Kiezkicker sind nach dem Oberliga-Spitzenspiel auf Titelkurs

Hamburg. St. Paulis Trainer Jörn Großkopf begann seine Aussage auf der Pressekonferenz an der Hoheluft mit einem Geständnis: "Ich bin sehr glücklich. Nach dem 3:4-Rückstand glaubte ich nicht mehr, dass wir zurückkommen." Soeben hatten sich sein Team und Gastgeber SC Victoria vor 686 Zuschauern das denkwürdigste Spitzenspiel der letzten Jahre in der Oberliga Hamburg geliefert. Nach einer wahren Fußball-Schlacht hieß es 5:4 für die Kiezkicker, ein Elfmeter und vier Platzverweise in der Endphase - davon drei für Vicky - inklusive. "Die Tabelle fängt ab dem zweiten Platz an", erklärte ein verzückter Fan des lautstarken braun-weißen Anhangs schon nach dem Abpfiff, und alle Umstehenden nickten.

Neun Spiele, acht Siege, ein Remis, 31:11 Tore - der FC St. Pauli II befindet sich auf einem glatten Durchmarsch Richtung Titel. Besonders das formidable Offensivpotenzial der Truppe von der Waidmannstraße stach erneut ins Auge. Da ist ein Petar Filipovic, der seine technische Extraklasse besonders in Halbzeit eins auf beiden Flügeln zeigte. Ein wieder erstarkter Nils Pichinot, vor zwei Jahren bei Curslack zum Shootingstar avanciert, der genauso kernig, torgefährlich und passsicher auftritt wie der in der vergangenen Winterpause von Altona 93 geholte Pierre Becken.

Und da ist Fousseni Alassani. Der 19-Jährige Stürmer kam vor der Saison von den Jung-Elstern und besitzt ohne Zweifel große Anlagen. Laufstark und mit phänomenalem Antritt ausgestattet wirbelte er Vickys Defensive ein ums andere Mal durcheinander, erzielte zwei Tore für seine Farben, darunter den erlösenden Siegtreffer zum 5:4.

Großkopf, für den der Sieg übrigens den ersten Erfolg in seiner Trainerkarriere gegen Victorias Trainer Bert Ehm bedeutete, nannte jedoch bei seinen Warnungen vor einem möglichen Schlendrian ob der nun zehn Punkte Vorsprung just Alassani als Beispiel: "Es steckt eine Menge Potenzial und unbändiges Selbstvertrauen in ihm. Er macht aber gerne nach dem Spiel auch mal hier und da ein Foto. Wir werden aufpassen, dass er nicht abhebt."

Die Ernsthaftigkeit solcher Ansagen unterstrich St. Paulis Coach bei der Frage, warum der defensive Mittelfeldspieler Marcel Meyer nicht gespielt habe: "Er trainierte Dienstag schlecht." Doch Großkopf gab nicht nur den harten Hund. Nach schwach verlaufender Vorsaison und dem Abstieg aus der Regionalliga Nord schaffte er es mit dieser Partie sogar, den erfahrenen Liga-Obmann Hermann Klauck ("Ein heißes Spiel") ins Schwärmen zu bringen, und betonte: "Es macht mir unglaublichen Spaß, mit diesem Team zu arbeiten." Dieses beherzigte seine Vorgaben. Als Fanliebling Hauke Brückner die Glückwünsche der Anhänger entgegennahm, gab er sich bescheiden: "Das war ein guter Start ins Wochenende." Großkopf dachte etwas weiter und schlug Kollege Ehm einen Saisonausgang vor, bei dem dieser sein Lächeln wiederfand: "Wir werden Hamburger Meister - und ihr gewinnt den DFB-Pokal."