Viele Hamburger Geschäfte lassen sich auf Preisverhandlungen ein. Wie viel Kunden schließlich bezahlen, hängt vom Verhandlungsgeschick ab.

Hamburg. - Ein Selbstversuch - Abendblatt Redakteurin Kathrin Fichtel testete in der Innenstadt ihr Talent beim feilschen.

Wer in diesen Tagen einkaufen geht, sieht zwangsläufig rot. Rote Prozentzeichen überall in den Schaufenstern, rote "Sale"-Aufkleber an den Kleiderständern. Der Rotstift regiert den Hamburger Einzelhandel: Ganze Sortimente sind um bis zu 50 Prozent heruntergesetzt, um die Kunden auch nach der weihnachtlichen Konsumschlacht in Kauflaune zu halten. Selten war sparen einfacher. Die Herausforderung besteht höchstens darin, sich ein paar Prozente zu erfeilschen, die nicht jeder Otto-Normal-Verbraucher erhält. Seit das Rabattgesetz im Juli 2001 aufgehoben wurde, ist auch in der Hansestadt das Handeln in Geschäften erlaubt. Wie weit die Einzelhändler sich tatsächlich darauf einlassen, zeigt eine Testshoppingtour:

Punkt eins auf meiner fiktiven Einkaufsliste führt mich ins Sporthaus von Karstadt an der Mönckebergstraße. Die anderen Kunden drängeln sich in die Skiabteilung, ich fahre also ein Stockwerk höher zum momentan weniger begehrten Wandersortiment. Denn Tipp 1 zum erfolgreichen Feilschen empfiehlt, eher Produkte aus der alten Kollektion oder jenseits der Saison anzupeilen. Das begünstigt auch Tipp 2 : die Verkäufer in einem ruhigen Moment abzupassen. Im hektischen Sonnabend-Geschäft oder kurz vor Feierabend wird keiner hohe Rabatte gewähren. Da Tipp 3 nahelegt, dem Verkaufspersonal das Gefühl von Kompetenz und Kontrolle zu geben, stelle ich ausführliche Fragen zu den Rucksäcken. Dann erzähle ich von meiner geplanten Asienreise, um gemäß Tipp 4 einen netten, persönlichen Kontakt herzustellen. Es funktioniert. Die Verkäuferin will mir zwar keinen Mengenrabatt einräumen, wenn ich zwei Rucksäcke der Marke Deuter à 170 Euro kaufe.

Über eine Dreingabe in Form eines günstigen Schlafsacks könne sie mit ihrem Chef aber reden. Ich bedanke mich und gehe eine Tür weiter in den größten Elektronikmarkt der Welt, Saturn am Hauptbahnhof. Auf 18 000 Quadratmetern drängt sich dort die Kundschaft, selbst vormittags an einem Wochentag. Ein persönliches Gespräch zur Käufer-Verkäufer-Bindung könnte hier zur Herausforderung werden. Ich kämpfe mich zu den Flatscreens und zur sympathischsten Beraterin auf der ganzen Etage durch. Auf Nachfrage räumt sie mir beim Kauf eines weißen Sony-Fernsehers für 1349 Euro spontan 50 Euro Rabatt ein. Knapp vier Prozent gespart, das gilt bei einem Elektronikartikel noch als wenig. Allerdings bin ich mir fast sicher, dass sie mir auch noch die Lieferung für 39 Euro geschenkt hätte, wäre ich hartnäckiger gewesen.

Zwei Etagen tiefer fällt mein Blick auf eine Kaffeemaschine von Bosch für 129 Euro. Als ich mein Interesse signalisiere, kommt die Überraschung: Speziell zu diesem Produkt gibt es einen 30-Euro-Einkaufsgutschein dazu, der nirgends ausgezeichnet ist. Hätte ich ein anderes Modell gewählt, hätte ich immerhin eine Packung Kaffee dazubekommen, für einen Rabatt hätte ich mit dem Chef weiterverhandeln müssen. Tipp 5 , nett nachzufragen lohnt sich fast immer, wäre damit bewiesen. Das bestätigt sich auch in der Buchhandlung Thalia, wo ich die gesammelten Bände der Deutschen Gesellschaftsgeschichte des renommierten Historikers Hans-Ulrich Wehler zur Kasse schleppe. Kostenpunkt: 98 Euro. Wegen der Buchpreisbindung dürfe sie keinen Rabatt geben, klärt mich die Buchhändlerin auf - außer, ein Artikel sei beschädigt. Und siehe da, die Pappbox, die die fünf Bände enthält, hat ein paar Schrammen. Acht Euro, also gut acht Prozent, könnte ich so sparen.

Die nächsten Verhandlungen dämpfen meine Feilschlust wieder. Bei Peek&Cloppenburg erhalte ich weder einen Nachlass auf einen bereits reduzierten Wintermantel für 99 Euro noch auf eine modische Lederjacke für 189,95 Euro. Auch nicht, wenn ich beide kaufe. "Nur wenn ein Mangel an der Ware ist", erfahre ich. Dafür verliebe ich mich bei Görtz an der Mönckebergstraße in ein paar hochhackige, dunkelbraune Winterstiefel für 120 Euro. Im Gegensatz zum Großteil des übrigen Sortiments tragen sie keinen "Reduziert"-Aufkleber. Ob der Verkäufer mir trotzdem beim Preis entgegenkommen könnte? Darf er nicht. Ob er mir denn ein Paar Socken dazugibt, wenn ich die Stiefel kaufe? Darf er auch nicht. Ob er sie günstiger macht, wenn ich zwei Paar kaufe? Auch das nicht. "Aber ich kann ja mal im Computer gucken, ob sie vielleicht schon reduziert sind." Das Resultat: Meine Traumstiefel kosten laut System ohnehin nur noch 79,95 Euro. Ohne Tipp 6 , mit einer gewissen Hartnäckigkeit vorzugehen, hätte ich es nie herausgefunden.

Ähnlich läuft es beim Modehändler Esprit, wo viele Artikel zwar als reduziert im System geführt werden, die Ware aber oft immer noch mit den Normalpreisen ausgezeichnet ist. Eine freundliche Nachfrage an der Kasse kann also nur Vorteile bringen. So auch beim Juwelier Christ: Für mein Objekt der Begierde, eine Damenuhr von Michael Kors für 99 Euro, kann ich zwar keinen niedrigeren Preis aushandeln. Im Gespräch schiebt mir die Verkäuferin aber einen Fünf-Euro-Einkaufsgutschein über die Theke, ein kostenloser Batteriewechsel wäre ebenfalls machbar - "mehr ist in der Kalkulation aber nicht drin". Auch zum Tisch aus Eichenfurnier bei Habitat für 949 Euro erhalte ich weder einen Rabatt noch den dazu passenden Stuhl, selbst das Ausstellungsstück kann ich nicht günstiger abstauben. Immerhin wird mir eine Lieferung frei Haus versprochen. Vom Möbelhandel hatte ich aber mehr erwartet.

Knallhart bleibt auch die Angestellte im Alsterhaus, die mir das Bettwäscheset von Bellora nur zum vollen Preis von 183 Euro überlassen will. Selbst wenn ich zwei nehme. Und der Bäckersfrau fällt fast die Kinnlade herunter, als ich beim Kauf von zwei Brotlaiben um ein Gratis-Franzbrötchen verhandle. "Warum soll ich Ihnen das geben?", fragt sie. Und verweist mich auf das Angebot des Tages: Fünf Rundstücke für 99 Cent, mehr gibt's bei ihr nicht reduziert. Die trockenen Brötchen will ich aber nicht. Ich kaufe also das Franzbrötchen - zum vollen Preis. Aber fragen kostet ja nichts.