Der Europameister holt bei der Tischtennis-WM seine erste Einzel-Bronzemedaille

Rotterdam. Nur Timo Boll brachte die chinesische Tischtennis-Macht in Bedrängnis. Zwar reichte es für den Weltranglisten-Zweiten aus Mettmann nicht zum ganz großen Coup, doch konnte er sich bei den Weltmeisterschaften in Rotterdam über eine Bronzemedaille freuen - die erste WM-Einzelmedaille eines deutschen Spielers seit Eberhard Schölers Vizemeisterschaft 1969 und die einzige Medaille eines europäischen Spielers überhaupt bei diesen Titelkämpfen.

"Dafür muss ich mich nicht schämen", bewertete Boll die deutliche 1:4-Niederlage vor 8000 Zuschauern in Rotterdams Ahoy-Arena gegen Chinas Jung-Star Zhang Jike. "Die besten Chinesen sind noch eine Klasse stärker als ich. Ich habe teilweise gute Bälle gespielt, aber er hatte immer die bessere Antwort." Immerhin war sein Gegner der wohl stärkste Spieler aus dem Reich der Mitte, denn der 23-jährige Zhang Jike gewann anschließend auch das Finale gegen Titelverteidiger Wang Hao mit 4:2. Zum achten Mal gewannen Spieler aus dem Reich der Mitte alle fünf Titel bei einer Individual-WM.

"Im ersten Augenblick überwiegt die Enttäuschung", sagte Boll. "Dennoch habe ich ein gutes Turnier gespielt. Ich habe endlich die Medaille gewonnen. Jetzt werde ich mir nach längerer Diät erst einmal eine Pizza bestellen." Der 30 Jahre alte Linkshänder hatte im Viertelfinale mit einem glanzvollen 4:1 gegen den zweimaligen Doppel-Weltmeister Chen Qi aus China die Medaille sicher. "Ich freue mich für Timo. Er hat das verdient. Sein Gegner hat einfach unheimlich gespielt", sagte Altmeister Eberhard Schöler. "42 Jahre sind eine lange Zeit", meinte Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB). "Umso schöner, dass es jetzt endlich geklappt hat. Die Medaille gibt uns einen Schub für die Team-WM 2012 in Dortmund." Sein Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig stufte die Chancen bei den Olympischen Spielen 2012 in Dortmund wesentlich höher ein: "Hier waren sieben Chinesen am Start, bei Olympia sind es nur zwei."

Die Dominanz der Chinesen, für die Newcomerin Ding Ning im Damen-Einzel siegte, frustrierte viele Fans. Der Rest der Welt wurde mit fünf Bronzeplaketten für Deutschland, Südkorea, Nordkorea, Japan und Hongkong abgespeist. Zum dritten Mal nach 2007 und 2009 war China in allen fünf Finals unter sich. Der letzte Nicht-Chinese, der ein WM-Endspiel bestritt, heißt Boll: 2005 verlor er mit seinem Düsseldorfer Klubkollegen Christian Süß das Herren-Doppel.

Diesmal hatte Boll auf seinen Doppel-Start verzichtet und sich ganz auf das Einzel konzentriert. "Die fehlende Einzelmedaille war schon ein Makel", sagte er. Dank einer günstigen Auslosung, die ihm auch ein Duell gegen seinen Kumpel Dimitrij Ovtcharov bescherte, hatte er programmgemäß das Viertelfinale und als Zugabe die Vorschlussrunde erreicht.

Erst der neue Champion zeigte Boll die Grenzen auf. "Timo war nicht satt, aber Zhang Jike ist ein anderes Kaliber. Seine Bälle kamen extrem", analysierte Bundestrainer Jörg Roßkopf die verdiente Niederlage. Boll hatte gegen Jike bereits das Finale der German Open in Dortmund klar verloren.

"An der Einstellung hat es nicht gelegen. Ich bin extra früh aufgestanden und habe alles versucht. Aber bei einigen Bällen konnte selbst ich nur noch staunen", erklärte der WM-Dritte, der nur den ersten Satz gewann und dessen tolle Aufholjagd im fünften Durchgang nicht mehr belohnt wurde.

Spätestens beim Olympia-Turnier im nächsten Jahr will Boll den nächsten Angriff auf die dominierenden Chinesen starten. Dafür spielt er im Sommer als Gast in Chinas Super-Liga. "Ich will noch einen Tick näher an sie rankommen. Dazu muss ich jede Gelegenheit nutzen", sagte Boll. Neben Boll und Ovtcharov lösten bei der WM in Rotterdam auch Jiaduo Wu und Kristin Silbereisen aus Kroppach bei den Damen das Olympia-Ticket für London.