In 52 Ländern ist der 73-Jährige die 42,195 km bereits gelaufen. Das ist weltweit einmalig. Am Sonntag startet er in Hamburg - zum 24. Mal.

Eigentlich ist seine Frau an allem schuld. "Zu viel faules Fleisch um die Hüften" habe sie ihm vorgehalten, erinnert sich Horst Preisler lachend. Und da auch er selbst es leid war, keinen passenden Anzug zu finden, weil immer entweder die Hosen zu eng waren oder die Jacken zu weit, beschloss er, etwas zu tun. Im September 1974, Preisler war 39 Jahre alt, ging er in Unna bei einem 100-Kilometer-Rennen an den Start. Die ersten 35 Kilometer absolvierte er laufend, den Rest sei er "flott marschiert". Nach 15:48 Stunden war der Hamburger im Ziel angekommen - und am Beginn einer buchstäblich grenzenlosen Leidenschaft.

Auf 1620 Langstreckenläufe in 52 Ländern der Erde hat es Preisler (73) mittlerweile gebracht, das ist weltweit einmalig. Vom gewöhnlichen Straßenmarathon bis zum Sechstagelauf durch eine Markthalle hat er nichts ausgelassen. Über jeden einzelnen hat er Buch geführt, anfangs handschriftlich, später am PC. Allein in diesem Jahr hat er 21 Marathons bestritten. Zwei waren es allein wieder am vergangenen Wochenende. Verrückt? Vernünftig, findet Preisler und macht seine eigene Rechnung auf: "Zwei Marathons sind weniger als ein 100-Kilometer-Lauf - und es liegt eine Nacht zum Ausruhen dazwischen."

Natürlich ist er auch am Sonntag beim 24. Möbel-Kraft-Marathon in seiner Heimatstadt am Start, wie bei allen 23 Malen zuvor. Es ist das einzige Rennen, auf das der Pensionär vom Tus Berne niemals verzichten würde. Nicht, weil es der schönste Lauf wäre, "solche Vergleiche wären ungerecht". Sondern weil er ihn jedes Mal aufs Neue berühre: "Die Strecke führt schließlich ganz nahe an meinem Geburtsort Schlump vorbei", erzählt Preisler. Und die Passage am Hotel Elysee wecke Erinnerungen daran, wie er dort 1945 Steine für den Wiederaufbau geklopft hat.

Er wird es genießen, denn eine Zeit hat sich Preisler nicht vorgenommen. Seine beste, 2:54:39 Stunden, ist ein Vierteljahrhundert alt und nicht mehr erreichbar, seit er sich 1988 einer Knieoperation unterziehen musste. Heute ist er nicht mehr Ergebnis-, sondern Erlebnisläufer.

Drei Motive seien es, die ihn am Laufen halten, an 260 Tagen im Jahr: "Jeder Lauf ist eine Geschichte, eine Begegnung mit Landschaft und Menschen - und ein Treffen mit Freunden." Die hat Horst Preisler inzwischen in aller Welt. Sogar in Japan, wo er an einem Friedenslauf von Hiroshima nach Nagasaki teilnahm. Sein wichtigstes Rennen, sagt er rückblickend, denn er verstehe sich als politischer Mensch. Deshalb etwa ist er vor Jahren mit einem ostdeutschen Freund die ehemalige innerdeutsche Grenze abgelaufen. Deshalb etwa nennt er, befragt nach einem offenen Wunsch, einen Lauf in Beirut: "Das wäre ein Signal, denn der Libanon hat wirklich sehr gelitten."

Müde ist Horst Preisler noch lange nicht. Wann er aufhöre? "Nur Gott weiß es." Laufen sei eine Gnade, viele würden vieles darum geben, das hat er als Personalleiter im Unfallkrankenhaus in Boberg tagtäglich erfahren. Auf die Anfeuerung seiner Frau muss er allerdings auch in Hamburg wieder verzichten. "Sie hat so viele kreative Hobbys, dass sie gar nicht dazu kommt, mich zu begleiten."