Die Blue Devils trennen sich von Headcoach Kent Anderson.

Hamburg. "Es werden Leichen liegen bleiben", hatte Dietrich-E. Stolze vor zehn Wochen gegenüber dem Abendblatt geunkt, "ich weiß nur noch nicht, welche." Um ein Haar hätte es ihn selbst erwischt. Gestern Morgen legte der Sportdirektor der Hamburg Blue Devils zunächst sein Amt nieder. "Solange die Bande hergelaufener, geldgeiler Strolche wie Kent Anderson und andere aus dem Umfeld des Vereines ihre Spielchen zum Schaden der Blue Devils treiben", werde er seinen Namen und seine (ehrenamtliche) Arbeitskraft nicht mehr für den deutschen Footballmeister hergeben, ließ Stolze per Fax wissen. Im Prinzip hieß das: er oder ich! Nachdem der Vorstand, dem auch Gründungsmitglied Stolze angehört, am Abend getagt hatte, stand fest: Anderson ist ab sofort nicht mehr Headcoach der Blauen, er wurde fristlos entlassen. "Auf Grund der Vorkommnisse der vergangenen Tage und Wochen ist das Vertrauensverhältnis zerstört, wir sehen keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit", begründete Präsident Christian Baarz diesen Schritt. Heute will der Vorstand Defensive Coordinator David Likins ein Angebot als Interims-Headcoach unterbreiten. Eine Einigung gilt als unwahrscheinlich - Likins ist Anderson freundschaftlich verbunden. Weil so schnell kein US-Trainer kommen kann, werden am Sonnabend (18.30 Uhr, AOL-Arena) gegen Köln wohl Frank Fischer und Tony Söker den Angriff coachen. Stolze wird den Teufeln nun wohl doch erhalten bleiben: "Ich muss doch aufpassen, dass dem Verein nichts passiert." Die Kündigung Andersons, vor seinem Wechsel nach Hamburg mit den Braunschweig Lions dreimal in Folge German-Bowl-Sieger, hatte der Devils-Vorstand bereits zweimal unterschrieben, jedoch nicht ausgehändigt. Den Stein hatte Anderson Ende April ins Rollen gebracht, als er Baarz via Abendblatt vorwarf, "kein guter Footballpräsident" zu sein. Zuletzt war der Vorstandsbeschluss in der Vorwoche erneuert worden, wiederum ohne Vollzug. "Die Initialzündung", nicht nur für Stolze, war das Verhalten gegenüber Athletik-Coach Horst Meinhardt beim Training am Donnerstag. Weil Anderson und Likins bei Trainingsbeginn um 19 Uhr fehlten - nicht zum ersten Mal -, begann Meinhardt um 19.05 Uhr mit dem Aufwärmprogramm. Sieben Minuten später erschien Anderson, rüffelte Meinhardt ("Wenn du das noch mal machst, hau ich dir in die Schnauze") und verbannte den tief enttäuschten Athletiktrainer zwei Tage später vor dem Auswärtsspiel der German Football League (GFL) in Berlin von der Seitenlinie auf die Tribüne. Der fachlich unumstrittene Cheftrainer sah offenbar seine Autorität untergraben, hatte die Endzone außerhalb des Spielfeldes aber schon mehrmals überschritten. Sein Verhältnis zu Meinhardt hatte er verändert, seit dieser Mitte April davon abgerückt war, seine Vorstandskollegen Baarz, Vize Winfried Adams und Schatzmeister Stefan Schumann zu stürzen. Als Großverdiener Anderson (knapp 4500 Euro monatlich) kürzlich mit Blick auf die klamme Clubkasse ersucht wurde, eine Änderungskündigung zu unterschreiben, schlug er vor, die gesamte Familie Meinhardt - auch Ehefrau Petra sowie die Söhne Rico und Toni sind für die Blauen tätig - zu feuern. Seine Kompetenzen überschritt Anderson auch, als er Offensive-Liner Marek Rubin eigenmächtig im Crowne-Plaza-Hotel einquartierte. Weil der Sponsoringvertrag nur für vier Zimmer gilt, lief bei der Blue Devils GmbH unlängst eine Rechnung über 3000 Euro auf. Wäre es nach Anderson gegangen, würden auch für Dr. Gerald Meier Rechnungen ausgestellt. Seinen Intimus aus Braunschweiger Tagen hätte er gern als Berater in der Vermarktung gehabt. "Ich will Erfolg mit den Devils in der GFL, ich habe keine Ziele mit den Devils in der NFL Europe", sagte Anderson. Doch hartnäckig halten sich Gerüchte, den beiden sei es nicht um den Verein gegangen, sondern um die Integration eines Profiteams Blue Devils in den europäischen Ableger der US-Profiliga spätestens 2005. Denkbar, denn schon 1997 lagen beim Blue-Devils-Gründer und damaligen Präsidenten Axel Gernert fertige Pläne zur amerikanischen Übernahme in der Schublade. Gernert flog nach New York, blitzte aber mit seinen finanziellen und besitztechnischen Forderungen ab. "Es gab keine Basis mehr für eine vertrauensvolle und loyale Zusammenarbeit mit Anderson." Christian Baarz