Prof. Dr. med. Gisbert Richard zählt zu den führenden Augenärzten Deutschlands. Er war langjähriger Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor des UKE und Prodekan des Fachbereichs Medizin. Seit 2015 ist er wissenschaftlicher Chair des Ophthalmologikums am Ballindamm 37. Zu den Schwerpunkten der privaten Praxis zählen mikrochirurgische Eingriffe des vorderen und hinteren Augenabschnittes sowie innovative Behandlungen von Netzhaut-Erkrankungen, im Besonderen der feuchten und trockenen Makuladegeneration. Mit der Funke Mediengruppe sprach der Experte über neueste Erkenntnisse und Therapien zu dieser altersbedingten Augenerkrankungen, die bei Nicht-Behandlung zur Erblindung führt.

Herr Professor Dr. Richard, Sie gelten als einer der führenden Spezialisten für die Therapie der feuchten wie trockenen Makuladegeneration. Wodurch zeichnen sich diese beiden Krankheitsbilder aus?

Prof. Dr. med. Gisbert Richard: Zunächst möchte ich auf die enorme Bedeutung der Makula – auch gelber Fleck genannt – hervorheben. Sie ist der Bereich des schärfsten Sehens auf unserer Netzhaut, da hier die Konzentration an Sehzellen am höchsten ist. Nur durch sie können wir Lesen, Farben unterscheiden oder Details erkennen. Erkrankungen der Makula führen daher zu einem extrem reduzierten Sehvermögen, das sich durch optische Hilfsmittel wie Brillen oder eine Lupe kaum verbessern lässt. Die als Makuladegeneration bezeichnete Erkrankung der Netzhaut trifft in der Regel ältere Menschen, daher sprechen wir von deraltersbedingten Makuladegeneration, kurz AMD. Hier unterscheiden wir zwei Hauptformen: Die feuchte, in der Fachsprache exsudative - sowie die trockene, atrophe Variante der AMD.

Was genau unterscheidet diese beiden Varianten der AMD?

Bei der feuchten AMD wuchern Blutgefäße unter der Makula. Durch dieses abnormale Wachstum können Flüssigkeit und Blut in den Augenraum gelangen. Sie ist weitaus aggressiver als die trockene AMD. Hier führt der langsame Verlust von Fotorezeptoren in der Makula zu einem allmählichen, schleichenden Verlust der Sehkraft. In beiden Fällen kann eine Nichtbehandlung zur Erblindung führen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie die Therapiemöglichkeiten zu nutzen.

Was ist die Ursache für den altersbedingten Sehkraftverlust?

Viele altersbedingte Netzhauterkrankungen, darunter Glaukom oder die AMD gehen auf eine mitochondriale Dysfunktion zurück. Mitochondrien sind Zellstrukturen, die auch als so genannte Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden. Über sie wird Energie in Form von Adenosintriphosphat, kurz ATP durch die Zellatmung erzeugt. Eine Dysfunktion der Mitochondrien, sorgt demnach für das Absterben der Zelle. Gerade die Netzhaut, die Retina, ist mit zunehmendem Alter empfänglich für eine mitochondriale Dysfunktion.

Warum ist das so?

Die retinalen Neuronen, also erregbare Zellen, haben generell einen hohen Energiebedarf. Es werden große Mengen an ATP benötigt, um Membranpotenziale zu erzeugen und Membranpumpen in der Netzhaut zu betreiben. Das schafft der Körper oft aus eigener Kraft nicht mehr.

Warum haben Sie sich gerade diesem Krankheitsbild in der Augenheilkunde verschrieben?

Aus Gründen der Relevanz, da sie neben Grünem oder Grauem Star sowie diabetischer Retinopathie zu den häufigsten Augenleiden zählt. Fast jeder fünfte Deutsche leidet an einer dieser Augenerkrankungen, Tendenz steigend. Aufgrund der Überalterung unserer Bevölkerung wird sich die Zahl der Betroffenen bis zum Jahr 2030 verdoppeln.

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© Ophthalmologikum Prof. Dr. Richard

Wie behandeln Sie die feuchte und die trockene AMD am Ophthalmologikum?

Bei der feuchten AMD setzen wir auf intravitreale Injektionen von Anti-VEGF-Medikamenten (Vascular Endothelial Growth Factor, d.Red.), die das Wachstum der Blutgefäße hemmen. Sie können die Flüssigkeitsansammlung in der Makula reduzieren und so den Krankheitsverlauf verlangsamen.

Auch Lasertherapien und PDT, also photodynamische Therapien werden erfolgreich eingesetzt. Dabei injizieren wir den Wirkstoff über eine Armvene. Über die Blutbahn gelangt er zu den krankhaften Blutgefäßen im Auge, wo das Medikament durch ein nicht-thermisches, also kaltes Laserlicht aktiviert wird und die krankhaften Blutgefäße verschließt. Dabei werden die funktionellen Teile der Netzhaut verschont, so dass die noch vorhandene Sehkraft nicht beeinträchtigt wird

Kommen wir zur zweiten Form, der trockenen AMD. Wie sieht hier die Therapie aus?

Bei der trockenen AMD sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt, es gibt jedoch erste erfolgreiche Studienergebnisse. Hierzu gehört die früher in der DDR maßgeblich entwickelte, so genannte Photobiomodulation, kurz PBM, als eine der erfolgsversprechenden Ansätze auf diesem Gebiet, die wir seit 2021 in unserer Praxisklinik erfolgreich einsetzen.

Was genau ist Photobiomodulation oder PBM?

Unter PBM versteht man den Einsatz von Licht bestimmter Wellenlängen in geringer Intensität, um die Funktion der Zellen zu beeinflussen. Diese Methode ist längst etabliert bei der Behandlung verschiedener anderer Erkrankungen, darunter Arthritis oder im Bereich der Wundheilung. Auch in der Physiotherapie und Sportmedizin kommt sie zum Einsatz. Jetzt zeigt sie ihre Möglichkeiten bei der Behandlung der trockenen AMD.

Wie genau funktioniert die PBM in Ihrer Praxis?

Wir nutzen hier das in Europa und Südamerika zugelassene und bewährte Valeda Light Delivery System. Die Wirkung des Geräts möchte ich hier kurz beschreiben und hoffe, dass es nicht zu wissenschaftlich klingt (lacht). Also, im ersten Schritt werden Photonen von den Photoakzeptoren in dem Zellgewebe resorbiert. Übersetzt heißt es: Photonen, also das kleinste Elementarteil der elektromagnetischen Strahlung – zu der auch sichtbares Licht zählt – stoßen auf Moleküle oder Zellen, die auf Licht reagieren, also die Photoakzeptoren. Der primäre Photoakzeptor heisst Mitochondrium Cytochrome C Oxidase, kurz CcO. Auf diese Weise entstehen verschiedenen zelluläre Effekte, die den Verlauf der trockenen AMD signifikant bremsen können. Dazu zählen eine erhöhte Energieproduktion in den Zellen, ein erhöhter Blutfluss und ein Rückgang der Entzündung. Mit verschiedenen Wellenlängen kann ich unterschiedliche Behandlungsziele verfolgen.

Besonders wichtig ist, dass Drusen sich in der Zahl und im Volumen zurückbilden. Drusen sind die wichtigsten Vorläufer, der Sehverschlechterung bei trockener AMD.

Haben Sie dafür Beispiele?

Sicher. Mit einer Wellenlänge von 850 Nanometer etwa stimuliere ich die Metabolische Aktivität, also den Energiestoffwechsel in den Zellen oder hemme Entzündungen und den Tod der Zellen. Bei 660 Nanometer wird zugleich die Sauerstoffbindung gestärkt, im Bereich von 590 Nanometer stimuliere ich die erwähnte CCO-Aktivität. Gleichzeitig erhöhe ich die so genannte NO Synthese. NO ist der chemische Kürzel für den Botenstoff Stickstoffmonoxyd, der an vielen physiologischen Prozessen beteiligt ist, darunter die Regulation der Blutgefäße im Auge. Der ATP-Spiegel wird erhöht, und damit die Energiebilanz der Zellen verbessert.

Wie sieht es mit der wissenschaftlichen Beweiskraft dieser Methode aus?

Man kann mit der Photobiomodulation nicht nur die Lebenserwartung bei Fruchtfliegen erhöhen, sondern erzielt auch Ergebnisse, die gerade in unserer wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschrift, der “Retina“ publiziert wurden. Die Lightsite-III-Studie zeigt in den 24 Monatsergebnissen eine Verbesserung der Sehschärfe in 67,2 Prozent der Patienten. Drusen, ein wichtiger Vorläufer des Sehverlustes, können sich zurückbilden, die Photorezeptoren, mit denen wir sehen, können länger funktionsfähig bleiben. Gerade vor dem Hintergrund der mitochondrialen Dysfunktion im Alter ist diese Erkenntnis von großer Bedeutung.

Übertragen auf den Menschen heißt es, dass die Photobiomodulation unser Leben signifikant verlängern kann? Wie eine Sonnenbank für das ewige Leben?

Licht hat positive und negative Eigenschaften, je nachdem welche Wellenlänge in welcher Dosis eingesetzt wird. Dies lernen wir besser zu verstehen. Das neue Verfahren ist ein Fortschritt in der Behandlung der trockenen Makuladegeneration.

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