Der Boxweltmeister im Schwergewicht besiegte in der zehnten Runde den Polen Sosnowski durch technischen K. o.

Gelsenkirchen. Vitali Klitschko hatte keine Probleme, die einzigen Spuren des Kampfes mit Albert Sosnowski aus seinem Gesicht zu entfernen. Dafür musste er am Sonntag nur den Rasierer benutzen, um die Bartstoppeln zu stutzen. "Die Vorbereitung war für mich wie Urlaub, ich habe in den Bergen gewohnt, und niemand hat mich gesehen. Aber jetzt, wo es zurück in den politischen Alltag geht, kommt der Bart ab", sagte er.

Vitali Klitschko, 38, ist Schwergewichts-Boxweltmeister, er ist aber auch Abgeordneter im Stadtparlament seiner Heimatstadt Kiew, und weil er alles, was er anpackt, mit großer Professionalität betreibt, ist es derzeit schwer zu sagen, was Klitschkos Hauptberuf ist. Vor allem dann, wenn man, wie in der Nacht zum Sonntag in der Fußballarena auf Schalke, das Gefühl hat, dass seine Kämpfe letztlich nur eine Verlängerung seines Urlaubs bedeuten.

Seit der Familienvater, dessen Frau Natalie mit den drei Kindern in Hamburg lebt, im Oktober 2008 nach fast vier Jahren Verletzungspause in den Ring zurückkehrte, hat er fünf Kämpfe bestritten. Von 49 geboxten Runden hat er nur drei verloren. Gegen den überforderten Sosnowski kam keine hinzu.

Zwei Links-rechts-Kombinationen beendeten den einseitigen Kampf

Klitschko dominierte den 31 Jahre alten polnischen Europameister, ohne zu glänzen zwar, aber doch mit der Erfahrung und Übersicht eines Mannes, der auf seine alten Tage mit sich selbst im Reinen ist. Zweieinhalb Minuten waren in Runde zehn geboxt, als Ringrichter Jay Nady (USA) nach zwei aufeinanderfolgenden Links-rechts-Kombinationen zum Kopf Erbarmen mit dem benommenen Sosnowski zeigte und ihn aus dem Kampf nahm.

"Natürlich bin ich traurig, denn ich kam, um zu gewinnen. Aber Vitali hat seine ganze Klasse gezeigt", sagte Sosnowski, der auf seiner Boxhose Werbung für eine Zahnzusatzversicherung machte. Den ersten Teil dieser Aussage hatte der 1,89 m große Athlet im Ring nachgewiesen. Weil ihm jedoch die Klasse fehlte, um dem wie gewohnt mit hängender Deckung lauernden WBC-Champion gefährlich zu werden, musste dieser seine Klasse selten zeigen.

Tatsächlich liegen derzeit Welten zwischen Vitali und seinem knapp fünf Jahre jüngeren Bruder Wladimir, der die WM-Titel von IBF und WBO hält, und dem Rest des Schwergewichtsrudels. Dennoch zeigte der Kampf mit Sosnowski auch die Grenzen auf, die das Alter Vitali Klitschko mittlerweile setzt. Sein roboterhafter Stil hat sich kaum verändert, seit er 1996 seine Profilaufbahn begann. Er boxt kaum noch mit Risiko, sondern versucht möglichst ohne Blessuren aus dem Ring zu steigen.

"Vitali sollte mit Auge boxen und sich nicht auf aggressiven Schlagabtausch einlassen. Diese Strategie hat er perfekt umgesetzt", sagte Fritz Sdunek, 63. Der Klitschko-Trainer sieht bei seinem letzten verbliebenen Schützling noch Potenzial für "fünf oder sechs Kämpfe, immer unter der Voraussetzung, dass er gesund bleibt". Weil aber auch jeder Kampf der letzte sein kann, hofft der frühere Cheftrainer des Hamburger Universum-Stalls auf eine baldige Einigung mit dem Briten David Haye.

Ein Kampf mit dem Briten David Haye erscheint weiter schwierig

Haye ist Weltmeister der WBA und hält damit den einzigen der vier bedeutenden WM-Titel, der nicht im Familienbesitz der Klitschkos ist. Das Problem: Haye wird vom exzentrischen US-Promoterzar Don King vertreten, mit dem die Klitschkos ungern verhandeln. Außerdem verdient er als Champion auch ohne die Klitschkos gutes Geld.

Seine nächste freiwillige Titelverteidigung wird er in England gegen Sydney-Olympiasieger Audley Harrison bestreiten. Weil King auch am russischen Riesen Nikolai Valuev aus dem Berliner Sauerland-Team beteiligt ist, droht der für Herbst angedachte Megafight zwischen Valuev und Vitali Klitschko zu platzen. Möglich ist, dass die Brüder zunächst zu Pflichtverteidigungen antreten. Wladimir soll am 11. September in Frankfurt gegen Sauerlands Russen Alexander Povetkin ran, um das Herausforderungsrecht kämpfen der Kubaner Odlanier Solis und Valuev - beste Aussichten für die Klitschkos. Kein Wunder, dass die letzte Spur des Wochenendes im Gesicht von Vitali, der am 3. Juni in der deutschen Botschaft in Kiew das Bundesverdienstkreuz erhält, ein Lächeln war.