Die letzte deutsche Spielerin im Feld der French Open spielt morgen gegen Sara Errani. Görges und Haas ausgeschieden

Paris. Es war ein regengrauer, grimmiger Frühlingstag im Westen von Paris, an dem die Windböen wie im Herbst über den Court Suzanne Lenglen fegten. Doch auch die jüngsten Wetterkapriolen in Frankreichs Kapitale konnten Angelique Kerber nicht erschüttern. Mit dem Vorstoß in das Viertelfinale der French Open krönte die Tennisspielerin aus Kiel die schon jetzt sensationelle Geschichte ihres Aufstiegs im Tenniszirkus. "Das ist der wertvollste Erfolg meiner Karriere", sagte die 24-Jährige nach dem 6:3, 7:5-Sieg über die Kroatin Petra Martic.

Vor einem Jahr war sie in der ersten Runde gegen die Rumänin Edina Gallovits ausgeschieden, hatte überhaupt bei vier Turnierstarts in Paris nur einen Sieg feiern können. Nun spielt sie am Dienstag als Weltranglistenzehnte gegen die Italienerin Sara Errani, die die Russin Swetlana Kusnetsowa 6:0, 7:5 ausschaltete, um den Einzug ins Halbfinale. "Die Entwicklung von Angelique ist einfach atemberaubend", befand Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner. "Bei ihr stimmt zurzeit einfach alles."

In einem Damenwettbewerb, der außer Maria Scharapowa bisher keine überragenden Erscheinungen hat, kann Kerbers wundersame Reise noch munter weitergehen. Die frühere Weltklassespielerin und heutige Fernsehexpertin Mary-Joe Fernandez stufte Errani zwar als "sehr gefährliche, unbequeme Fighterin" ein, glaubte aber, dass Kerber "auch diese Runde überstehen wird". Immerhin hat die Italienerin mit 21:2 Siegen die beste Sandplatzbilanz der Saison.

Aber Angelique Kerber, nach den Niederlagen von Tommy Haas und Julia Görges am Sonnabend nun die letzte deutsche Spielerin in Paris, scheint bei diesen French Open jeder nur möglichen Gegnerin und allen denkbaren Widrigkeiten trotzen zu können. "Beeindruckend ist, welche Ruhe sie ausstrahlt", sagt Rittner, "selbst wenn um sie herum Hektik und Chaos ausbricht." Kerber selbst sagt: "Die Erfolge der letzten Wochen und Monate haben mir nicht nur Selbstbewusstsein, sondern auch eine große innere Ruhe gegeben."

Was immer ihr an Aufgaben bei diesem herausfordernden Grand-Slam-Turnier gestellt wurde - sie erledigte die Prüfungen mit Präzision, positiver Attitüde und einem Schuss Gleichmut, der anderen deutschen Spielerinnen fehlte, etwa Sabine Lisicki oder auch Julia Görges. Die war am Sonnabend im letzten Dämmerlicht mit 6:7, 6:2, 2:6 gegen die Niederländerin Arantxa Rus ausgeschieden und leistete sich einen leicht zickigen Abgang, als sie den Schiedsrichter mehrfach zur Unterbrechung aufforderte, Verwünschungen gegen die Zuschauer ausstieß und sich auch noch, letztes Kapitel der Kapriolen, eine seltsame Verletzungspause in der nahenden Dunkelheit nahm.

Da trat Kerber ganz anders auf, beispielsweise am Freitagabend, als sie ebenfalls kurz vor einer bitteren Matchunterbrechung doch noch einen Triumph gegen die Italienerin Pennetta sicherstellte. Kerber gelingen grundsoliden Siege wie auch leicht verrückte Erfolge - eine Frau für viele Tennisgelegenheiten. "Sand ist zwar nicht mein Lieblingsbelag, aber ich habe mich sofort in das Turnier reingefightet", sagte Kerber, "und jetzt genieße ich diese Erfolge umso mehr."

Auch Tommy Haas war voll des Lobes über Kerber: "Eine tolle Story, eine tolle Spielerin", sagte er. Der Altmeister selbst konnte am Sonnabend hoch erhobenen Hauptes Paris verlassen - trotz einer am Ende eindeutigen Drittrundenniederlage (7:6, 3:6, 0:6, 0:6 gegen den Franzosen Richard Gasquet) hatte sich der Deutsch-Amerikaner viel Respekt verschafft und preschte erstmals seit Juni 2010 wieder unter die Top 100 vor.