Hamburg/St. Andrews. Als am vergangenen Freitag plötzlich die Kamerawagen an seiner Spielbahn anrollten, begann Tino Schuster nachzudenken. Bis dahin hatte er nichts weiter gemacht, als gut Golf zu spielen, so gut, daß er Mitte der zweiten Runde der British Open nur noch den Weltranglistenersten Tiger Woods vor sich hatte. Doch dann kamen die Wagen, "und ich stand ein bißchen neben mir". Folge der Selbstsuche: Auf den zweiten neun Löchern leistete sich der Stuttgarter vier Bogeys und einen Doppelbogey.

Aus dem Traum, als Qualifikant an der Seite von Superstar Woods auf die Schlußrunden im Golf-Mekka St. Andrews zu gehen, war Schuster wie im Zeitraffer in die Realität zurückgerissen worden. Am Ende des Tages fand er sich auf Rang 39 wieder. Das reichte zwar locker, um den Cut zu überstehen, was etwa Alex Cejka - er sagte seine Teilnahme bei der Deutsche Bank Players' Championship in Gut Kaden in dieser Woche ebenso ab wie der Schotte Colin Montgomerie - nicht gelungen war.

Doch noch am Sonntag abend, als Schuster als Gesamt-60. feststand, 15 Schläge hinter Sieger Woods, "war ich doch etwas enttäuscht". Einen Tag später konnte der 27jährige im Gespräch mit dem Abendblatt dann doch eine positive Bilanz von seinem ersten Major-Auftritt ziehen: "Ich habe ein Riesenturnier gespielt. Daß ich mich überhaupt für die Teilnahme qualifiziert habe, war ja schon ein Erfolg."

Der sich auch finanziell ausgezahlt hat: 14 546,70 Euro Preisgeld hat Schuster in St. Andrews verdient. "Das ist mehr, als man auf der Challenge-Tour, in der ich normalerweise unterwegs bin, für den Turniersieg bekommt." Angesichts der enormen Reisekosten könne man sich dort ohne Sponsoren kaum über Wasser halten. "Das ist ein extrem hartes Dasein." Jetzt hofft Schuster den späten Lohn seiner Mühen zu ernten. 1997 und 1998 war er deutscher Amateurmeister, aber erst im vergangenen Jahr hatte er beim erstklassigen Europa-Turnier BMW Open mit Rang elf seine wertvollste Plazierung geschafft. Vielleicht war die Auftaktrunde in St. Andrews auch nur eine Momentaufnahme im Leben des bisher drittklassigen Golfprofis. Einer, der trotz solider Handarbeit, Fleiß und viel Talent das Glück bisher nicht zwingen und den Zufall nicht oft genug ausschalten konnte.

Verletzungsprobleme drohten Schuster aus der Bahn zu werfen. Aber Fleiß und Charakter haben ihm geholfen, wieder Anschluß zu finden. Und die Inspiration, die Bernhard Langer ihm bei persönlichen Kontakten vermittelte. "Ich habe vor 20 Jahren seinetwegen mit dem Golfspiel begonnen. Er war und ist eine große Hilfe in meiner Karriere", sagt der Schwabe über seinen berühmten Landsmann.

Den Cut zu schaffen, das hat sich Tino Schuster für Gut Kaden vorgenommen. Er weiß nicht erst seit Freitag: "Im Golf kann es sehr schnell gehen."