Der Hamburger Diskuswerfer Markus Münch will Ende August zur Leichtathletik-WM in Südkorea. Noch fehlt ihm die Norm.

Hamburg. Als im vergangenen Dezember die besten deutschen Werfer ihr Trainingslager in Nikosia auf Zypern abhielten, gehörte auch die mentale Vorbereitung zum Programm. Jeder Athlet sollte dabei den Trainern David Kadel und Edgar Itt sein Schlüsselerlebnis erzählen, das ihn motiviert habe, sich dem Leistungssport zu verschreiben. "Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney", berichtete Markus Münch, "habe ich bei den Übertragungen im Fernsehen den Diskus in die olympische Flamme fliegen sehen. Diese wunderschönen Aufnahmen sind mir im Gedächtnis haften geblieben."

Elf Jahre später nehmen diese Bilder konkrete Konturen an. Münch, der am 13. Juni 25 Jahre alt wird, gehört zur kleinen Elite deutscher Diskuswerfer, die sich berechtigte Hoffnungen auf eine Olympiateilnahme 2012 in London machen darf. "Markus hat das Potenzial, dabei zu sein. Er bringt alle körperlichen Voraussetzungen mit", sagt Bundestrainer Jürgen Schult, bei dem der 2,07 Meter große Hamburger seit zehn Monaten in Potsdam trainiert. Schult muss es wissen. Der 51-Jährige hält mit 74,08 Metern immer noch den Weltrekord im Diskuswerfen, den er 1986 in Neubrandenburg aufstellte, er ist Olympiasieger (1988) und war Weltmeister (1987). Schult schreibt Münch ein Prädikatszeugnis: "Er hat sich sehr gut entwickelt, er ist ehrgeizig, selbstständig, und er arbeitet professionell."

Es sind dann momentan hauptsächlich technische Probleme, beim punktgenauen Abwurf der zwei Kilogramm schweren Scheibe zum Beispiel, die Münch hinderten, die geforderte Norm für die Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu (27. August bis 4. September) zu erfüllen. 65 Meter fordert der Deutsche Leichtathletik-Verband, Münch, der für die LG Wedel-Pinneberg startet, schaffte in dieser Saison bislang 63,82 Meter am vergangenen Sonnabend in Halle an der Saale. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die WM-Norm kommt. Ich mache mir da keinen Stress, weil alle Kraftwerte stimmen und ich mich so fit fühle wie noch nie", sagt er. Bis Ende Juni wird es Münch jedes Wochenende neu mit der Norm probieren, bei Sportfesten in der Provinz. Danach nimmt er sich bis zu den deutschen Meisterschaften am 23./24. Juli in Kassel eine Wettkampfpause. "Wir haben seine Technik umgestellt. Das ist ein Prozess, der zwischenzeitlich zu schlechteren Leistungen führen kann, der sich irgendwann aber in größeren Weiten auszahlen sollte", sagt Schult.

Seine bisherige Bestweite warf Münch im März vergangenen Jahres mit 65,37 Metern. Damals trainierte er beim Hamburger Diskus-Olympiasieger Rolf Danneberg, 58. Fünf Monate später beendete Münch nach fünf Jahren die Zusammenarbeit. "Es passte nicht mehr." Bei der Europameisterschaft in Barcelona scheiterte er Ende Juli bereits in der Qualifikation - wie ein Jahr zuvor bei der WM in Berlin - mit für ihn indiskutablen 58,81 Metern. "Ich war psychisch fertig", sagt er.

Über die Trennung von Danneberg möchte Münch nicht reden, "aus Respekt vor Rolf, dem ich viel zu verdanken habe". Nur so viel: Die Trainingsgruppe in Potsdam sei größer, die allgemeinen Bedingungen dort besser als in Hamburg. Und Schults ruhigere Art entspräche eher seiner Mentalität. Danneberg habe im Training viel geredet, die Atmosphäre habe er oft als aufgeregt empfunden. Schult beschränke sich auf wenige, zielgerichtete Korrekturen. Zudem lege dieser größeren Wert auf allgemeine sportliche Grundlagen, zum Beispiel lasse er ihn am Boden turnen, "bei Rolf ging es schon am Anfang der Saison in den Kraftraum". Werten will er die unterschiedlichen Ansätze nicht, sagt Münch, "ich fühle mich wohl und bin vor allem gesund. Das zählt."

Abgenommen hat er zudem, von 131 auf 126 Kilo. Keine Kohlenhydrate beim Abendessen hieß sein Rezept, nach dem Nachmittagstraining nur noch Eiweiße und Fett. In der augenblicklichen Wettkampfphase dürfen es auch abends wieder Kartoffeln oder Nudeln sein und ab zu ein Stück Schokolade. Das brauche er fürs Wohlbefinden. Sein Alltag ist in der Tat anstrengend. "In den vergangenen Monaten war ich öfter bei Wettkämpfen und in Trainingslagern als zu Hause."

Er wohnt derzeit in Potsdam und weiter alle paar Wochen bei seinen Eltern in Hasloh. Neben dem zweimal täglichen Training schreibt er an der Universität Hamburg seine Diplomarbeit in Sportwissenschaften. Ende des Jahres will er alle Prüfungen abgelegt haben. 2012, im Olympiajahr, möchte er sich voll aufs Diskuswerfen konzentrieren können. "Olympia", sagt Markus Münch, "ist mein Kindheitstraum. Den will ich mir erfüllen." Dabei sein ist alles. "Nein", sagt er, "es darf dann auch ein bisschen mehr sein."