Neuerdings lassen sich sogar die Trennung vom Partner und der Tod des Haustiers als Reiserücktrittsgrund versichern

Wir Deutsche haben es als Versicherungsnehmer nicht leicht. Auf der einen Seite bestätigen uns Verbraucherschützer jedes Jahr aufs Neue: Wir sind so überversichert wie kein anderes Volk. Auf der anderen will uns die Versicherungsindustrie ständig glauben machen, dass wir doch unbedingt noch diese oder jene Police abschließen sollten. Das gilt auch für die "schönsten Wochen des Jahres", den Urlaub.

Auch die neue Idee einiger Reiseversicherer soll zum Abschluss eines Vertrags verlocken. Sie haben die Reiserücktrittsversicherung zur All-Risk-Versicherung erweitert. Galten bislang schwere Krankheit, Tod eines Angehörigen oder drohender Arbeitsplatzverlust als erstattungswürdige Rücktrittsgründe von einer Reise, lassen die Versicherungsunternehmen nun beinahe jeden Stornogrund gelten. "Die Gründe reichen bis zur Trennung vom Partner und den Tod des Haustieres", sagt Andreas Schneider von der Allianz Global Assistance in München, ehemals Elvia, die seit einigen Wochen eine All-Risk-Rücktrittskostenversicherung anbietet.

Traditionell geht die Versicherungswirtschaft eigentlich umgekehrt vor: Die versicherten Gefahren werden genau beschrieben. Bei der Allgefahren-Deckung sind nun auch Risiken versichert, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. "Das Neue liegt in der Umkehrung", sagt Kristina Düring vom Touristik-Versicherungsmakler MDT, der in Kooperation mit der Condor Allgemeinen Versicherung im März ebenfalls eine Allgefahren-Rücktrittspolice auf den Markt gebracht hat. "Damit schließt die Versicherung alle denkbaren Stornogründe ein, zum Beispiel ausfallendes Pflegepersonal, Ausfall der Urlaubsvertretung, lang ersehnter Kurtermin, Adoption eines Kindes, Verschlechterung einer bestehenden Krankheit oder eben auch Trennung vom Partner und Tod des Haustiers."

Mit der neuen Versicherung will man "den individuellen Lebensbedingungen der heutigen Reisekunden Rechnung tragen", heißt es bei Global. Doch natürlich wittern die Anbieter vor allem eines: zusätzliches Geschäft. So beträgt die Prämie für den "Elvia Reiserücktritt Flex-Schutz" der Allianz Global Assistance bis 1000 Euro Reisepreis 48 Euro, der Basisschutz kostet nur 32 Euro. Bei der MDT können Kunden immerhin zwischen drei Produkten wählen: "Optimal" für Rücktrittsgründe wie schwere Erkrankung, Tod eines Angehörigen, Unfall oder Impfunverträglichkeit ab 32 Euro, die "Premium"-Linie ab 39 Euro, bei der auch die Nichtversetzung eines Schülers, gerichtliche Vorladungen und Scheidungsklage eingeschlossen sind, und die All-inclusive-Absicherung "Exzellent" für knapp 49 Euro. Die Allianz Global Assistance bietet die neue Police zunächst nur als Rücktrittsversicherung an, die MDT auch als Reiseabbruchversicherung.

Verbraucherschützer sehen das Angebot skeptisch. "Ob eine derartige Versicherung empfehlenswert ist, das hängt von den persönlichen Verhältnissen des Reisenden ab", sagt Beate Wagner, Rechtsanwältin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Für denjenigen, der die Verwirklichung eines der genannten Risiken befürchten muss und eine teure Reise gebucht hat, kann sie sich lohnen."

Bei der Konkurrenz sieht man die Policen nicht ohne Vorbehalt. Zwar haben auch Marktführer ERV und Hanse-Merkur ihren Rücktrittsschutz überarbeitet. Beide bieten seit 2009 Versicherungsschutz bei Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit, Verlust des Arbeitsplatzes und Impfunverträglichkeit an. "Darüber hinausgehende Ereignisse decken wir jedoch nicht ab", sagt Heinz-Gerhard Wilkens von der Hanse-Merkur. Es sei nicht nachvollziehbar, warum andere Versicherte einen Teil der Prämie dafür zahlen sollen, dass beim Tod seines Haustiers jemand anderes seine Reise nicht antritt.