Wüstenklub und Brasilianer haben sich über einen sofortigen Wechsel geeinigt - Al-Hilal bietet sieben Millionen Euro Ablöse.

Hamburg. Als gestern Morgen um 11.12 Uhr die HSV-Profis unter tosendem Applaus das Podest in Halle H des CCH-Kongresszentrums betraten, fehlte ausgerechnet einer, der eigentlich nur zu gerne mal wieder im Mittelpunkt stehen wollte: Thiago Neves. Der Brasilianer kam zu spät zum Treffpunkt, wurde anschließend zu einer empfindlichen Geldstrafe verdonnert. Doch auch abwesend war der 23-Jährige Gesprächsthema Nummer eins unter den 4677 Mitgliedern, die zeitweise sogar die Wahl des Aufsichtsrates vergaßen. Längst hatte sich herumgesprochen, dass mehrere brasilianische Medien übereinstimmend berichteten, dass der Wahl-Hamburger lieber heute als morgen in seine Heimat zurückkehren würde.

Und während in der Vergangenheit Neves stets eifrig bemüht war, ähnliche Gerüchte schnell zu dementieren, steht diesmal ein Wechsel des Kreativspielers offenbar wirklich kurz bevor. "Wenn der HSV will, gehe ich", formuliert Neves seine Absichten zunächst etwas vorsichtig, um dann umso deutlicher zu ergänzen: "Klar würde ich gerne wechseln, wenn ich dann endlich die Möglichkeit hätte, zu spielen." Denn spielen sei schließlich das, worauf es beim Fußball ankommt. "Hier hatte ich doch nie eine wirkliche Chance", klagt der Profi, den der HSV vor einem halben Jahr für 6,5 Millionen Euro von Fluminense Rio de Janeiro verpflichtete.

Eine neue Chance könnte es für Neves nun ausgerechnet im Fußball-Niemandsland Saudi-Arabien geben. Nach Abendblatt-Informationen prüft der HSV derzeit ein konkretes Sieben-Millionen-Euro-Angebot des Wüstenklubs Al-Hilal. "Mir ist einfach nur wichtig zu spielen - egal ob in Saudi-Arabien, Dubai oder sonst irgendwo auf der Welt", sagt der Mittelfeldmann und gibt dabei wohl nur die halbe Wahrheit preis. Neves' Berater Leo Rabello, der bereits seit zwei Tagen zu Verhandlungen in Hamburg weilt, bestätigt im Gespräch mit dem Abendblatt: "Thiago hat sich mit Al-Hilal über einen vorzeitigen Wechsel geeinigt. Nun liegt es nur noch am HSV, ob sie das Angebot aus Saudi-Arabien annehmen." Und nachdem sich Rabello bereits zweimal mit HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann zu Gesprächen über die Transfermodalitäten getroffen hat, ist der Neves-Berater optimistisch, dass "das Geschäft in den nächsten Tagen über die Bühne geht".

Das Geschäft, von dem Rabello spricht, sieht vor, dass sein Klient nach einem erfolgreichen Abschluss von Al-Hilal zunächst für fünf Monate an seinen Heimatverein Fluminense nach Rio de Janeiro ausgeliehen wird und erst ab Juli in Saudi-Arabien auf Torejagd geht. Und in Brasilien wird der "verloren gegangene Sohn" bereits sehnlichst erwartet. Ein letztes Hindernis könnten nach Meinung Alexandre Farias, Fluminenses Fußball-Koordinator, lediglich Neves' Gehaltsvorstellungen sein. Sollte der Olympiateilnehmer aber einer Reduzierung seines Millionengehalts zustimmen, steht dem Transfer dann nur noch ein eventuelles Veto des HSV im Wege.

Doch nachdem Neves gestern zunächst zum vereinbarten Treffpunkt zu spät kam und anschließend auch noch öffentlich Trainer Martin Jol kritisierte ("Ich habe nie auf meiner eigentlichen Position gespielt"), dürften die Verantwortlichen mit ihrer Zustimmung nicht lange überlegen. Es ist allerdings fraglich, ob Neves wirklich bereits am Mittwoch in Rio de Janeiro als Neuzugang präsentiert wird, wie es das brasilianische Internetportal "globoesporte" vermeldete. Für eine schnelle Abreise könnte indes eine schwere Erkrankung seines Großvaters sorgen, der derzeit im Krankenhaus an Prostatakrebs behandelt wird. "Wenn es schlimmer wird, reise ich sofort zu ihm", sagt Neves.

So oder so, auf Sportchef Dietmar Beiersdorfer dürfte eine arbeitsreiche Woche warten. Denn sollte der HSV das verlockende Angebot aus Saudi-Arabien annehmen, wird das nach dem Manchester-City-Transfer Nigel de Jongs ohnehin prall gefüllte Bankkonto zwar weiter anwachsen, doch steht dann Trainer Jol erneut ein Profi weniger zur Verfügung. Noch bis zur Schließung der Transferliste am 2. Februar hätte Beiersdorfer Zeit, um für den Niederländer und den Brasilianer adäquaten Ersatz zu finden. Insgesamt rund 25 Millionen Euro dürften die Last-Minute-Suche zumindest erleichtern.