Der FC Barcelona gewinnt das Finale der Champions League nach einer Fußball-Gala mit 3:1 gegen Manchester United

London. Auch der letzten englischen Attacke widerstanden die Spieler des FC Barcelona mühelos. Als sie eine halbe Stunde nach Spielende den just erbeuteten Champions-League-Pokal in den Mittelkreis gestellt hatten und händchenhaltend drumherum tanzten, aktivierte irgendein neidischer Brite die Rasensprenger im Londoner Wembley-Stadion - jedenfalls stiegen plötzlich vier Wasserfontänen aus dem Boden auf und begannen langsam, aber bestimmt, ihre Kreise zu ziehen. Die Spanier ließen sich davon allerdings nicht ihre Feier vermiesen. Innenverteidiger Gerard Piqué wusch sich in einem Strahl Schweiß und Champagner vom Kopf, während Eric Abidal und Adriano das Befeuchtungssystem umfunktionierten und damit ihre Mitspieler nass spritzten. Kurzum: Der Meister der Königsklasse benahm sich wie eine Grundschulklasse im Vergnügungspark. Und niemand konnte es ihm verdenken.

Als Barcelonas erst vor zehn Wochen an einem Lebertumor operierter Kapitän Eric Abidal den Pokal aus der Hand von Uefa-Präsident Michel Platini erhielt und in die Höhe wuchtete, war die Rangordnung im europäischen Fußball zum Fakt geworden. Denn was die Mannschaft von Trainer Josep "Pep" Guardiola zuvor geleistet hatte, war von solcher Brillanz gewesen, dass selbst die restlichen Fans von Manchester United, die nach der 1:3 (1:1)-Niederlage ihres Teams noch nicht aus der Arena geflüchtet waren, dem Gegner Applaus spendeten. Der spanische Meister hatte eine Demonstration der Unantastbarkeit geliefert, eine Flugshow knapp über der Grasnarbe, eine Symphonie mit Ball. 63 Prozent Spielanteile, 16 zu 3 Torschüsse, 6 zu 0 Ecken lauten die Zahlen zum Schauspiel, nur bei den begangenen Fouls lag Manchester klar vorn: 16:5.

"Wir wurden von der besten Mannschaft der Welt geschlagen, daran gibt es nichts zu deuteln", sagte Manchesters Trainer Alex Ferguson. Eine präzise Analyse. Tage und Nächte hatte er darüber gegrübelt, wie er ein ähnliches Debakel wie 2009 verhindern könnte, als seine Mannschaft im Champions-League-Finale demselben Gegner 0:2 unterlegen war.

Erstaunlicherweise versuchte er es in diesem Finale mit einer ganz ähnlichen Taktik wie damals. Wieder ließ er seine Spieler wüst attackieren. So wollte er jene verheerende Ballzirkulation verhindern, die Barcelonas Gegner erst in den Wahnsinn und dann in die Niederlage treibt.

Doch wie vor zwei Jahren gelang das Unterfangen nur in der ersten Viertelstunde. Nachdem die Engländer sich die Anfangseuphorie aus den Beinen gelaufen hatten, zogen die Spanier ihr Spiel so selbstverständlich auf, als wenn auf der Gegenseite Pappfiguren und nicht Weltstars wie Wayne Rooney oder Ryan Giggs stehen würden. "Sie hypnotisieren dich mit ihrem Passspiel", stöhnte Ferguson, "und dann musst du auch noch diesen Messi unter Kontrolle kriegen."

Lionel Messi! Der Argentinier ist das Symbol der katalanischen Übermacht, mit zwölf Treffern hat er den Champions-League-Rekord von Ruud van Nistelrooy aus der Saison 2002/03 eingestellt. Torschütze zum 3:1 war er, die Schaltzentrale, und völlig zu Recht wurde er als "Mann des Spiels" ausgezeichnet, obwohl seine Mittelfeldkollegen Andres Iniesta und Xavi diesen Titel ebenso verdient gehabt hätten. Wie haben sie ihre Gegner gepiesackt! Wie die Windhunde dem falschen Hasen hetzten die Engländer dem Ball hinterher. Mit demselben Schicksal: Zu packen kriegten sie ihre Beute erst, wenn sie schon über der Ziellinie war.

Und während der FC Barcelona seinen dritten Champions-League-Titel binnen sechs Jahren bejubeln konnte, grübelte die Konkurrenz, wie diesem schönen Monstrum beizukommen ist. Denn so recht gefruchtet hat bislang keine Taktik gegen die Zauberfußballer aus Katalonien. Steht der Gegner ultradefensiv, sezieren sie ihn; wie eine Handballmannschaft kreisen sie dann vor dem Strafraum, bis die erste sich bietende Lücke genutzt wird. Der Versuch, das Passspiel durch aggressives Forechecking zu zerstören, scheitert wiederum an der technischen Brillanz des Gegenübers: Kommt die Grätsche, ist der Ball schon längst beim Nebenmann.

Die letzte schmerzhafte Niederlage - vom jüngst verlorenen Pokalfinale gegen Real Madrid mal abgesehen - fügte Inter Mailand dem FC Barcelona im Halbfinale der Champions League vor einem Jahr zu. 3:1 siegten die Italiener im Hinspiel, was der Grundstein zum Einzug in das Endspiel war. Sie schafften es, Messi durch Doppeldeckung aus dem Spiel zu nehmen und aus einer geordneten Defensive immer wieder überfallartig anzugreifen. Doch beliebig wiederholbar ist das nicht. Vielmehr beschleicht die Konkurrenz die Erkenntnis, dass dieser Mannschaft derzeit so gut wie gar nicht beizukommen ist, wenn selbst der frisch gekürte englische Meister so eindrucksvoll unterlegen war, der im Halbfinale noch Schalke 04 mit 2:0 und 4:1 pulverisiert hatte.

Vielleicht gibt es Hoffnung für die Überrundeten: Trainer Pep Guardiola, der Spiritus Rector der Mannschaft, ist amtsmüde. Die drei Jahre auf Barcas Bank haben ihn zermürbt, ihm die Haare ergrauen lassen und die Jugendfrische aus dem Gesicht gewischt. "Ich glaube, dass meine Etappe hier zu Ende geht", hatte er schon vor dem Finale angedeutet.

Danach saß er aber wieder da, glücklich zwar, doch weit entfernt von Euphorie, und sprach kryptisch über die Zukunft. Er habe einen Vertrag bis 2012 und gedenke ihn zu erfüllen. Aber es sei kein leichter Job: "Wenn du gewinnst, liegen dir die Leute zu Füßen. Doch das kann über Nacht schon wieder ganz anders sein." Er müsse jetzt tief in sein Innerstes schauen, sagte er.

Guardiolas Demission könnte eine Zäsur darstellen, auf die die Konkurrenz hoffen muss und die jeder wahre Fußballfan fürchtet. Denn der Abschied dieses Trainers könnte das Ende des wohl besten Fußballs bedeuten, der je auf diesem Planeten gespielt wurde.