Palmwag. Nachhaltiges Reisen wird in Namibia immer wichtiger. Die neuen Naturcamps tragen auch dazu bei, die Folgen der Apartheid vergessen zu machen.

Die Sonne hinter den Hügeln der malerischen Royals Felsen ist gerade erst untergegangen, da leuchtet es hinter den Büschen des Etendeka Hills Camp in Namibia schon wieder hell auf. „Warum hat die Taschenlampe vier Beine?“, fragt der Tourguide der Landrover-Reisegruppe in die Runde, die gerade beim Abendessen am Lagerfeuer sitzt. Für einen Moment wirken die Gäste ein wenig verunsichert. Denn tatsächlich kommt das Leuchten hinter der Hecke nicht nur von der Taschenlampe, mit der ein Campmitarbeiter hier nach Raubtieren Ausschau hält. Es sind die Augen einer Hyäne, die sich aus Hunger und Neugier der Gruppe genähert hat.

Um die leicht besorgten Teilnehmer der Reisegruppe zu beruhigen, passen drei Einheimische in dem kleinen Zeltlager auf, dass die wilden Tiere nicht zu nah kommen. „Wenn ich heute Nacht auf die Toilette gehe und vor mir steht ein Löwe, was mache ich dann?“, fragt eine Frau, die zusammen mit ihren Kollegen die Nacht hier oben unter freiem Himmel verbringen wird. „You can scream, but don´t run“, antwortet Boas Musaso, der Betreuer der Reisegruppe – „du kannst schreien, aber nicht laufen.“

Boas Musaso zeigt die Reste eines Orex, dem Nationaltier Namibias.
Boas Musaso zeigt die Reste eines Orex, dem Nationaltier Namibias. © Henrik Jacobs

Was lustig klingt und am Lagerfeuer auch für Gelächter sorgt, ist durchaus ernst gemeint. Musaso arbeitet seit einigen Jahren für die Etendeka Lodge, die Unterkunft am Fuße des Hügels. Er war dabei, als sein Chef 2016 die Idee hatte, das Camp zu erweitern und oben am Berg sechs Schlafplätze aufzustellen und die Übernachtung mit einer Wanderung durch die einzigartige Natur zu verbinden. Hier oben am Hang, von wo aus man in das weite Tal des rötlich leuchtenden Nationalparks blickt, hat Musaso vor vier Jahren auch das erste Mal Löwen in freier Wildbahn gesehen. „Sie waren überrascht und sind dann einfach weggelaufen“, erzählt Musaso.

Im Etendeka Mountain Camp schläft man direkt in der Wildnis.
Im Etendeka Mountain Camp schläft man direkt in der Wildnis. © Etendeka Mountain Camp

Der 35-Jährige kommt aus dem rund eine Stunde entfernten Sesfontein, wo er mit seinen Eltern und seinen elf Geschwistern aufwuchs. Musaso weiß alles über die Tiere, die Natur und die Menschen, die hier in der Region leben. Dass er heute hier als Reiseführer für Touristen aus aller Welt arbeitet, hat auch mit der Vision der Menschen zu tun, das noch immer geteilte Namibia weiter zu einen.

Die Folgen der Apartheid sind noch an vielen Orten von Namibia zu sehen

30 Jahre nach der Apartheid gibt es an vielen Orten im Land noch immer eine klare Trennung zwischen schwarz und weiß. Besonders deutlich wird das in der Hauptstadt Windhoek, in der die meisten Deutsch-Namibier, die hier in dritter Generation aufgewachsen sind, in einem wohlhabenden Viertel wohnen, während die Schwarzen zum großen Teil noch im alten Township von Katatura leben. Die Kaiserstraße in Windhoek erinnert nicht nur wegen des alten Namens an die Zeit der Kolonie Deutsch-Südwestafrika von 1884 bis 1915.

In der Nähe der Küstenstadt Swakopmund können Touristen mit dem Jeep durch die Namib-Wüste fahren.
In der Nähe der Küstenstadt Swakopmund können Touristen mit dem Jeep durch die Namib-Wüste fahren. © Henrik Jacobs

Noch extremer ist das Bild in der Küstenstadt Swakopmund. In der Zeit der deutschen Kolonialisierung wurde hier eine Architektur errichtet, dass an eine bayerische Gemeinde erinnert. Den „Fachwerk Biergarten“ findet man hier an der Hauptstraße im Zentrum genauso wie den „Friseur Gebauer“, die „Swakopmunder Buchhandlung“ oder das neobarocke „Hohenzollernhaus“. Die Straßen und Kirchen haben noch immer deutsche Namen. Und wer abends in eines der Strandlokale geht, befindet sich fast ausschließlich unter Weißen, während man von Schwarzen bedient wird.

Die Sustainability-Bewegung ist in Namibia angekommen

Mehr und mehr nähern sich die Menschen aber an. Und das spürt man vor allem im Tourismus. Die Sustainability-Bewegung ist auch in Namibia angekommen. Vor allem für die Menschen in den ländlichen Regionen ist das eine große Chance. Der Etendeka Nationalpark ist ein gutes Beispiel, wie sich der Tourismus in Namibia an der zunehmenden Nachfrage nach Nachhaltigkeit orientiert und verändert. Die Idee: Die Menschen, die hier leben, werden in den Tourismus eingebunden und geben ihr Wissen an die Reisenden weiter.

Im Etendeka Mountain Camp zeigen einheimische Touristenführer die Schönheit des Landes.
Im Etendeka Mountain Camp zeigen einheimische Touristenführer die Schönheit des Landes. © Etendeka Mountain Camp

Sie verstehen es, die Geschichte ihrer Heimat auf eine ganz eigene Art zu erzählen. Das gilt sowohl für die Tiere, die Natur als auch für die Küche. Der Koch, der hier regionale Lebensmittel zubereitet, präsentiert sie dazu noch mit der traditionellen Klick-Sprache.

Boas Musaso, der die Gruppen durch den Nationalpark führt, kennt dagegen jedes Lebewesen. Auf dem Spaziergang durch den Nationalpark zeigt er Aussichten, die man nicht mehr vergisst. Wer einmal eine Giraffe aus der Ferne beobachtet, wie sie von den Baumspitzen nascht, wird das Bild noch lange in Erinnerung behalten. Auf der rund dreistündigen Wanderung um die Gipfel des Grootbergs kann man die einheimischen Zebras beobachten und lernt, dass die gestreiften Tiere erstaunlich gute Kletterer sind.

Die Touristenführer passen auf, dass die Tiere geschützt leben können

Für den Weg vorbei an den Elefanten und Löwen braucht man dann aber doch wieder den Safari-Wagen. So kommt man den wild lebenden Löwen nah, ohne die Grenzen zu übertreten. So fühlt sich die Löwenherde am Rande eines ausgetrockneten Flussbetts völlig ungestört, als sie soeben eine Giraffe zum Mittag verspeist hat und sich nun im Schatten entspannt. Ein majestätisches Erlebnis. „Wir können die Tiere sehen, aber wir kommen ihn nicht zu nah“, sagt Musaso. Auch wenn die meisten Löwen getrackt sind, um sie gleichzeitig zu schützen, verstehen es die Farmer, den Respekt vor der Natur zu erhalten.

Im Etendeka Nationalpark hat es sich ein Löwe gemütlich gemacht.
Im Etendeka Nationalpark hat es sich ein Löwe gemütlich gemacht. © Henrik Jacobs

Und tatsächlich bewegen sich die Tiere hier völlig frei. Man braucht auch gar nicht in den weltberühmten Etosha-Park zu fahren, um die Big Five zu sehen. Einen einzelnen Elefanten beim Abendspaziergang zu beobachten, könnte kein Ritt auf seinem Rücken ersetzen. Nebenbei lernt man beim Spaziergang mit Musaso, was man mit Elefanten- oder Zebrakot so alles anfangen kann. Eine ganz eigene Erfahrung von Nachhaltigkeit.

„Ich liebe die Tiere“, sagt Musaso, als er am Fuße des Hügels in der Lodge unter dem Solardach sitzt. Die Unterkunft ist eine von vielen in Namibia, die zum einen die Bedürfnisse der Touristen bedient, gleichzeitig aber den Schutz der Natur vorantreibt und nachhaltige Energiekonzepte entwickelt.

Im Ressort der Ongawa Lodge kann man Touren zu Nashörnern begleiten.
Im Ressort der Ongawa Lodge kann man Touren zu Nashörnern begleiten. © Henrik Jacobs

Auch im Okonjima Nature Reserve drei Autostunden südlich der Etosha haben die Besitzer der ehemaligen Rinderfarm eine Unterkunft ins Leben gerufen, in denen die Touristen einerseits in luxuriöse Lodges übernachten, mit ihrem Geld aber gleichzeitig auch ein Schutzprojekt für Leoparden unterstützen. „Naturally Namibia“ heißt der Tourismusverband, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Schönheit der Natur in Namibia erleben zu lassen und gleichzeitig die lokalen Farmer in den Tourismus zu integrieren. Und wenn in den Nationalparks gejagt wird, geht es immer seltener um Trophäen, sondern vielmehr um eine regionale Küche. Oryx, Kudu oder Springbock-Fleisch gehören zu den Delikatessen, die von den einheimischen Gastronomen gegrillt werden.

Nicht alle Orte in Namibia können nachhaltig erreicht werden

Das einzige Manko der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unterkünfte: Ohne einen Geländewagen wird man es nicht schaffen, diese magischen Orte zu besuchen. Während man also in den Nationalparks so gut wie keine Umweltressourcen verbraucht, stoßen die Touristen kräftig CO2 aus, man sie mit dem Landrover auf den engen Naturpfaden durch die Flusstäler und Steppen fahren. Auch die Fahrt mit halbem Reifendruck durch die Dünen von Swakpomund ist ein echtes Abenteuer – und trotzdem fragt man sich: muss das sein?

Für die Menschen in Namibia geht es aber natürlich auch um wirtschaftliche Chancen und Arbeitsplätze. Der Tourismus in der Region wächst seit Jahren konstant. Trotzdem kann es passieren, dass man auf den sandigen Straßen zwischen der Atlantikküste und der Etosha stundenlang ohne Gegenverkehr fährt. Reist man in der Gruppe, sollte man nur ausreichend Abstand zwischen den Autos halten, ansonsten ist es so staubig, dass man vor lauter Sand die Aussicht verpasst.

Eine Seehund-Kolonie an der Atlantikküste von Namibia.
Eine Seehund-Kolonie an der Atlantikküste von Namibia. © Henrik Jacobs

Gleichzeitig ist der fehlende Straßenbelag und der geringe Verkehr auch ein gutes Zeichen dafür, dass der Tourismus noch nicht überlaufen ist. Blöd nur, wenn auf den steinigen Straßen mal wieder der Reifen platzt und man keinen Ersatz dabei hat. Dann kann man mitunter sehr lange warten, bis das nächste Auto kommt.

Bei nur 2,3 Millionen Einwohnern auf 825.000 Quadratmetern ist in Namibia so viel Platz, dass man sich um die Natur nicht sorgen muss. Wer durch den Etendeka Nationalpark wandert, wird auf der Strecke über Stunden nicht einen Menschen treffen. Dafür aber umso mehr Zebras, Giraffen, Affen und Springböcke. Oder auch mal ein Oryx, das Tier im Wappen Namibias.

Nachts aber heulen hier nur die Hyänen. Und wer unter dem freien Sternenhimmel nicht schlafen will, kann mit ganz viel Glück auch mal das Leuchten von Löwenaugen erleben. Dann heißt es wieder: Du kannst schreien, aber nicht weglaufen. Aber das will an diesem einmaligen Ort auch niemand.