Dimitrij Kotschnew geht mit großer Vorfreude in die Eishockey-WM im eigenen Land

Hamburg. Als Dimitrij Kotschnew am vergangenen Donnerstag mit der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft zum ersten Training in der Volksbank-Arena aufs Eis lief, konnte er eine gewisse Überraschung nicht verbergen. "Es ist wirklich toll, über was für eine Infrastruktur die Hamburg Freezers hier verfügen", sagte der 28-Jährige, der sich mit dem Auswahlteam noch bis Mittwoch in Hamburg auf die am Freitag startende Weltmeisterschaft im eigenen Land vorbereitet.

Der Torhüter hat eine besondere Beziehung zu Hamburg, wo er in der Saison 2000/01 für die Crocodiles in der Oberliga spielte und seine Freundin Johanna kennenlernte, mit der er auch in diesem Jahr wieder den Sommer verbringt. Das Trainingsgelände der Freezers hatte Kotschnew jedoch noch nie gesehen. "Wir finden hier perfekte Bedingungen vor. Für mich persönlich ist es etwas ganz Besonderes, dass die letzten Tage der WM-Vorbereitung in Hamburg stattfinden. Ich genieße das sehr", sagt der im russischen Karaganda geborene Athlet, der als Zehnjähriger mit seinen Eltern nach Wiesbaden kam.

Trotz der positiven Überraschung bedauert Kotschnew nicht, sich im Winter gegen ein Angebot der Freezers entschieden zu haben. Im Sommer 2008 war er aus Nürnberg zu Spartak Moskau in die russische Topliga KHL gewechselt. Seinen ursprünglichen Plan, nach zwei Jahren im Osten in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) zurückzukehren, verwarf er spätestens, als er die finanziellen Dimensionen verglich. "Natürlich spielt Geld eine wichtige Rolle, und in der KHL lässt sich nun einmal besser verdienen. Aber auch sportlich ist Russland die größere Herausforderung. Hier spiele ich in der besten Liga Europas gegen Spitzenleute. Ich bin im besten Torwartalter und habe mich deshalb für das Gesamtpaket entschieden, das am meisten Sinn macht", sagt er. Sein Vertrag bei Spartak ist zum 30. April ausgelaufen, seine Zukunft in der KHL jedoch sicher, obwohl er mit Rücksicht auf die Gepflogenheiten in Russland seinen neuen Klub noch nicht nennen mag.

Wie sehr Kotschnew in den vergangenen zwei Spielzeiten gereift ist, zeigt die Wertschätzung, die ihm Uwe Krupp zuteil werden lässt. "Dimitrij ist viel selbstbewusster geworden. Wenn man sich in der KHL durchbeißt, ist das ein gutes Zeichen", so der Bundestrainer. Kotschnew wird sich die WM-Spiele mit dem Augsburger Dennis Endras teilen. Eine klare Nummer eins hat Krupp nicht benannt, und Kotschnew stört sich daran nicht. "Das ist im Eishockey etwas anders als im Fußball. Wir haben mehr Spiele und sind es gewohnt, mal auf der Bank zu sitzen. Wir brauchen den Konkurrenzkampf, um die beste Leistung herauszukitzeln, aber wir verstehen uns als Team und gönnen dem anderen seine Einsätze", sagt er.

29 Profis stehen im erweiterten Aufgebot, das Krupp direkt nach dem letzten Testspiel morgen (20 Uhr, O2 World) gegen Olympiasieger Kanada auf 23 Spieler reduzieren wird. Bis auf Marcel Goc (Nashville Predators), der der einzige deutsche Teilnehmer aus Nordamerikas Profiliga NHL ist, müssen sich alle Spieler noch im Kampf um die WM-Tickets beweisen. Die Hamburger John Tripp und Alexander Barta haben ihren Platz ebenso nicht sicher wie die in der zweitklassigen AHL in Nordamerika engagierten Felix Schütz, Philip Gogulla, Robert Dietrich und Alexander Sulzer. Kotschnew kann in dieser Unsicherheit nur Vorteile erkennen. "So bleibt jeder heiß und bis zum Turnierstart voll motiviert", sagt er.

Dass die deutsche Auswahl überhaupt an der WM teilnehmen darf, verdankt sie einzig dem Fakt, als Gastgeber gesetzt zu sein. Sportlich war das Team im vergangenen Jahr in der Schweiz in die B-Gruppe abgestiegen. "Jedem Spieler ist die Bedeutung dieses Turniers klar. Wenn man gesehen hat, welche Sogwirkung die Heim-WM im Fußball oder im Handball hatte, dann wird deutlich, dass wir mit einem guten Auftritt tolle Werbung für unseren Sport machen können", sagt Kotschnew.

Gedanken an das Auftaktspiel am Freitag (20.15 Uhr) gegen die USA, das in der Schalker Fußballarena mit 76 152 Zuschauern den Besucher-Weltrekord im Eishockey knacken wird, gestattet sich der 184 cm große Keeper nicht. "Bis dahin kann so viel passieren. Wer daran denkt, was in zwei Wochen ist, für den kann morgen schon alles vorbei sein", sagt er. Klar sei dem Team, dass zum Erreichen der Zwischenrunde im letzten Gruppenspiel am 12. Mai Dänemark geschlagen werden muss. "Dennoch werden wir uns auch gegen die USA und Finnland nicht schonen", sagt er.

Eine WM im eigenen Land sei noch eine Stufe höher einzuordnen als Olympische Spiele, findet Kotschnew, was angesichts des Heimvorteils nachzuvollziehen ist, aber auch durchaus daran liegen kann, dass ihm selbst die Erfahrung Olympia bislang nicht vergönnt war. 2006 in Turin stand er auf Abruf, in diesem Februar in Vancouver nicht mal im Aufgebot. Über die Gründe schweigt sich der stets höflich und zurückhaltend auftretende Kotschnew aus. Er schaut lieber in die Zukunft, der er durch starke WM-Leistungen einen goldenen Anstrich verleihen könnte. Eine Überraschung wäre das nicht.