Olympia: Die britische Hauptstadt erhält vom IOC den Zuschlag für die Sommerspiele 2012. Moskau, New York und Madrid scheitern vorzeitig

Singapur. Als erste Stadt wird London 2012 zum dritten Mal nach 1908 und 1948 Gastgeber Olympischer Spiele sein. Die britische Hauptstadt triumphierte in einem dramatischen Fünfkampf der Weltmetropolen bei der 117. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vor dem großen Rivalen Paris sowie Madrid, New York und Moskau.

Als IOC-Präsident Jacques Rogge um 13.49 Uhr die Stadt an der Themse im Raffles Convention Center von Singapur zum Sieger erklärte, war der britische Jubel grenzenlos und die französische Enttäuschung abgrundtief. Mit der überraschenden Niederlage blieb die Hoffnung von Paris unerfüllt, das größte Sportfest selbst als erste Stadt zum dritten Mal (nach 1900 und 1924) auszurichten.

Die großen Sieger des Duells London gegen Paris, das im vierten Wahlgang mit 54:50 Stimmen ausging, waren Leichtathletik-Olympiasieger Sebastian Coe und Premierminister Tony Blair. Coe moderierte die 45minütige Präsentation brillant. Er bekannte: "Ein Sieg Londons ist etwas ganz Großes, mehr als meine zwei Olympiasiege."

Auch das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach unterstrich die Bedeutung der Darstellung Londons für den Sieg: "Sie hat den Unterschied ausgemacht. Ein Bewerber muß Fakten und Emotionen rüberbringen, Jugend und Sport thematisieren - und das alles möglichst mit Humor." Coe habe bewiesen, daß ein Athlet eine Sportmessage am überzeugendsten transportieren könne.

Blair hatte in Singapur mit Dutzenden IOC-Mitgliedern gesprochen und sie dabei offenbar überzeugt. "Wir versprechen Ihnen, daß wir Ihre besten Partner sein werden", hatte Blair per Video, teils in Französisch, der Vollversammlung versichert, "es ist die Bewerbung einer ganzen Nation." Beim G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles verließ Blair kurz vor der Verkündung des Siegers den Fernsehraum: "Ich konnte es vor Spannung nicht aushalten. Es passiert in meinem Job nicht so oft, daß man die Faust ballt, einen Luftsprung macht und der nächstbesten Person um den Hals fällt."

Für Jacques Chirac war die Niederlage besonders schmerzlich. Frankreichs Staatspräsident hatte den IOC-Mitgliedern persönlich "unvergeßliche Spiele" in Paris versprochen. Die Hiobsbotschaft erfuhr der 72jährige dann auf dem Flug nach Schottland. Chirac hatte als Bürgermeister schon die gescheiterte Bewerbung für 1992 angeführt. Bei der Kandidatur für 2008 war Paris hinter Peking und Toronto nur Dritter geworden.

Madrid hatte durch die Herzlichkeit des Plädoyers von Königin Sofia und Moskau durch die Kampaktheit seines Modells "Spiele am Fluß" Moskwa beeindruckt. Wladimir Putin hielt bei seinem Video-Plädoyer für Moskau als erster russischer Präsident er eine offizielle Rede auf Englisch. Im Gegensatz dazu wirkte die Selbstdarstellung New Yorks als ein einziger Superlativ eher aufdringlich. US-Präsident George W. Bush ließ sich über Video nur mit wenigen allgemeinen Sätzen vernehmen. Zudem wurden viele IOC-Mitglieder durch die Ankündigung verschreckt, bei einer Niederlage nie mehr anzutreten. Trotz eines anrührenden Auftritts des parkinsonkranken Boxidols Muhammad Ali schied New York als zweite Stadt nach Moskau und vor Madrid aus. Spaniens Hauptstadt hatte im zweiten Wahlgang sogar die meisten Stimmen vor London und Paris erhalten. Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardóón kündigte eine erneute Kandidatur für 2016 oder 2020 an. Leipzig als deutscher Bewerber war bereits bei der Vorausscheidung im Mai 2004 gescheitert.

London will vom 27. Juli bis 12. August 2012 Spiele der kurzen Wege präsentieren. 80 Prozent der Wettkampfstätten sollen vom olympischen Dorf aus innerhalb von 20 Minuten erreichbar sein. Das Konzept sieht einen Olympia-Park im Osten der britischen Hauptstadt mit zwei weiteren Zentren an der Themse und im Stadtkern vor. Der Olympia-Park enthält das Athleten-Dorf, das Olympiastadion für 80 000 Zuschauer und Wettkampfstätten für zwölf weitere Sportarten. An der Themse sind 14 Sportarten in zehn bis 15 Kilometer Entfernung vom olympischen Dorf vorgesehen, im Zentrum sechs.

Klaus Steinbach, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK), lobte das Konzept als lebendig, jugendlich und an den Interessen der Athleten sowie der Zuschauer orientiert. Dagegen äußerte der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, sein Bedauern über das Scheitern von Paris: "Die Entscheidung zeigt den britischen Einfluß in der Weltpolitik und auch im Sport. Den sollte man nicht unterschätzen."