594 Sonderwünsche für 811 Mannschaften aus 58 Klassen: Wie Joachim Dipner und seine Kollegen die Saison des HFV planen

Hamburg. Es wird Kritik aus der Kreisliga geben. Das ahnt Joachim Dipner, 68, schon. „Das ist der klassische Fall, bei dem wir es nicht allen recht machen können“, sagt der Spielausschussvorsitzende des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV). Seine Beisitzer Björn Schütte, 30, Nikolaus Bülk, 44, und Manfred von Soosten, 74, nicken. Es ist ein sonniger Junimorgen und während der Ball im Amateurfußball ruht, wird an der Jenfelder Allee der Spielplan für die neue Saison erstellt. Gerade stehen die Kreisligen auf dem Plan. Vier Vereine wollen zeitgleich auf einer Anlage spielen. „Das geht leider nicht“, sagt Dipner. Schließlich wird gemeinsam entschieden, wer den Zuschlag erhält. Verantwortlich gemacht dafür wird sicher wieder Dipner. Als HFV-Spielausschussvorsitzender ist er so etwas wie das Aushängeschild des Spielbetriebs im Hamburger Amateurfußball. Er macht den Job seit sechs Jahren. Ehrenamtlich wie seine Kollegen.

Dipner zeigt auf einen dicken Packen Papier. „Das ist die Wunschliste“, sagt er. 594 Wünsche für die Spielplanerstellung haben 240 Vereine mit 781 Mannschaften aus 61 Klassen – von der Oberliga bis zu den Supersenioren – eingereicht. Manche Clubs möchten, dass ihre Teams am selben Tag spielen, andere ein Derby an einem Freitag austragen. Beachtet werden sollen bitte auch Jubiläumsfeiern, Volksläufe oder die Befindlichkeit eines Platzwartes, der seine Freizeit braucht, weshalb eine Anlage nur alle 14 Tage zugänglich sein soll. Die Anträge trudeln dabei trotz Bitte des Verbandes, sich kurz zu fassen, in manchen Fällen in seitenlanger Form ein. Dann muss erst alles auf das Wesentliche zusammengekürzt werden, um ein Bild davon zu erhalten, was der Verein überhaupt möchte. „90 Prozent aller Wünsche bei Staffeleinteilung und Spielplanerstellung können wir schließlich erfüllen“, ergänzt Dipner.

Allein bei der Staffeleinteilung konnte 122 von 133 Anträgen entsprochen werden. Allerdings melden sich danach meist nur Vereine, deren Wünsche nicht berücksichtigt wurden. „Das ist halt so“, sagt Dipner sachlich. Er kennt das. Verlängert der Spielausschuss bei einem langen Winter die Saison nicht oder geht eine Spielverlegung schief, steht er in der Kritik.

„Ein Spielausschussvorsitzender braucht ein dickes Fell“, sagt Dipner. Kurz darauf freut er sich, dass er zwei Vereinen helfen kann. Bezirksligist Elazigspor und Kreisligist Fatihspor wollen beide sonntags um 15 Uhr an der Wendenstraße spielen. „Manche Vereine glauben, wir setzen pro Staffel jedes Spiel einzeln an“, sagt Dipner und schmunzelt. Aber der HFV orientiere sich am mathematischen DFB-Spielplansystem. Schlüsselzahlen regeln, wer wann gegen wen spielt. Das funktioniert bei gleicher Staffelstärke auch ligenübergreifend. Pärchen wechseln sich ab. Also erhält Elazigspor die 5, Fatihspor die 6. So wird Fatihspor die Saison daheim beginnen, Elazigspor auswärts. Am 6. Juni hat die Arbeit begonnen. Jeden Wochentag drei Stunden. Ende Juni sollen alle Spielpläne stehen.

Was aber treibt Dipner an? Am Donnerstagabend wurde er mit zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen wiedergewählt. Ist es Eitelkeit, wie manche Vereinsvertreter inoffiziell mutmaßen? Oder gar, ebenfalls ein Vorwurf, Parteilichkeit für den SC Victoria? „Wenn Eitelkeit bedeutet, modisch gut gekleidet zu sein, kann ich bestens damit leben“, sagt Dipner. „Und bei Victoria bin ich schon ewig aus dem operativen Geschäft raus. Ich kann nichts dafür, dass Vicky erfolgreich ist.“ Dipner lacht herzlich.

Er übe seinen Job trotz all der Kritik gerne aus, sei vor 16 Jahren beim Verband so reingerutscht. „Der menschliche Kontakt mit den Kollegen und den Fußballern macht mir einfach Freude“, sagt er. Er sei dem Fußball eben verbunden – so wie schon in den 50er-Jahren, als er als kleiner Junge die von seinem Vater erstellte Vereinszeitung des Hamburger SV mit dem Fahrrad an die Abonnenten lieferte und als Lohn zehn Pfennig pro Ausgabe dafür erhielt. Dipners Augen schimmern ein wenig bei dieser Geschichte. Dann nickt er seinen Kollegen zu. Nikolaus Bülk trägt den nächsten Wunsch aus einer Staffel vor, Manfred von Soosten nennt die Platzanlage, Björn Schütte studiert im Laptop Infos zum Verein, und Dipner blickt auf seinen Zettel. Die beste Schlüsselzahl wird gesucht.