Hamburger Regionalligaklub fordert den SC Freiburg im DFB-Pokal heraus. Die hohen Einnahmen beschleunigen die Entwicklung des Vereins.

Hamburg. Victorias Pressekonferenz vor dem DFB-Pokalspiel gegen den SC Freiburg (Sonnabend, 15.30 Uhr, Hoheluft) lief eine halbe Stunde, da platzte es aus Manager Ronald Lotz heraus. "So, jetzt sollen die Freiburger kommen. Wir wollen starten", sagte er und rieb sich die Hände. Ebenso wie der in die Hansestadt zurückgekehrte Sommer befindet sich der SC Victoria mehr als nur auf Betriebstemperatur. Bei angesagten 30 Grad Celsius will der Regionalligaverein, der bisher knapp 3000 Karten für die Partie abgesetzt hat und auf ein ausverkauftes Stadion mit 5000 Zuschauern hofft, dem Bundesligisten einheizen. "Es gibt immer Überraschungen. Warum soll uns keine gelingen?", hatte Vickys Trainer Lutz Göttling zuvor die Journalisten gefragt.

Die Rollen sind ob des Drei-Klassen-Unterschieds klar verteilt. Der Favorit aus dem Breisgau nimmt die Partie trotzdem ernst. Freiburgs Trainer Christian Streich ließ Victoria in der Regionalliga in Meppen (1:3) und gegen Oberneuland (0:3) beobachten. Er will das Duell, bei dem Karim Guédé (früher SC Concordia, HSV II) und der frühere St.-Paulianer Max Kruse ihre Rückkehr nach Hamburg feiern, "wie ein normales Bundesligaspiel angehen. Wir sind motiviert. Alles andere wäre absurd".

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Warnen dürfte Freiburg die Historie. Am 15. August 2010 schaffte Victoria durch einen Freistoß von Stephan Rahn die Sensation und besiegte Rot-Weiß-Oberhausen vor 1600 Fans an der Hoheluft mit 1:0. Damals wie heute lagen drei Spielklassen zwischen David und Goliath. Victoria war Oberligist, RWO Zweitligist. Runde zwei gegen den VfL Wolfsburg (1:3) am Millerntor wurde ein noch größeres Gänsehauterlebnis. Frenetisch feierten 8370 Fans den tapferen Außenseiter, und Rahn formte nach seinem Treffer mit den Händen ein Herz vor der Südtribüne.

Die meisten Beteiligten beim SC Victoria erinnern sich noch heute in liebevollen Erzählungen an ihre Erlebnisse in den Spielen gegen RWO und Wolfsburg. Der damalige Erfolg brachte dem Verein jedoch mehr als unbezahlbare Erinnerungen, nämlich bares Geld. Rund 400 000 Euro verblieben aus Zuschauereinnahmen, TV-Geldern und Bandenwerbung. Finanzielle Mittel, mit denen der Klub seine Entwicklung clever beschleunigte.

Neben Investitionen in Stadion, Infrastruktur und Funktionsteam sowie der Ablösung kurz- und mittelfristiger Darlehen bildete der Klub Rücklagen, die ihn in die Lage versetzten, den Etat von geschätzten 300 000 Euro für die diesjährige Regionalligasaison zu stemmen. "Die erspielten Mittel reichen aus, um den Aufstieg möglich zu machen", sagte Lotz schon bei der Meldung für die Regionalliga im März. Als Sahnebonbon für die Bilanzen holte Victoria zwei Monate später neben dem Oberligatitel auch den Oddset-Pokal (2:1 im Finale gegen Germania Schnelsen). Dieser spült nun mit dem Fernsehgeld von 74 000 Euro und Werbeeinnahmen von rund 20 000 Euro erneut reichlich Geld in die Kasse. Dazu kommt die Hälfte der Zuschauereinnahmen.

Lotz will damit Victorias Zukunft sichern. Teil eins der Strategie betrifft die nächste Regionalligasaison. "Sie ist bereits gesichert. Die Lücke von 100 000 Euro im Etat wird durch die Einnahmen des Freiburg-Spiels ausgeglichen", sagt Lotz. "Die frühe Planung verschafft uns Zeit." Diese Zeit nutzt er, um Teil zwei seines Plans umzusetzen und die Sponsoringeinnahmen aufzubessern. Mit dem Block House wurde ein neuer Trikotsponsor gefunden. Ein halbes Dutzend Partner sind ebenfalls dem Sponsorenpool des Vereins neu beigetreten.

Die DFB-Pokalteilnahme 2010 ermöglichte den Aufstieg in die Regionalliga Nord, die DFB-Pokalteilnahme 2012 sorgt nun für Zeit bei der Sponsorensuche. Läuft diese gut, wird der SC Victoria bald nicht mehr auf den Oddset-Pokalsieg und die damit verbundene Teilnahme am DFB-Pokal angewiesen sein, um wirtschaftlich in der Regionalliga Nord zu überleben.

Das Konzept ist nicht frei von sportlichen Risiken. Alle Spieler arbeiten oder studieren. Stürmer Nico Patschinski folgte nach einem halben Jahr dem Ruf des Geldes. Er wechselte zum Nordost-Oberligisten BFC Dynamo Berlin. Ersetzt wird er selbst bei einem Sieg gegen Freiburg wohl nicht.

Trotz Garantieeinnahmen von 250 000 Euro in Runde zwei "würden wir keinen teuren Spieler holen", erklärt Lotz. Victoria hofft auf Abdel Abou Khalil. Der 21-Jährige traf Dienstag im Amateurpokal bei Sperber (4:0) dreimal. Ob Spieler seines Kalibers reichen, um die Regionalliga zu halten, ist offen. Heute heißt die Realität Freiburg.

"Wir wollen lange die Null halten und schauen, was geht", sagt Kapitän Marcus Rabenhorst. "Wir wollen viele Zuschauer motivieren, öfter zu kommen", ergänzt Coach Göttling. Und sie wollen noch eine weitere Geschichte erzählen von dem kleinen Hamburger Amateurfußballverein an der Hoheluft, der den Großen die Stirn bietet.