Zum Champions-League-Hit gegen Ciudad Real will Bertrand Gille zurückkehren.

Andreas Rudolph hatte es diesmal besonders eilig. Der Präsident der HSV-Handballer drückte mächtig aufs Gaspedal seines italienischen Sportwagens, um den Tatort Campushalle so schnell wie möglich zu verlassen. Die 28:32-Niederlage der Hamburger bei der SG Flensburg war dem HSV-Boss aufs Gemüt geschlagen. "Das war nicht die Mannschaft, die ich sehen will", klagte Rudolph und verabschiedete sich in die Nacht.

In der entscheidenden Phase der Saison scheint dem Team die zuvor ausgezeichnete Form abhandengekommen zu sein. Ausgerechnet vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Titelverteidiger Ciudad Real (Hinspiel: Sonnabend, 17 Uhr, Color-Line-Arena) schwächelt der HSV. In der Bundesliga fiel er auf Platz drei zurück. "Am Sonnabend brauchen wir mehr Herz", forderte Rückraumschütze Krzysztof Lijewski gestern beim Team-Brunch im NH-Hotel in Altona. Bruder Marcin pflichtete ihm bei: "Es ist das Spiel des Jahres. Da muss jeder seine Schmerzen vergessen."

Es ist jedoch nicht mangelnder Einsatzwille, der die Hamburger momentan plagt. Es sind eher die spielerischen und konzeptionellen Defizite die Trainer Martin Schwalb beunruhigen müssen. Gegen die aggressive Flensburger Deckung fehlte dem HSV ohne Kreisläufer Bertrand Gille (Rippenbruch) zu oft die Lücken reißende Idee, um den überragenden Torhüter Dan Beutler zu überwinden. Positiv fiel nur Blazenko Lackovic in der für ihn ungewohnten Rolle des Spielmachers auf. Er vertrat auf der zentralen Position zeitweise Kapitän Guillaume Gille. Eine Zufallslösung, die Zukunft hat. "Gerade gegen eine Sechs-null-Deckung (alle Mann am Kreis, die Red. ) ist Blazenko eine Alternative. Er bringt Kreativität und Wurfkraft mit. Pascal Hens links, Lackovic in der Mitte und die Lijewskis rechts sind im Rückraum eine Gefahr für jede Abwehr", sagt HSV-Sportchef Christian Fitzek. Der beweglichen Deckung der Spanier ist jedoch nicht allein mit Gewalt beizukommen, gefragt sind vielmehr Wendigkeit und Cleverness in Eins-zu-eins Situationen. Vor einem Jahr, beim denkwürdigen Halbfinalrückspiel, brachten die HSV-Profis Ciudad Real mit diesen Tugenden in Verlegenheit. Am Ende fehlte im emotionalsten Spiel der Vereinsgeschichte ein Tor zum Erreichen des Champions-League-Finales. 13 200 Zuschauer hatten die Color-Line-Arena in ein Tollhaus verwandelt. Diesmal sind erst 9200 Karten verkauft. Zu den Tickets gibt es eine HSV-Klatsche mit dem Aufdruck "Finale". Ciudad solle erneut Hören und Sehen vergehen, sagt Geschäftsstellenleiter Christoph Wendt.

Wie groß der Schrecken der Spanier sein wird, hängt entscheidend am Mitwirken Bertrand Gilles, des wohl besten Kreisläufers der Welt. Der Franzose möchte sich wie im Vorjahr in Angriff und Abwehr mit einem Brustpanzer in die Attacken seiner Gegenspieler stürzen. "Ich will spielen, also spiele ich", lässt der 31-Jährige keinen Spielraum. Mit ihm könnte der HSV wieder das Gesicht erhalten, das Rudolph verlangt. "Wir wollen Titel gewinnen", wiederholte der Präsident gestern, "davon rücke ich nicht ab."