ABENDBLATT: Herr Klitschko, Sie haben immer davon geträumt, gegen Lennox Lewis anzutreten. Wie fühlt man sich, wenn ein Traum in Erfüllung geht? WITALI KLITSCHKO: Erleichtert. Ich habe so lange auf diesen Kampf gewartet. Jetzt bin ich froh, dass es endlich so weit ist. ABENDBLATT: Es ist definitiv der größte Kampf Ihrer Karriere. Ist es auch der wichtigste? KLITSCHKO: Absolut. Es ist für mich eine riesengroße Chance zu zeigen, wie stark ich wirklich bin. Ich weiß, dass mich die meisten Experten als Außenseiter sehen. Damit kann ich leben. Aber ich will beweisen, dass sie irren. ABENDBLATT: Waren Sie über-rascht, dass der Kampf letztlich so schnell zu Stande kam? Schließlich war vor zwei Wochen noch geplant, dass Sie gegen Cedric Boswell antreten. KLITSCHKO: Es war natürlich eine glückliche Fügung, dass Kirk Johnson sich verletzt hat und Lewis einen neuen Gegner brauch-te. Als ich davon hörte, war mir sofort klar, dass ich diese Chance wahrnehmen muss. Es ehrt Lennox, dass er mir kurzfristig diese Chance gegeben hat. ABENDBLATT: Ist die Vorberei-tungszeit nicht zu kurz gewesen, um sich auf Lewis einzustellen? KLITSCHKO: Das glaube ich nicht. Außerdem müssen wir beide mit der Situation klarkommen. Ich beschäftige mich schon so lange mit Lewis, deshalb bin ich gut auf ihn eingestellt. Auch am Training mussten wir kaum etwas verändern. Nur ein paar größere Sparringspartner brauchten wir. ABENDBLATT: Den besten Trai-ningspartner haben Sie ja in der Familie. KLITSCHKO: Das stimmt, mein Bruder Wladimir hilft mir sehr. Mit ihm mache ich viele Übungen, um Distanzgefühl zu bekommen. Nur Sparring sparen wir uns. ABENDBLATT: Sie wirken, als sei-en Sie in der Form Ihres Lebens, vor allem psychisch. KLITSCHKO: Ich fühle mich wirk-lich bestens vorbereitet. Im Prinzip habe ich drei Jahre auf diesen Kampf gewartet. Jetzt bin ich bereit dafür. ABENDBLATT: Im Vorfeld hat Lennox Lewis versucht, die Atmo-sphäre mit ein paar Sprüchen an-zuheizen. Sie seien kein Kämp-fer, hätten kein Herz, er gäbe Ihnen höchstens fünf Runden. Wie gehen Sie damit um? KLITSCHKO: Viele glauben, dass Lennox Lewis der beste Schwergewichtler der Welt ist. Er hat also das Recht, so etwas zu sagen. Aber jeder meiner Gegner hat angekündigt, mich auszuknocken. Geschafft hat es keiner. ABENDBLATT: Lennox Lewis hat auf der Pressekonferenz den Augenkontakt mit Ihnen gemieden. Was schließen Sie daraus? KLITSCHKO: Ich glaube, Lennox hat Angst. Durch die Augen sieht man in die Seele eines Menschen. Vielleicht hatte er Angst, dass ich bei ihm eine Schwäche sehe. ABENDBLATT: Sehen Sie die denn nicht auch so? KLITSCHKO: Jeder hat Schwächen, auch Lennox. Ich mag vor dem Kampf nicht darüber sprechen. Ich werde seine Schwächen am Sonnabend im Ring aufdecken. ABENDBLATT: Glauben Sie, dass Lewis Sie unterschätzt? Hat er deshalb dem Kampf so kurzfristig zugestimmt? KLITSCHKO: Letztlich ist es egal, ob er mich unterschätzt oder nicht. Ich werde im Ring das Beste geben und ihn besiegen. So oder so. ABENDBLATT: Nicht wenige Exper-ten meinen, dass Sie das auch müssen, da ihre Karriere sonst vorbei wäre. Stimmt das? KLITSCHKO: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Über eine Niederlage habe ich noch nicht eine Sekunde lang nachgedacht. Schließlich haben Wladimir und ich ein Ziel, als erstes Bruderpaar in der Geschichte gemeinsam Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Dieses Ziel werden wir erreichen. Da bin ich mir ganz sicher. Interview: BJÖRN JENSEN