Nicht schön, aber unglaublich effizient. Der FC Chelsea hat mit seinem Champions-League-Triumph ein umstrittenes Zeichen gegen den Jugendstil gesetzt. Trainer di Matteo machte sich binnen zwei Monaten unsterblich. Held des Abends war aber Didier Drogba.

München. In der Kabine tanzten sie um Mitternacht auf dem Tisch, im Luxushotel gegenüber dem Münchner Hofbräuhaus feierten Didier Drogba & Co den Champions-League-Triumph des FC Chelsea bis in die Morgenstunden. „Ich denke, dass wir ein großartiger Champion sind. Wir haben es verdient“, betonte Matchwinner Drogba nach dem 4:3-Erfolg im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern München. Der 34 Jahre alte Ivorer wurde mit Lob überschüttet. „Ein Bravo dem unglaublichen Didier Drogba“, twitterte sogar FIFA-Präsident Joseph Blatter.

Der Verein bestätigte am Sonntag, dass in dieser Woche Gespräche um einen möglicherweise neuen Vertrag geführt werden sollen. „Wir müssen machen, was das beste für Chelsea ist und Didier muss machen, was für ihn das Beste ist“, wurde der Vorstandsvorsitzende Bruce Buck in britischen Medien zitiert. Knackpunkt soll die Laufzeit sein: Drogba will einen Zweijahresvertrag, Chelsea bot bislang dem Vernehmen nach nur eine 12-Monatsfrist.

Mit seinem Ausgleichstreffer durch einen brachialen Kopfball zwei Minuten vor Schluss und dem entscheidenden Elfmeter stärkte „Held“ (Mitspieler Frank Lampard) Drogba nicht nur seine Verhandlungsposition. Er machte gleich mehrere Märchen wahr. Drogba besiegte sein Finaltrauma, der FC Chelsea feierte angeführt von der alten Garde den größten Erfolg in der 107-jährigen Vereinsgeschichte, und Trainer Roberto di Matteo wurde binnen gut zwei Monaten vom Gehilfen zum Gekrönten.

Der Interimscoach formte eine Einheit aus dem gealterten Starensemble des FC Chelsea, aus dem viele schon beim ebenfalls dramatischen Elfmeter-Finale vor vier Jahren gegen Manchester United dabei gewesen waren. Damals verlor Chelsea. Diesmal nutzten die Londoner auch im Finale ihre Möglichkeiten optimal. Nach dem FC Barcelona zermürbten sie auch den FC Bayern mit ihrer Defensivtaktik.

„Der Fußball und das Leben sind manchmal unvorhersehbar und verrückt“, sagte di Matteo, der erst am 4. März nach dem Rauswurf von André Villas-Boas vom Assistenz- zum Interimstrainer aufgestiegen war. Vor drei Monaten hätte das niemand vorhergesagt.

Er stärkte die alten Haudegen um Drogba, Kapitän John Terry, Frank Lampard und Ashley Cole. Der Plan ging auf, Chelsea wurde FA-Cupsieger und nun in München auch erstmals Gewinner der europäischen Königsklasse. Nicht schön, aber unglaublich effizient. „Man muss das Beste aus seinen Möglichkeiten machen“, betonte di Matteo. Ein Fernseh-Interview brach er entgeistert und abrupt ab, als er auf den unschönen Stil seiner Mannschaft angesprochen wurde.

Von schrecklich bis unansehnlich reichten die Attribute für Chelseas defensives Spielsystem. „Ein Team mit einem ranzigen Parfüm und einer 20 Jahre alten Spielart hat es so weit gebracht“, befand das spanische Sportblatt „As“. Dennoch solle man die Teams aufgrund ihrer Kapazität beurteilen, ihr Potenzial maximal auszunutzen. „Dieser Stil ist nicht in Mode, ist jedoch genau so zweckmäßig wie der Minimalismus der 90er Jahre.“

Chelsea war da, wenn es drauf ankam. Die späte Führung durch Thomas Müller (83.) glich Drogba (88.) aus. In der Verlängerung wehrte Torwart Petr Cech den schwachen Foulelfmeter von Arjen Robben ab. Und im Elfmeterschießen ließen sich die „Blues“ selbst vom verschossenen Auftakt-Elfer Juan Matas nicht aus der Fassung bringen.

Als Drogba dann den alles entscheidenden Elfmeter cool reinmachte, war auch für Clubbesitzer Roman Abramowitsch eine lange Wartezeit vorbei. Nach Ausgaben von über einer Milliarde Euro seit 2003 machte sich das Engagement des Russen an der Stamford Bridge endlich bezahlt. „Der Besitzer hat an uns geglaubt, Hut ab vor ihm und den Spielern“, betonte Terry, der wegen einer Roten Karte in München nicht spielen, die Trophäe aber in Empfang nehmen durfte.

In die bisherigen Trainer hatte Abramowitsch nicht immer soviel Vertrauen: Di Matteo ist der achte Coach seit der Übernahme durch den Oligarchen. Ob zur neuen Spielzeit Nummer neun folgt, ist nach wie vor offen. Abramowitsch äußerte sich auch am Rande des Finales nicht, stattdessen schlenderte er am Sonntagmorgen leger mit T-Shirt und Chelsea-blau umrandeter Sonnenbrille noch kurz durch die Münchner City.

Die Mannschaft brach gegen Mittag mit Geleitschutz auf zum Flughafen, von dort ging es weiter nach London zur großen Parade in den Straßen der englischen Hauptstadt. Dort feierten zehntausende Fans die Finalhelden, die in einem eigens hergerichteten Cabrio-Bus durch die Metropole gefahren wurden. Da war manch einem Teil eins der Party schon anzumerken. „Wir hatten eine lange Nacht“, gab Cech noch in München zu. Gerade er hatte aber auch allen Grund zum Feiern: Der Elfmeter-Killer wurde 30 Jahre alt. „Ich habe vor dem Spiel gesagt, dass ich keinen Kuchen haben will, wenn wir gewinnen“, sagte er. Die Trophäe sei das beste Geschenk. (dpa)