Ein “Leckerli“ für die Fans: Das Hamburger Tennisass Tommy Haas schlägt in seiner Geburtsstadt auf. Teamchef Kühnen macht Kamke Mut.

Hamburg. Als Freund des übermäßigen Pathos ist Michael Stich nicht bekannt. Doch als er gestern im "Pine Room" des Luxushotels Grand Elysée am Dammtor offiziell bestätigte, dass er in seiner Eigenschaft als Turnierdirektor eine Wildcard für das ATP-Tennisturnier am Rothenbaum (14. bis 22. Juli) an Tommy Haas vergeben hat, bemühte der 43-Jährige große Worte. "Ich bin sehr glücklich, dass wir Tommy überzeugen konnten, in Hamburg anzutreten. Er ist für viele Fans der Spieler, der die deutsche Fahne in seiner Generation hochgehalten hat. Dass er kommt, ist ein Leckerli", sagte Stich.

Natürlich könnte man sich fragen, wie schlecht es um eine Sportart steht, wenn ein 34-Jähriger, der im Spätherbst seiner Karriere vor allem gegen den eigenen Körper kämpfen muss, als größtes Zugpferd gilt. Andererseits neigt der Mensch im Allgemeinen und der Sportfan im Besonderen dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren. Legendenmatches wie das, das Stich zum Turnierauftakt am 15. Juli gegen US-Altmeister John McEnroe bestreiten wird, erfreuen sich oft größeren Interesses als reguläre Turnierpartien. Und weil Haas, der nach diversen langwierigen Verletzungen in diesem Jahr höchstwahrscheinlich seine Abschiedstournee bestreitet, mittlerweile von vielen als eine Art "Ehemaliger" wahrgenommen wird, soll der Auftritt des Wahlamerikaners in seiner Geburtsstadt für regen Zuschauerzuspruch sorgen.

Tatsächlich hat der einstige Weltranglistenzweite sich mit starken Auftritten in München, wo er das Halbfinale erreichte, und bei den French Open in Paris, wo er sich durch die Qualifikation als bester Deutscher in die dritte Runde kämpfte, die Rückkehr in die Top 100 der Welt geschafft. Haas, der gestern an Position 87 geführt wurde und auch eine Wildcard für Wimbledon erhielt, freut sich sehr auf seine Rückkehr nach Hamburg.

+++ Nach 14 Jahren: Davis Cup kehrt zurück nach Hamburg! +++

"Der Rothenbaum war immer ein besonderes Turnier für mich. Es wäre toll, dort noch einmal ein Wörtchen um den Titel mitreden zu können", sagte er. Diesem Ziel war er nur bei seiner ersten Teilnahme 1997 nahe gekommen, als er im Halbfinale dem Spanier Felix Mantilla unterlag. Zum bislang letzten Mal schlug er 2006 in Hamburg auf, als das Turnier noch Mastersstatus hatte. Dort musste er, von Heuschnupfen geplagt, sein Erstrundenmatch gegen den Schweden Robin Söderling aufgeben.

Ob sich die anderen deutschen Tennisasse aus dem Schatten des Routiniers herausspielen können, bleibt abzuwarten. Mit Florian Mayer (Bayreuth/Nr. 29), der 2010 im Halbfinale stand, und Philipp Kohlschreiber (Augsburg/34) sind die beiden besten einheimischen Spieler fürs Hauptfeld qualifiziert. Angeführt wird dieses von den Topgesetzten Nicolas Almagro (Spanien/11) und Gilles Simon (Frankreich/13), der im Vorjahr den Titel holte. Die Herrentennis-Organisation ATP garantiert laut ihrem Reglement den Veranstaltern der 500er-Serie, zu der Hamburg zählt, zwei Top-sechs-Spieler und zwei weitere aus den Top zwölf. Da nur Almagro diese Klassifizierung erfüllt, wird nach Turnierende eine Kompensationszahlung fällig, die allerdings nicht allzu üppig ausfallen dürfte, da wegen der eine Woche nach Turnierende beginnenden Olympischen Spiele auf dem Rasen von Wimbledon einige Profis den kurzzeitigen Wechsel auf Sand meiden und das Feld deshalb auf 32 Teilnehmer reduziert wurde.

Für Lokalkolorit soll neben Haas auch der Hamburger Tobias Kamke sorgen. Der Weltranglisten-85. hat den Cut fürs Hauptfeld um eine Position verpasst, hofft aber noch auf die Absage eines vor ihm platzierten Spielers. "Wenn Tobi nicht direkt reinkommt, ist er sicherlich ein heißer Kandidat für eine Wildcard", sagte Stich. Der Reinbeker Julian Reister, der nach monatelanger Verletzungspause auf Rang 494 abgerutscht ist und um den Anschluss kämpft, und der Hamburger Mischa Zverev (Nr. 190), der seit einigen Wochen aufsteigende Tendenz zeigt, sollen in der Qualifikation starten.

Einer, der ganz besonders auf die Leistungen der Deutschen schauen wird, ist Patrik Kühnen. Der Daviscup-Teamchef bestreitet mit seiner Mannschaft vom 14. bis 16. September am Rothenbaum das Relegationsspiel um den Verbleib in der Weltgruppe gegen Australien. "Da Hamburg das letzte große Sandplatzturnier vorm Daviscup ist, kann jeder Spieler das nutzen, um sich in den Blickpunkt zu spielen", sagte er. Auch eine Berufung Kamkes als Lokalmatador sei eine Option. "Tobi hat derzeit nicht das nötige Selbstvertrauen, aber er ist ein harter Arbeiter, der genau weiß, was er verbessern muss. Auf Sand, und gerade in Hamburg, hat er zuletzt immer gut gespielt", sagte Kühnen.

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