit in Hamburg ankommen.

"Als bei mir die Entscheidung anstand, ob ich so lange für ein Segelprojekt pausieren kann, hat mein Chef den entscheidenden Anstoß gegeben." Karin Tinnemeyer (35) arbeitet als Frauenärztin in Flensburg. Ihr Chef, ein begeisterter Segler, hat sie ermuntert, an der Regatta teilzunehmen. Auch ihr Mann unterstützt das Projekt. "Er segelt selbst." Tinnemeyer ist eine erfahrene Seglerin. Sie nahm, genau wie Inken Braunschmidt und Petra Klieba-Schmidt, bereits am "Hongkong Challenge Round the World Race" teil.

Die Ziellinie für das Rennen liegt in der Nordsee vor Cuxhafen. Anschließend segeln die Teilnehmer weiter nach Hamburg.

"Was mit mir passiert, wenn ich zurückkomme, weiß ich noch nicht." Dunja Schmidt (29) arbeitet als Segellehrerin. Für ihren Traumberuf hat sie das Psychologiestudium abgebrochen. Die junge Frau mit den langen dunklen Haaren lebt mit ihrem Freund in der Nähe von Kassel. Wegen der Regatta kann sie derzeit keinen Job annehmen. "Aber spätestens im Herbst werden mein Freund und ich wieder als Fallschirmsprunglehrer in den USA arbeiten."

In Hamburg werden alle Teilnehmer von Bürgermeister Ole von Beust begrüßt. Er hat, wie schon 2003, die Schirmherrschaft übernommen.

"Für mich wird es die größte Freude sein, nach den drei Wochen meine Tochter und meinen Mann wieder zu sehen." Sabine Jüttner-Storp (52) ist die älteste Seglerin an Bord. Die gebürtige Lübeckerin, die heute mit ihrer Familie in Glücksburg lebt, bereitet sich in den kommenden Monaten ganz gezielt auf die Wettfahrt vor. "Damit ich mit den jungen Mädels auch richtig mithalten kann." Unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann und ihrer Tochter. "Sie tragen alles mit. Ohne sie hätte ich diesen großen Traum nie verwirklichen können."

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Das Hamburger Abendblatt wird die Crew "begleiten": Von Bord werden die 14 Frauen jeden Tag einen Bericht in Form eines Tagebuchs senden, der zusammen mit Fotos abgedruckt wird.