Auf Sylt sind viele In-Adressen längt Institution. NDR-Moderator Uwe Bahn hat für das Abendblatt die Hot-Spots der Insel getestet.

Westerland. Ich will wieder an die Nordsee - ich will zurück nach Westerland", dröhnt der bekannte Ärzte-Hit durch Westerlands Paulstraße Nummer sechs. Ulrike (27), Pharmazie-Studentin aus Münster, lehnt mit ihrer Mutter an einem Holzpfosten in Tresennähe. Eine Woche verbringen beide auf Sylt - und gehen dabei durchaus keine verschiedenen Wege. Der gemeinsame Nightlife-Nenner etwa heißt "Deutscher Schlager" und "Wunderbar", eben jener Ort in der Paulstraße. Die Protagonisten der Sylter Tanzbar sind Bata Illic und Udo Jürgens. Dessen Hit "Aber bitte mit Sahne" hat Ulrikes Mutter in der Vergangenheit wohl zu wörtlich genommen - sie besetzt gleich drei Stehplätze. An einem Türsteher in Kampen wäre sie nicht vorbeigekommen: Gesichts- und Gewichtskontrolle. In Westerlands "Wunderbar" ist das egal. Hier tanzen Beauty und Biest nebeneinander. Die Erdnüsse, die überall in den Schüsselchen zum Gratisverzehr einladen, erfüllen ihren Zweck: Sie machen durstig. Die Preise: 2,70 für ein Pils - das klingt auf Sylt wie Freibier. Dazu gibts bei der Erstbestellung einen Kurzen, der weniger Alkoholgehalt hat als eine Fanta. Dafür hinterlassen andere Getränke ihre Wirkung. Auch bei Ulrikes Mutter, die mit Roland Kaisers "Sieben Fässer Wein" um kurz vor halb drei Richtung Ausgang drängt. Wolfgang Petry und Kumpanen singen weiter bis in den frühen Morgen. Die "Wunderbar" und ihre Gäste haben den Meister Guildo Horn um Jahre überlebt - der Schlager-Laden boomt weiter. Bierschwemme?

Das kann man vom "Pony" in Kampen nicht gerade behaupten. "Bier haben wir nicht mehr", erklärt die zugeschminkte Bedienung auf Anfrage. Seltsam, es ist Freitagabend, das Wochenende hat gerade erst begonnen. Einfache Erklärung: Die Gewinnmarge bei Longdrinks ist ungleich höher, zumal ein Mischgetränk im "Pony" so viel kostet wie fünf Kinderteller bei "Gosch". Aber irgendetwas muss der Laden richtig machen, sonst wäre er im vergangenen Jahr keine 40 Jahre alt geworden. In der Whiskeystraße, die eigentlich "Strönwai" heißt, pulsiert Kampens Nachtleben. Hier versammeln sich die Prominenten und Halbpromintenen im "Gogärtchen" bei Rolf und Lena Seiche. Das Traditionshaus hat Flair und auch schon eine 50-jährige Geschichte. Nachmittags treffen sie sich draußen an der Bar und warten, bis der erste Bentley vorfährt. Hier werden Sylter Geschichten ausgetauscht; hier verabreden sich die Insider.

Frisch aufgenommen in den Kampen-Klüngel: die beiden Hamburger Christian Schumacher und Hans Bert Kupin. Seit Anfang des Jahres führen sie das Hotel "Hamburger Hof", eine Reetdach-Herberge in der Kurhausstraße, die parallel zur Whiskeystraße verläuft. Der "Hamburger Hof" (31 Zimmer) ist die ideale Unterkunft für Nachtschwärmer - und preislich für Kampen recht moderat: Doppelzimmer gibts ab 150 Euro. Das Frühstücksbüfett um halb elf päppelt auch den Zahnarzt aus Hannover wieder auf, der mit seiner Freundin vom Gastro-Triathlon - "Gogärtchen", "Pony", "Rotes Kliff" - erst zum Sonnenaufgang heimkehrte. Schumacher und Kupin kannten den "Hamburger Hof" seit Jahren als Gäste, haben das Hotel in zwei Monaten renoviert. Nun bewirten sie selbst die Gäste.

Auch unten am Strand von Kampen gibt es einen neuen Anlaufpunkt: "La Grand Plage", das Strandbistro mit Sauna. Auf Holzpfählen gebaut, bietet es einen fantastischen Blick auf die Nordsee, den endlos langen Strand und Kampens Dünenwelt. "La Grande Plage" könnte auch irgendwo an Frankreichs Atlantikküste stehen. Es fehlt noch ein wenig die Seele, im Vergleich zur bekannten "Buhne 16", ein paar hundert Meter weiter. Aber Geduld haben die Betreiber Manfred Hermann und Kathrin Wenzel reichlich lernen dürfen: Zehn Jahre lang mussten sie auf die Baugenehmigung warten.

Die bekannteste und beliebteste Strandlocation ist und bleibt auch dieses Jahr Herbert Secklers " Sansibar " in den Dünen zwischen Hörnum und Rantum. Wie ein Sylter Dandy sieht er wahrlich nicht aus, eher wie ein in die Jahre gekommener Bassist einer britischen Teenie-Band aus den Siebzigern. Seckler und Schicki-Micki - das will eigentlich gar nicht zusammenpassen. Trotzdem: Hier trifft sich alles und sitzt gemütlich nebeneinander wie in einer Schweizer Skihütte. Grandios: das Fischfondue im Gemüseweißweinsud für 29 Euro. Vorsicht allerdings in den Katakomben der "Sansibar": Stolpern kann dort teuer werden. Ein falscher Schritt - und der SLK muss in Zahlung gegeben werden. Denn unten im Weinkeller lagern die besten und teuersten Tropfen der Welt, über 1400 verschiedene Sorten.

Bei Vollmond trifft man sich vor dem "Bam-Bus", dem Wartehäuschen an der Lister Buskehre. Dort veranstaltet Wirt Klaus seine legendären Moon-Partys. Das "Bam-Bus" ist die kleinste Bar auf Sylt. Aber wenn der Vollmond scheint, kommen sie in Scharen, um auf dem Parkplatz direkt vor den Dünen zu feiern. Und dann schallt es auch durch den Lister Ellenbogen: "Ich will wieder an die Nordsee - ich will zurück nach Westerland!"