Sie gehört zum Bezirk Mitte, liegt aber vor Cuxhaven in der Nordsee: ein Abstecher auf die Insel Neuwerk im Wattenmeer.

Sanft glitscht der Schlick zwischen den Zehen hindurch. Ein frischer Wind weht den Strand des Cuxhavener Ortsteils Sahlenburg entlang und wird die Wattwanderer auf ihrem zweieinhalb Stunden langen Gang zur Insel Neuwerk begleiten - ein Spaziergang ins Herz des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer. Seit Oktober 1991 leitet Klaus Janke die Nationalparkverwaltung. Der promovierte Meeresbiologe ist auf der Insel bekannt wie ein bunter Hund. Doch erst zum zweiten Mal macht der 51-Jährige sich jetzt zu Fuß auf den Weg. Reisigbüschel (Priggen) markieren den gut zehn Kilometer langen Weg über den Meeresboden. Das Wasser zieht sich zurück - in knapp drei Stunden ist in Sahlenburg Niedrigwasser. Dies ist der perfekte Zeitpunkt, um sich ins Watt aufzumachen. "Die Wanderer sollten so losgehen, dass sie bei Niedrigwasser auf Neuwerk ankommen", rät Janke, "dann ist noch eine Sicherheitsmarge drin, falls man sich unterwegs an einer Muschel oder einem Stein den Fuß verletzt oder sonst aufgehalten wird."

Nach kurzer Zeit versinken die Füße knöcheltief im Schlamm. "Die Schlickschicht ist relativ dick", sagt der Nationalparkchef, "das könnte daran liegen, dass wir in diesem Jahr keine starken Winterstürme hatten, die den Schlick wegräumen." Eine halbe Stunde nach dem Start müssen die Wattläufer das größte Hindernis bewältigen: Das Sahlenburger Loch ist für den Trecker- und Pferdekutschenverkehr mit Steinen befestigt und eine Tortur für nackte Füße. Wer die Wanderung barfuß machen will, sollte darum für dieses Stück ein Paar alte Turnschuhe mitnehmen, die für den Rest des Weges wieder ausgezogen werden können.

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Jenseits der tiefen Furt schweift der Blick über die weite Wattenmeer-Landschaft. Janke gerät ins Schwärmen, bückt sich nach Muscheln und Austern, nimmt das Fernglas und schaut den Seevögeln nach. Auf halbem Wege passieren die Wattläufer mehrere Masten mit käfigartigen Aufbauten. Es sind Rettungspunkte für unvorsichtige Touristen, die von der Flut überrascht werden. Hier können sie mit Signalleuchten oder Fackeln auf sich aufmerksam machen und so Hilfe von Land holen.

Auf dem festen Sand kommen die Wanderer auf dieser Wegstrecke gut voran, doch muss man noch zwei Rinnen überwinden: das Weser-Elbe-Wattfahrwasser und einen Ausläufer der Eitzenbalje, des Priels, der östlich die Insel Neuwerk umspült. Mit nassen Knien geht's auf den letzten, wieder recht schlickigen Abschnitt. Klaus Janke doziert: Das Schlickwatt sei einer der weltweit produktivsten Lebensräume. Unter der Oberfläche verbirgt sich eine Vielzahl von Wattbewohnern: Würmer, Muscheln und Krebstiere. Dann ist die Insel erreicht. Noch ein paar Meter westwärts den Deich entlang, und die Fußwaschanlage kommt in Sicht.

Knapp 40 Menschen bewohnen die Insel, die in einer Stunde zu Fuß umrundet ist. Sie leben von ihren Gästen, zwei- wie vierbeinigen: Im Sommer grasen Mastrinder, sogenanntes "Pensionsvieh", und Pferde vom Festland auf den satten grünen Weiden, und alljährlich besuchen 120 000 Touristen Hamburgs Außenposten in der Elbmündung. Ein halbes Dutzend Gaststätten bieten ihre Dienste an, das Gastgeberverzeichnis nennt elf Übernachtungsadressen (Strohlager inklusive). Nach der Besteigung des massigen Wehrturms liegt einem das Eiland zu Füßen; der Blick fällt auf die Nachbarinseln Scharhörn und Nigehörn, auf Cuxhaven und einige "dicke Pötte", die gerade die Schifffahrtsstraße von und nach Hamburg passieren. Das Nationalpark-Haus präsentiert die Tier- und Pflanzenwelt des Watts. Für die meisten Wattläufer geht es dann ohne Übernachtung mit dem Schiff "Flipper" in anderthalb Stunden zurück nach Cuxhaven.

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