Aus der Oberliga Hamburg will erwartungsgemäß kein Verein in die Regionalliga Nord aufsteigen. Was sind die Gründe für das mangelnde Interesse?

Hamburg. Dassendorfs Trainer Jan Schönteich ahnte nach dem 0:0 im Oberliga-Topspiel in Curslack, was kommen würde. „Bevor die Frage gestellt wird, antworte ich und sage: Nein, wir sind noch nicht durch“, erklärte der Erfolgscoach präventiv. Curslacks Trainer Torsten Henke ließ es sich dennoch nicht nehmen, Schönteich zum baldigen Triumph zu gratulieren. „Wir haben heute gegen den kommenden Hamburger Meister gespielt“, sagte Henke – und liegt aller Wahrscheinlichkeit nach richtig mit seiner Prognose.

Die Frage ist nur: Welche Konsequenzen hat der Oberligatitel? Die Antwort: Nicht viele. Dassendorf wird sich absolut zu Recht über eine grandiose Spielzeit freuen und eine große Party feiern. An der Oberliga-Saison 2014/15 nimmt der Verein vom Wendelweg jedoch ebenso teil wie die letzte Mannschaft, die gerade eben die Klasse hält. Für die Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord hat nämlich kein Hamburger Oberligist die Lizensierungsunterlagen beim Norddeutschen Fußball-Verband beantragt. Als eine Pressemitteilung des Verbandes dies bestätigte, war die Nachricht längst keine Neuigkeit mehr. Ab sofort kämpfen alle Spitzenteams nur noch um die Goldene Ananas.

„Ich habe schon vor der Saison verdeutlicht: Wir melden auf keinen Fall“, sagt der große Dassendorfer Gönner Michael Funk. „Für uns ist eine Meldung zur Regionalliga wirtschaftlich nicht darstellbar“, assistiert Curslacks Manager Axel Nack. „Unser Stadion an der Adolf-Jäger-Kampfbahn ist verkauft und es gibt noch keine Ersatzfläche. Und wir müssten Geld investieren, das wir nicht haben“, erläutert Altonas Pressesprecher Andreas Sude. Die Statements der Verantwortlichen der ersten drei Oberligateams stehen stellvertretend für ein Dilemma: Die Durchlässigkeit zwischen der fünftklassigen Hamburger Oberliga und der viertklassigen Regionalliga Nord ist nur eingeschränkt vorhanden. „Die Rahmenbedingungen müssten sich ändern, damit kleine Vereine wie wir aufsteigen können“, sagt Funk. „Die Auflagen für einen Aufstieg sind viel zu hoch.“ In der Tat muss, wer eine Etage höher kicken will, eine Menge Bedingungen erfüllen.

Ein regionalligataugliches Stadion benötigt unter anderem mindestens zwei Eingänge, Presseplätze, einen abgetrennten Gästeblock, vernünftige sanitäre Anlagen und einen Dopingraum. „Um das auf unserem Schulsportplatz baulich zu realisieren, müssten die Gemeinde und wir 250.000 Euro in die Hand nehmen. Das ist utopisch“, kritisiert Funk. Curslack hat ähnliche Probleme, plant immerhin seit geraumer Zeit den Bau einer neuen Tribüne.

Altona 93 sind aufgrund des maroden Zustands der altehrwürdigen Adolf-Jäger-Kampfbahn die Hände gebunden. Allerdings: Selbst Oberligisten mit einem regionalligatauglichen Stadion müssen sich gut überlegen, nach Höherem zu streben. Die Kosten für Ordner und Schiedsrichter sind in der Regionalliga um ein Vielfaches höher, ebenso sind weite Auswärtsfahrten anzutreten. Und wer sportlich konkurrenzfähig sein will, kommt kaum darum herum, alle Spieler mit Amateurverträgen auszustatten und das Funktionsteam aufzustocken. „Unter 300.000 Euro Etat braucht man gar nicht erst anfangen. Ich glaube, es sind 600.000 bis eine Million Euro Etat nötig, um sich dauerhaft in der Regionalliga zu etablieren“, sagt Funk. Dieses Geld ist, zumal sich manchmal nur rund 150 Zuschauer auf den Plätzen verlieren, nicht vorhanden. Feste Fernsehgelder erhalten die Regionalligisten nicht. „Leider gibt es auch keinen Sponsor für eine Meisterprämie in der Oberliga. Das wäre aber ein guter erster Schritt“, so Funk.

Immerhin bezeichnet Altonas Pressesprecher Sude den Reiz für seinen Verein, in der Regionalliga zu spielen, als „riesengroß“. Verständlich, da Traditionsklub Altona auf über 600 Fans pro Spiel zählen kann. Doch Sudes Ansicht teilt kaum ein anderer Verein. „An unserem Zuschauerschnitt würde sich nicht viel ändern“, sagt Curslacks Manager Axel Nack. Dassendorfs Sponsor Funk wird konkreter: „Wir freuen uns hier mehr auf Derbys zum Beispiel gegen den SC Vier- und Marschlande. Gegner wie Rehden sind für uns unattraktiv. Ich wünsche mir eine Rückkehr der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein als vierte Klasse.““

Zudem ist die sportliche Hürde Regionalliga Nord hoch. So stellt sich der SC Victoria seinen Gegnern schon in der zweiten Saison tapfer mit einem Sparetat. Die sportlichen Erfolge blieben bisher weitgehend aus. Der Klassenerhalt gelang vergangenes Jahr nur aufgrund der Lizenzentzüge anderer Klubs. Aktuell ist das Team Siebzehnter. Besser macht es Aufsteiger Norderstedt als Zehnter. „Norderstedt leistet beeindruckende Arbeit und ist uns finanziell vermutlich voraus. Aber wir glauben fest daran, uns in der Regionalliga zu etablieren“, sagt Victorias Sportdirektor Sven Piel. „Leider scheinen mir viele Auflagen nötig zu sein. Wer wenig Geld hat, braucht also einen seriösen Plan über mehrere Jahre und viel Durchhaltevermögen.“ Sonst heißt es eben: Oberliga-Titelkampf ja, Aufstieg nein.