Was für ein Spektakel! Spanien und Italien demonstrierten Fußball auf höchstem Niveau: technische Perfektion, taktische Finessen, Hochspannung bis zur letzten Sekunde. Mit beiden Mannschaften ist bei dieser EM auf jeden Fall zu rechnen.

Danzig. „Nos vemos“, „civediamo“ – noch ist es längst nicht so weit, aber einiges spricht für ein Wiedersehen im Finale. Spanien galt eh als EM-Favorit, Italien hat sich mit seiner besten Leistung seit dem WM-Triumph 2006 regelrecht in den illustren Kreis der Top-Titelkandidaten gedrängt. „Das ist Italien!“, schwärmte Nationalcoach Cesare Prandelli nach dem hochklassigen 1:1 (0:0) im Knüller der Gruppe C. Sein spanischer Kollege Vicente del Bosque war mit der Punkteteilung ebenfalls einverstanden: „Ich bin zufrieden.“ Für die Fans von La Roja steht nach dieser Momentaufnahme fest: „nos vemos“, Italiens Anhänger hoffen: „civediamo“ – wir sehen uns wieder!

Italiens Angriffs-Oldie Antonio Di Natale (61. Minute) und Spaniens Not-Stürmer Cesc Fàbregas (64.) schafften mit ihren tollen Toren am Sonntagabend in der Arena Danzig beste Voraussetzungen für ihre Teams für den Einzug ins Viertelfinale. Zwar hüteten sich alle, das Weiterkommen als bereits perfekt zu vermelden, aber Kroatien und Irland sollten für die vergangenen beiden Weltmeister keine wirklichen Hürden darstellen.

Während bei der Squadra Azzurra nach diesem fantastischen Fußball-Fest Hochstimmung pur herrschte, steckte die Selección etwas im Zwiespalt. Die bärenstarken Azzurri um ihren genialen Spielmacher Andrea Pirlo und den souveränen Not-Abwehrchef Daniele De Rossi deckten einige Defizite des Europameisters schonungslos auf. Die fehlende Effektivität und ungewöhnliche Mängel im Aushängeschild Mittelfeld trübten die Freude über den insgesamt glänzenden Auftritt.

„Wir konnten unsere Philosophie nicht wie gewohnt umsetzen“, räumte Innenverteidiger Sergio Ramos (Real Madrid) ein. „Italien war beeindruckend.“ Diese Meinung vertrat auch Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano. „Bravi! In den schwierigsten Momenten holen wir das Beste aus uns heraus“, lobte der in die Kabine geeilte 86-Jährige die Spieler und umarmte Torwart Gianluigi Buffon. Der Kapitän schenkte dem Staatschef sein verschwitztes Trikot, woraufhin Napolitano schmunzelnd fragte: „Darf ich es waschen lassen?“

Spaniens Strategie ging – zumindest in der ersten Halbzeit – nur teilweise auf. Del Bosques Trick, anstelle eines klassischen Stürmers in Fàbregas einen sechsten Mittelfeldmann einzusetzen, brachte nicht das erhoffte Resultat. Zwar erzielte der Barça-Star den eminent wichtigen Ausgleich, aber insgesamt fehlte die Effektivität.

Zudem leistete sich das weltbeste Mittelfeld um Ideengeber Xavi trotz numerischer Überlegenheit im Zentrum (6:5) erstaunlich viele Ballverluste. Neben dem traumwandlerisch sicheren Kombinationswirbel „Tiki taka“ bot Spanien auch häufig schludrigen „Hick-Hack“. Keeper und Kapitän Iker Casillas kritisierte: „Wir können noch einiges verbessern, vor allem in punkto Ballbesitz und Torabschluss.“

Dagegen lieferten die Italiener dem Titelverteidiger mit einer glänzenden Taktik, Teamgeist und Klasse unbeeindruckt vom Wettskandal einen hochklassigen Kampf auf Augenhöhe. „Ein großartiges Spiel gegen eine große Mannschaft, das uns Selbstvertrauen gibt“, urteilte Pirlo. Neben dem brillanten Ballverteiler stach bei der Neuauflage des EM-Viertelfinales 2008 De Rossi in seiner ungewohnten Rolle als Abwehrchef heraus. „De Rossi ist eben grandissimo!“, schwärmte Pirlo.

Abgesehen von Exzentriker Mario Balotelli, der eine Riesenchance grob fahrlässig vertändelte, gab es bei den Italienern keinen Grund zu Kritik. „Vielleicht hätten wir nur den Vorsprung besser verteidigen müssen“, meinte Prandelli.

Für Spanien könnte die fast schon chronische Abschlussschwäche indes das große Problem werden. Auch die Einwechslung des eigentlich von Beginn an erwarteten Fernando Torres machte diesbezüglich keinerlei Hoffnung. Zwar schuf der schnelle, wendige Stürmer von Champions-League-Gewinner FC Chelsea zwei gefährliche Situationen, versagte dann aber kläglich.

Torres gestand zerknirscht: „Ich bin nicht zufrieden. Ich hätte ein Tor machen müssen.“ In Danzig offenbarte sich brutal, dass „El Niño“ (das Kind), beim EM-Finale von Wien wegen seines Siegtreffers gegen Deutschland noch der gefeierte Held, den verletzt fehlenden Tor-Garanten David Villa auch nicht annähernd ersetzen kann. „Wenn Cesc weiter Tore schießt, sollte er auch spielen“, meinte Torres. (dpa)