Weil sich das Schwimmtraining weiter verbessert, gibt es ständig neue Rekorde. Heute startet die Olympiaqualifikation

Hamburg. Schneller, höher, stärker - das aktuelle Motto der Olympischen Spiele trifft auf keine Sportart besser zu als aufs Schwimmen. Wenn von heute bis zum Sonntag die deutschen Schwimmer in Berlin versuchen sich für die Sommerspiele in London (27. Juli bis 12. August) zu qualifizieren, müssen sie in den meisten Disziplinen ihre Bestzeiten aus dem Vorjahr unterbieten. "Bei uns gibt es keinen Stillstand. Jedes Jahr wird von den Verbänden bei den Normen die eine oder andere Zehntelsekunde draufgepackt", sagt Steffen Deibler, 24. Der Weltrekordler (50 Meter Schmetterling) vom Hamburger Schwimm-Club darf sich wie sein Bruder Markus, 22, dennoch gute Chancen auf seine zweite Olympiateilnahme ausrechnen, notfalls in einer der drei Staffeln. Und auch Petra Wolfram, die Hamburger Stützpunkttrainerin, sagt: "Die geforderten Zeiten nötigen uns schon gehörigen Respekt ab. Steffen und Markus sollten es aber schaffen, auch in ihren individuellen Disziplinen. Sie haben durchgängig gut trainiert und sind in den vergangenen Monaten von Krankheiten verschont geblieben."

Damit der Deutsche Schwimmverband (DSV) wenigstens ein paar seiner Athleten mit nach London nehmen kann, hat er die Referenzzeiten abgesenkt. Nicht die Ergebnisse der Achten der WM 2011 in Shanghai zählen, sondern die der Zehnten. Das bedeutet für Steffen und Markus Deibler, dass sie nicht auf jeder ihrer Strecken in Berlin persönliche Rekorde aufstellen müssen. Und es gibt im Gegensatz zur Vergangenheit diesmal eine zweite Chance: bei den Europameisterschaften im ungarischen Debrecen (21.-27. Mai).

Dass die besten Schwimmer der Welt Jahr für Jahr schneller werden, "ist auch dem Element Wasser geschuldet, und dass wir im Gegensatz zur Luft bislang nicht genau wissen, wie man sich optimal in ihm fortbewegt. Wir experimentieren noch in vielen Bereichen", weiß Wolfram. Fische, sagt sie, seien viel schneller. Der Mensch versucht sich deshalb ihren Techniken anzunähern, indem er zum Beispiel die Bewegungen eines Delfins imitiert. Delfinbeine heißt das dann in der Fachsprache. Die US-Amerikaner Michael Phelps, der Rekordolympiasieger, und Ryan Lochte beherrschen den Wellenschlag mit geschlossenen Armen und Beinen, der in den Tauchphasen nach den Wenden auf einer Länge von bis zu 15 Metern angewandt werden darf, am besten. Daher sind sie die Besten.

Wer wie wann optimal im Wasser liegt, ist die nächste Schwierigkeit. "Die Schwimmtechniken müssen individuell angepasst werden", sagt Wolfram. "Das hängt unter anderem mit der Körpergröße, dem Gewicht, den Hebelverhältnissen und dem Last-Kraft-Verhältnis im Wasser zusammen." Das ist ein Prozess über Jahre. Die Deiblers durchlaufen ihn seit 2008 in Hamburg, und ihre Fortschritte sind unverkennbar - auch dank der zahlreichen Hightech-Einrichtungen am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP) am Dulsbergbad wie dem Strömungskanal. Bislang haben sie in jeder Saison ihre Zeiten verbessert. Neben den Verfeinerungen der Technik sind dabei Trainingsumfang und -intensität die wichtigsten Faktoren. "Mein Körper musste sich erst an die höheren Belastungen gewöhnen. Lange Zeit hat er gegen sie rebelliert. Ich glaube daher, dass ich mein Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft habe", sagt Markus Deibler.

Der Trainingswissenschaftler Stefan Fuhrmann arbeitet seit 2011 am OSP. Von seinen Erkenntnissen profitieren die Deiblers. "Die Trainingsmethodik verändert sich beim Schwimmen stärker als in anderen Disziplinen. Inzwischen wird mehr an Land und im Kraftraum trainiert." Das sei effektiver, als wie früher stundenlang durchs Becken zu pflügen, und wirke sich "positiv auf die Ermüdungswiderstandsfähigkeit aus". Hinzu kommen äußere Veränderungen wie neue Startblocks. Fuhrmann: "Durch die stärkere Neigung nach vorn und die Vorrichtung zum Abstützen des hinteren Fußes ist eine höhere Absprunggeschwindigkeit möglich. Das Tempo kann ins Wasser mitgenommen werden. Das führt bei kürzeren Strecken zu besseren Zeiten."