Der Handball steht nach dem neuen Korruptionswirbel am Abgrund. Ausgerechnet Deutschlands Star- Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich haben die Sportart durch einen verschwiegenen Bestechungsversuch weiter in Verruf gebracht. Der Fund von 50.000 Dollar im Gepäck der Magdeburger bei der Ausreise nach einem Europacup-Endspiel in Russland 2006 hat der Sportart einen gewaltigen Imageschaden zugefügt und den Ruf nach einem Großreinemachen laut werden lassen.

Leipzig / Hamburg. Der Handball steht nach dem neuen Korruptionswirbel am Abgrund. Ausgerechnet Deutschlands Star- Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich haben die Sportart durch einen verschwiegenen Bestechungsversuch weiter in Verruf gebracht. Der Fund von 50.000 Dollar im Gepäck der Magdeburger bei der Ausreise nach einem Europacup-Endspiel in Russland 2006 hat der Sportart einen gewaltigen Imageschaden zugefügt und den Ruf nach einem Großreinemachen laut werden lassen.

"Dass es im Handball ein Korruptionsproblem gibt, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Ich sehe die einzige Chance darin, dass wir unter Zuhilfenahme von externen Experten den Sumpf trockenlegen müssen. Wenn wir Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen, nicht behalten, sondern wiedergewinnen wollen, müssen wir diesen Weg gehen", sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer des Ligaverbandes HBL, der Deutschen Presse Agentur dpa.

Am Sonntag suspendierte die Europäische Handball-Föderation (EHF) die beiden deutschen Schiedsrichter bis auf weiteres. "Obwohl die Unschuldsvermutung gilt, erachtet die EHF es als notwendig, zum Schutz des eigenen Rufes sowie der genannten Personen und Institutionen spezielle Maßnahmen zu ergreifen. Sie hat daher entschieden, die genannten Referees von ihren Aufgaben zu entbinden bis neue Informationen es erlauben, sie wieder einzubeziehen", teilte der Verband mit. Die Magdeburger hätten am Mittwoch in Skopje das EM- Qualifikationsspiel Mazedonien gegen Island leiten sollen. "Das ist keine Suspendierung im Sinne einer Verurteilung", sagte EHF- Wettbewerbs-Manager Markus Glaser der dpa.

In einem Interview bestätigte Bernd Ullrich einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel", wonach vom Zoll auf dem Moskauer Flughafen in seinem Gepäck 50.000 Dollar gefunden worden sind. "Als unser Flug aufgerufen wurde, gingen wir zum Gate und durch die Sicherheitskontrolle. Dort durchsuchte ein Zöllner meine Sporttasche und entnahm eine Tüte mit dem Geld", sagte Ullrich. Er und sein Partner hatten am Vortag das Final-Rückspiel Medwedi Tschechow gegen BM Valladolid geleitet, in dem die Russen den Europacup der Pokalsieger gewannen.

Die beiden 46-jährigen Referees bestreiten, sowohl das Geld genommen als auch Spiele verschoben zu haben. "Ja, auf jeden Fall, anders kann das nicht gewesen sein", sagte Ullrich auf die Frage, ob ihm die Tüte unbemerkt zugesteckt wurde. "Wir sind doch nicht so blöd und schleppen 50 000 Dollar durch den russischen Zoll." Und weiter: "Wir haben noch nie ein Spiel manipuliert."

Zugleich berichtete er von einem Bestechungsversuch vor der Partie. "Frank Lemme wurde vor dem Spiel von einem ihm bekannten Russen angesprochen, dass wir das Spiel in die richtige Richtung leiten sollten. Aber er sagte nur: 'Keine Chance, das machen wir nicht.' Er sagte mir vor dem Spiel aber nichts davon", erklärte Ullrich und bezeichnete es als Fehler, den Vorfall nicht gemeldet zu haben: "Im Nachhinein hätten wir es auf jeden Fall machen sollen, aber wir hatten keine Beweise. Zudem hatten wir natürlich Angst, was wird aus unserer internationalen Karriere."

Ihre glanzvolle Karriere mit den Höhepunkten Olympia-Finale 2008 und WM-Finale 2005 scheint nun beendet zu sein. "Das wird die Zeit zeigen", sagte Ullrich. Er und sein Partner haben mittlerweile bei der HBL eine schriftliche Erklärung abgegeben, müssen sich aber weiteren Fragen stellen. "Sie haben uns ihre Version bereits mitgeteilt, beide Versionen können uns nicht zufriedenstellen", so HBL-Geschäftsführer Bohmann und stellte klar: "Wenn wir möglicherweise eine Hand voll Halunken haben, müssen die aussortiert werden und dürfen mit dem Handball nichts mehr zu tun haben."

Derweil hat Bundestrainer Heiner Brand Regeländerungen im Handball gefordert und Profi-Schiedsrichter befürwortet. "Es wäre sinnvoll, die Regeln anders zu formulieren, damit der Spielraum der Schiedsrichter nicht so groß ist und sie weniger Einflussnahme auf ein Spiel ausüben können", sagte der Gummersbacher in einem Interview der "Welt am Sonntag". Er lehnte es ab, die Schiedsrichter unter Generalverdacht der Bestechlichkeit zu stellen. "Das ist keine Frage der Entlohnung, sondern des Charakters. Man sieht's doch in der Wirtschaft: Da verdienen Leute mehrere Millionen und machen trotzdem Dummheiten - für ein paar Euro mehr", erklärte der Bundestrainer.

Unabhängig von der Bezahlung für die Unparteiischen, die in der Bundesliga 500 Euro und im Europacup 400 Euro pro Spiel bekommen, befürwortet der Erfolgstrainer Profi-Schiedsrichter. "Das ist ein guter Vorschlag. Vor allem, weil Schiedsrichter dann professioneller arbeiten können", sagte er. Nach der weiter unaufgeklärten Affäre um den Rekordmeister THW Kiel, der angeblich zehn Spiele in der Champions League manipuliert haben soll, haben die Vorwürfe gegen die Referees für einen erneuten Schock gesorgt. "Das nimmt Ausmaße an, die ich nicht für möglich gehalten habe", sagte Horst Bredemeier, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB), der dpa.

Im Zusammenhang der Anschuldigungen gegen den THW Kiel ermittelt die Kieler Staatsanwaltschaft gegen THW-Manager Uwe Schwenker wegen des Verdachts der Untreue sowie gegen den früheren Kieler Trainer Zvonimir Serdarusic wegen des Verdachts der Beihilfe dazu. "Die Staatsanwaltschaft ermittelt, etwas Besseres kann uns nicht passieren", sagte THW-Gesellschafter Hubertus Grote am Samstag.

Der deutsche Rekordmeister stellte unterdessen Strafantrag wegen Verleumdung. Wie ein Vereinssprecher bestätigte, habe THW- Gesellschafter Georg Wegner "Strafantrag wegen Verleumdung gegen Personen und Presseorgane gestellt, die gegen den THW Vorwürfe wegen angeblicher Spielmanipulationen durch Schiedsrichter-Bestechungen erhoben haben".