43 Kilometer erstreckt sich die Schlei von der Mündung bis nach Schleswig. An ihren Ufern finden Sie malerische Dörfer und hübsche Herrenhäuser.

Mit einem lauten Kreischen und Dröhnen bewegt sich der massive Betonklotz zum Boden. Das Gewicht ist mit dem Ende einer schweren Stahlbrücke verbunden, die sich unter ohrenbetäubendem Lärm Zentimeter für Zentimeter gen Himmel schiebt. Es dauert nur wenige Minuten, dann steht das stählerne Ungetüm im 90-Grad-Winkel zur Erde. Das bedeutet: Freie Fahrt für Segelboote und Motoryachten, Autofahrer und Fußgänger müssen jetzt warten.

Die Klappbrücke von Lindaunis an der Schlei bildet einen starken Kontrast zu der idyllischen Landschaft, die sie umgibt. Schilf, Wiesen und bewaldete Hügel treffen hier auf Stahl und Beton.

Beinahe zärtlich streicht Klaus Wollesen über die fast faustgroßen Schrauben der Konstruktion. Der 69-jährige Pensionär hat nämlich eine ganz besondere Beziehung zu der Brücke. Über mehr als 30 Jahre saß er Tag für Tag in dem weiß verputzten Turm an der Nordseite der Schlei und regelte den Brückenverkehr. "Früher sind hier natürlich nicht so viele Autos gefahren", erzählt er.

Am Wochenende konnte er damals vom Turmfenster aus beobachten, wie Angestellte eines der beiden rivalisierenden Gutshäuser Lindauhof und Gut Stubbe über die Klappbrücke gingen, um sich nur wenig später auf einem Dorffest mit denen von drüben zu prügeln. Heute werde die Brücke stark von Touristen genutzt, sagt Klaus Wollesen, der sein ganzes Leben in der Schleiregion verbracht und "viele Menschen kommen und gehen sehen" hat.

Die Schlei ist zwar ein Meeresarm der Ostsee, doch ihre Einordnung als Förde - oder Fjord - ist unter Geologen umstritten. Manche Forscher meinen, dass die Schlei nicht wie die Flensburger oder die Kieler Förde von einer Gletscherzunge herausgehobelt worden sei, sondern lediglich als Abfluss des Schmelzwassers gedient habe.

Den Urlaubern dürfte das vielleicht schnuppe sein. Seit den 70er-Jahren geht es mit dem Tourismus in der Region stetig aufwärts. "Vor allem der Landarzt zieht viele Besucher an", erzählt Klaus Wollesen. Seit dem 10. Februar 1987 dreht das ZDF für diese Serie an verschiedenen Orten rund um die Schlei und macht damit auch Lust auf Ferien. Deekelsen allerdings, das Dorf in der Serie, gibt es in Wirklichkeit nicht. Für die Touristen werden jedoch regelmäßig zu Pfingsten Schilder mit der Aufschrift "Deekelsen" unter anderem an Bushäuschen angebracht.

"Für die Region ist die Serie natürlich toll", sagt Klaus Wollesen. Mittlerweile würde jedes zweite Auto die "Landarztpraxis" ansteuern. Das weiße Herrenhaus steht am Rande eines Feldwegs bei Lindaunis. Wer die Steintreppe zur Eingangstür hinaufschaut, kann sich rege vorstellen, wie Wayne Carpendale, Landarzt Nummer drei, als Dr. Bergmann die Stufen zum nächsten Notfall hinuntereilt. Zu besichtigen ist das Gut jedoch nur von außen.

Rund acht Kilometer von Lindaunis entfernt liegt Bad Arnis. Kurios: Der Ort hat niemals die Kriterien eines Kurbades erfüllt und, obwohl er nur etwas mehr als 300 Einwohner hat, 1934 die Stadtrechte bekommen - Bad Arnis ist damit die kleinste Stadt Deutschlands. Auf den Planken rund um das Restaurant "Zur Schleiperle" treffen sich täglich die Hobbyfischer. Einmalig ist der Blick auf die historischen Fischkutter und modernen Segelyachten, die im seichten Wasser schaukeln. Hier werfen sie ihre Angeln aus und hoffen auf den großen Fang. Dank des Brackwassers, so heißt das Gemisch aus Süß- und Salzwasser, gibt es eine große Vielfalt von Fischen in dem Gewässer. "Wir haben alles von Aal bis Zander, sogar Garnelen und Hornhechte gehen mir ins Netz", sagt Jörg Nadler, der seit 2002 Tag für Tag in der Schlei fischt. "Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um hier Berufsfischer zu werden", sagt er. So einfach und romantisch wie in der Vorstellung vieler Menschen sei das Fischgeschäft nämlich nicht. "Es gibt Zeiten im Jahr, da sind die Fänge einfach schlecht." In der Heringszeit ist der Fischer schon vor Sonnenaufgang auf der Schlei. Den tuckernden Saab-Motor seines Fischerbootes "Schle6" kann man von Weitem hören, und auch die blonden Haare des Fischers leuchten aus der Ferne.

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Das kleine Örtchen Hestoft liegt 18 Kilometer westlich von Bad Arnis. Dort leben Heidi (64) und Michael Chalupka (67) aus dem Bergischen Land, die in liebevoller Handarbeit in den letzten Jahren eine historische Bauernkate renoviert haben (Hestoft 24). Als sie das Haus vor 16 Jahren auf einer Fahrradtour entdeckten, war es sofort um sie geschehen. Begeistert waren sie vor allem von den alten Obstbäumen, die überall im Garten stehen und im Sommer Schatten spenden. "Der Altländer Apfelpfannkuchen oder die Angelner Rübe sind heute nur noch selten in Deutschland zu finden", sagt Michael Chalupka.

Fast vergessene Rosen wie die Double White oder Ferdinand Richard leuchten in allen nur erdenklichen Farben. "Bei uns soll sich jeder wohl fühlen", so Chalupka, "egal ob Mensch oder Tier." So streift auch eine dunkle Perserkatze namens Shani durch die Sträucher, und Schafe und Hühner sowie jede Menge Insekten, Kröten und andere "Zuwanderer" leben bei dem Paar. Gäste sind den beiden in ihrem kleinen Museum immer dann willkommen, wenn die Holztür offen steht. Im Garten, der das weiße Fachwerkhaus umgibt, duftet es nach Blumen und Kräutern. Außer dem Summen der Bienen ist kein Geräusch zu hören - eine Oase der Ruhe. In der Diele der 1756 erbauten Kate zeigen die Chalupkas, wie das bäuerliche Leben vor mehr als hundert Jahren aussah. Altes Geschirr, rostige Milchkannen und Forken aus Holz zieren die Regale, der Boden ist mit Pflastersteinen ausgelegt.

"Tradition und Moderne können in unserer Region nebeneinander existieren", sagt der ehemalige Brückenwärter Klaus Wollesen. Wo früher die Schranke der Klappbrücke in Lindaunis noch mit der Hand hoch- und runtergekurbelt wurde, steht heute eine Ampelanlage. "Wenn die aber mal ausfällt, müssen alle Autofahrer warten. Kurbeln geht dann nicht. Dafür muss erst ein Techniker aus Flensburg kommen", sagt Wollesen und grinst.

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