„Die Alm ist mein Reich. Hier bin ich mein eigener Herr“...

...sagt Senner Otto Zaiser, der sich jedes Jahr für mindestens vier Monate in die Einsamkeit der Chiemgauer Alpen verabschiedet. Sein Reich, das sind viele Hektar Weide, die er mit 35 Tieren teilt, darunter Milchkühe, Kälber, Jungvieh und eine Katze. Mittendrin die kleine Almhütte auf knapp 1000 Metern über dem Meeresspiegel, in der er zwar nur wenige Kilometer von der Zivilisation entfernt, aber doch in einer ganz anderen Welt lebt: ohne Fernseher, ohne fließendes, heißes Wasser, ohne Luxus.

Der 31-Jährige bewirtschaftet eine von rund 700 Almen in Oberbayern. Nicht jedermanns Sache: Mit Heidi-Romantik hat das Leben eines Senners wenig zu tun. Auf der Vorderen Dalsen-Alm klingelt spätestens morgens um fünf der Wecker. Dann werden die Kühe gemolken übrigens mit Maschinen, deren Strom moderne Solaranlagen produzieren. Aus der Milch macht Otto Zaiser Magerquark und Käse, den Rahm trägt er in den Keller, um ihn später zu Butter zu rühren. Einen Teil der frischen Köstlichkeiten lässt sich seine Familie auf dem Bauernhof im Tal schmecken. Den Rest genießen der Senner oder die Wanderer, die sich im Sommer auf der Alm stärken. Buttermilch, Bergkäse und Brot hier kommt nur authentische Alpenkost auf den rustikalen Tisch.

Für viele Wanderer gehören der Alm-Abstecher und die zünftige Brotzeit einfach dazu. Die schönsten Hütten und Weiden des Chiemgaus können Urlauber etwa auf einer viertägigen Wandertour auf der Via Alpina entdecken. Tagsüber erklimmen die Wanderer die Gipfel und können mit ein bisschen Glück unterwegs seltene Steinadler oder possierliche Murmeltiere erblicken. Abends kehren sie in urigen Berghütten ein, wo sie mitten in der Einsamkeit der Chiemgauer Alpen übernachten. Die Tour wird vom 20. bis 24. August und vom 10. bis 14. September angeboten und kostet pro Person rund 250 Euro.

Auf den Almen der Senner können Gäste normalerweise nicht übernachten. Der lange und arbeitsintensive Alltag lasse dies nicht zu, erklärt Otto Zaiser. Ausnahmen gestattet Hans Oswald, der gemeinsam mit seiner Frau Christine auf dem Jochberg im Tölzer Land eine Alm bewirtschaftet. Im Tal in Jachenau, wo das Ehepaar auf dem heimischen Hof "überwintert", vermieten die Senner Ferienwohnungen an Gäste aus ganz Deutschland. Die Urlauber dürfen auf Wunsch schon mal in der einsamen Almhütte nächtigen. "Ich würde es aber eigentlich nicht empfehlen, hier zu schlafen", scherzt Hans Oswald. Denn mit der Nachtruhe ist es schnell vorbei: Um fünf Uhr brummen und surren auf 1400 Metern schon die Melkmaschinen im Stall.

Ruhe kehrt in der Senner-Hütte meist erst am späten Abend ein. Gegen acht Uhr steht bei den Oswalds das Essen auf dem Tisch. Danach wartet oft noch Arbeit: Holz hacken. Oder Wiesen mähen. Und doch bleibt die Beschaulichkeit auf der Jochbergalm nicht auf der Strecke: Ab und zu findet auch das Senner-Ehepaar ein paar stille Stunden, in denen es sich ein kühles Bier gönnt und den Blick über den Walchensee und das Wettersteingebirge schweifen lässt, die langsam in der Dämmerung versinken. Drumherum weiden die Kühe, Glocken bimmeln, ansonsten herrscht Stille auf dem Berg. "Das sind schon schöne Momente", sagt Hans Oswald.

Otto Zaiser dagegen lebt den ganzen Sommer über alleine auf der Vorderen Dalsen-Alm. An manchen Abenden kommen Freunde aus dem Tal zu Besuch. Aber meistens hat der junge Senner kaum Zeit, die Füße hochzulegen oder sich einsam zu fühlen. Dafür ist er viel zu sehr damit beschäftig, sich um Kühe, Wiesen, Stall und Hütte zu kümmern. "Irgendetwas gibt es immer zu tun", erklärt der gebürtige Schlechinger. Wenn er dann Anfang Oktober aus der Einsamkeit der Bergwelt wieder in den Alltag im Tal hinabsteigt, die Tiere zurück in den Stall getrieben hat, muss er sich erstmal an Gesellschaft gewöhnen. "Hier muss man sich unterordnen, im Job und in der Familie. In den Bergen redet mir keiner rein", erklärt der gelernte Krankenpfleger, der den Winter über in einem Heim für betreutes Wohnen arbeitet. Trotzdem: "Alles hat seine Zeit. Im Herbst freue ich mich aufs Heimkommen. Im Frühjahr kann ich es kaum erwarten, endlich wieder auf die Alm zu steigen." Dieser Sommer wird der 15. sein, in dem er sich aus der Zivilisation verabschiedet.

Auf jede Menge Besucher bereiten sich die bewirtschafteten Bergwiesen rund um Reit im Winkl vor: Der Luftkurort bietet seinen Urlaubern in den Almwochen vom 9. bis 24. September geführte Wanderungen an und gewährt ihnen tiefe Einblicke in den Alltag auf der Alm. So erfahren Gäste am Mittwoch, 12. September, nach einem köstlichen Frühstück auf der Winklmoos Alm alles rund um die Käseherstellung und das Leben der Senner im Wandel der Zeit. Zwischendurch werden hausgemachte Säfte gereicht, bevor es dann weiter geht auf die idyllische Sonnenalm, wo der erlebnisreiche Tag mit zünftiger Musik endet.

Während der Almwochen in Reit im Winkl haben Urlauber reichlich Gelegenheit, das alpenländische Leben kennen zu lernen. Tag für Tag führen Touren zu den versteckten Schmuckstückchen des Chiemgaus. Ein Picknick auf den weiten Wiesen der Gräbner Alm beschert am Dienstag, 18. September, unvergessliche Naturimpressionen, während man am Mittwoch, 19. September, einen ganzen Tag lang auf der Hemmersuppenalm das gelebte Brauchtum der Region entdeckt. Zunächst lassen sich die Besucher auf einer Blumen- und Kräuterwanderung in die Welt der heimischen Flora einweihen, um sich danach dem Thema Almabtrieb zu widmen. Wie entstehen die prachtvollen Aufstecker, die das Vieh im Herbst auf dem Kopf trägt, wenn es zurück in den heimischen Stall trabt? Alles rund um diese Tradition, die zu den Höhepunkten im Brauchtumskalender der alpenländischen Bevölkerung zählt, erfahren die Gäste auf der Hemmersuppenalm.

Wer die bewirtschafteten Bergwiesen der Regionen Chiemgau, Chiemsee und Wendelstein lieber auf eigene Faust erkunden möchte, sollte sich den neuen Wanderführer "123 Almen und Berggasthöfe" in den Rucksack stecken. Die Broschüre verrät neben den schönsten Touren für alle Fitnessgrade allerhand Wissenswertes über Geschichte und Gegenwart der Almwirtschaft. Das 92 Seiten starke Heft kostet 3,50 Euro und ist in den Tourist-Informationen der Regionen, beim Chiemgau-Tourismus und in größeren Buchhandlungen erhältlich.