Sebastian Vettel pokert erfolgreich beim Formel-1-Grand-Prix in Monte Carlo und feiert seinen fünften Saisonsieg

Monte Carlo. Beinahe wäre der Ausgang des wichtigsten Formel-1-Rennens des Jahres untergegangen in einem unglaublichen Gewühl auf der Start- und Zielgeraden. Die Szenerie erinnerte weniger an die Königsdisziplin des Motorsports im Fürstentum Monaco, sondern an den Gebrauchtwagenmarkt von Dakar. Mechaniker wuselten aufgeregt zwischen den 20 Rennwagen umher, schraubten an einem demolierten Heckflügel von McLaren-Pilot Lewis Hamilton herum, verpassten Sebastian Vettels Red Bull einen Satz frischer Reifen und versorgten Fernando Alonsos Ferrari mit gekühlter Luft.

Es ging heiß her beim 69. Großen Preis in Monte Carlo. In der letzten halben Stunde des Rennens stieß die Vollgasbranche in Grenzbereiche vor. Ein schwerer Einschlag von Witali Petrow in die Leitplanken, bei dem der Russe kurzzeitig das Bewusstsein verlor, führte der Formel 1 einmal mehr an diesem Wochenende ihre Verwundbarkeit vor Augen - und unmittelbar danach zur großen Konfusion: In der 72. von 78 Runden, als schon das Safety Car der Rennleitung auf der Strecke war, wurden die roten Flaggen für eine Rennunterbrechung geschwenkt. Alle im Rennen verbliebenen Autos mussten sich erneut vor den Startampeln versammeln, bis Petrow aus seinem zerstörten Renault geborgen werden konnte. Der Russe war nach Angaben seines Teams am Abend wieder wohlauf, er verstauchte sich nur einen Knöchel.

Die Schrecksekunde und die folgende 23-minütige Unterbrechung überschatten die glänzende Vorstellung des Siegers. Sebastian Vettel feierte seinen ersten Sieg im Fürstentum mit Champagner, nachdem er aus der Hand von Fürst Albert den Pokal erhalten hatte. "Es war ein unglaublich spannendes und ein unglaublich langes Rennen, und ich bin unglaublich glücklich, es war der Hammer", jauchzte Vettel.

Er widerstand wie schon in der Qualifikation einer nervenzehrenden, unfallbedingten Rennpause und brachte das Kunststück fertig, dicht bedrängt vom Zweiten Fernando Alonso im Ferrari und dem drittplatzierten McLaren-Piloten Jenson Button 56-mal den Stadtkurs mit demselben Satz Reifen zu umrunden. Die empfohlene Laufzeit für die harte Version der Gummiwalzen gibt Hersteller Pirelli mit maximal 40 Runden an.

Die Mechaniker des Weltmeisters hatten ihm die Sache überhaupt erst eingebrockt. Die Red-Bull-Crew, Inhaber der inoffiziellen Rekordmarke von weniger als vier Sekunden für einen Boxenstopp, war bei den ersten Stopps ihrer beiden Piloten nicht auf dem Posten: Die Heizdecken, die die Reifen vorwärmen, klemmten sowohl bei Mark Webbers als auch bei Vettels Halt. Vettel stand fast sieben Sekunden vor der Garage, der Australier sogar 15 Sekunden.

Die 20. Poleposition seiner Karriere hatte Vettel am Start noch souverän verteidigt. Er zog den Verfolgern Runde um Runde davon. Nachdem sich der schnaubende rote Bulle einen sicheren Vorsprung herausgefahren hatte, büßte er seine Führung nach dem verpatzten Stopp ein. Jetzt lag plötzlich Button vorn. Vor allem zwischen Button und Vettel entwickelte sich ein packendes Duell, in das sich dann gegen Ende auch noch Alonso einmischte.

Der Spanier zog am Briten nach dessen dritten Boxenstopp vorbei, und von der 50. Runde an schmolz Vettels Vorsprung auf die Verfolger immer mehr zusammen - die restlichen Schleifen fuhr das Trio in dramatischer Formation, dabei trennten Vettel und Button teilweise weniger als eine Sekunde. "Fährt Vettel noch einmal an die Box?", fragte Button sein McLaren-Team über Funk. "Wir wissen es nicht", antwortete der Kommandostand.

Vettel verfolgte eine andere Strategie. Er hatte sich entschlossen, ohne weiteren Boxenstopp bis zum Ende zu fahren. Durch einen zusätzlichen Reifenwechsel, den die Strategen von Red Bull ihrem Starfahrer empfohlen hatten, wäre er nur Dritter geworden. "Es wären sicher noch sechs harte Runden geworden", sagte Vettel, der dann in der Rennunterbrechung einen neuen Reifensatz aufziehen durfte.

Da war für Michael Schumacher der Arbeitstag längst beendet. Der Rekordweltmeister erlebte in Monte Carlo ein weiteres Desaster. Er kam in der 34. Runde in der Rascasse-Kurve zum Stillstand. Anders als bei seinem berühmten Parkmanöver 2006 parkte er diesmal aber technisch bedingt. Er rollte nach einem Feuer an der Airbox die wenigen Meter direkt weiter in die Mercedes-Werkstatt. Teamkollege Nico Rosberg wurde als Elfter zweimal überrundet.

Der 23 Jahre alte Vettel, der mit fünf Siegen und einem zweiten Platz den Startrekord von Schumacher, Nigel Mansell und Jenson Button egalisierte, vergrößerte seinen Vorsprung in der WM-Wertung auf nunmehr 58 Punkte gegenüber dem Monaco-Sechsten Hamilton (85). Damit könnte sich der Titelverteidiger bereits zwei Nullrunden leisten und wäre immer noch Tabellenführer.

Kein Wunder, dass die Beteiligten an Vettels Siegeszug ins Schwärmen geraten. Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko etwa jubelte: "Die Leistungen von Sebastian Vettel gehen ins Unvorstellbare."