Sylt. Das Designhotel 54° Nord in Hörnum auf Sylt punktet mit gemütlichem Ambiente und junger Atmosphäre.

Das ist nun wirklich mal der etwas andere Empfang: ein moderner Schreibtisch mit Laptop, dahinter, auf roter Wand Sylt in dicken Lettern, davor ein junger Mann in halblangen Cargohosen, ein frisch-fröhliches „Moin, moin“. Direkt darunter und daneben: eine gut bestückte Bar und ein Bistro mit dicken Holztischen; zusammen heißen sie Dock 2 und haben sich in wenigen Monaten einen Namen als beliebter Treff in Hörnum gemacht.

Hier aber soll zunächst und vor allem vom Hotel 54° Nord die Rede sein, jenem Haus am Sylter Südkap, das neben Bar und Bistro vor allem eine Geschichte beherbergt. Sie hat viel mit Hamburg zu tun und prägt Hörnum seit über 110 Jahren. Das ehemalige Hapag-Haus nennt sich zwar Designhotel, strahlt aber nicht die funktionale Kälte aus, die sonst recht häufig mit diesem Etikett verbunden ist. Im Gegenteil: Es überrascht und überzeugt mit gelungener Stilmischung, originellen Details und einer zeitgemäßen Gemütlichkeit.

© Bernd Schiller | Bernd Schiller

Die rote Backsteinfassade an der Fußgängerzone, eine Minute vom markanten Leuchtturm oder vom feinsandigen Strand entfernt, lässt nicht unbedingt auf den ersten Blick ahnen, was für ein Kleinod sich dahinter verbirgt. Das Hotel, im August 2013 eröffnet, folgt nämlichauf ebenso originelle wie spannende Weise seiner eigenen Historie. Als um 1900 herum die Seebäderschiffe der Reederei Hapag aus Hamburg, damals Schnelldampfer genannt, in Hörnum anlegten, mussten die Passagiere, allesamt Pioniere im Badetourismus, aus dem Süden ja irgendwie nach Westerland, Kampen und später auch nach List gebracht werden. Eine Straße gab es nicht, auch nicht in den nächsten dreißig Jahren. Also wurde eine Inselbahn gebaut, für die 1901 der Bahnhof in Hörnum entstand. Der Dünen­Express startete gegenüber vom heutigen Hotel 54° Nord, dort, wo jetzt ein Souvenirladen maritime und andere Präsente Erinnerungsstücke anbietet.

Dekorationen machen Lust auf einen Strandspaziergang

Ins Hapag-Haus zogen erst Ree­dereiangestellte ein, im Ersten Weltkrieg erholten sich dort Offiziere vom Fronteinsatz. Später war es schon einmal ein Hotelbetrieb.Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte das Anwesen des Öfteren den Besitzer, beherbergte noch einige Jahre den Hörnumer Treffpunkt Fischreuse, stand dann aber bis zur Übernahme durch die erfolgreichen Sylter Hotelbetreiber Rose & Rose leer. Heute erinnern ein großer Hapag-Schriftzug im Bistro und die Bar, die aus einem Hapag-Lloyd-Container ­geschnitten wurde, an die ersten Jahre des Hauses.

Für Ines Müller aus der Rose­Familie, deren Handschrift der Umbau und die Innengestaltung trägt, war dieses Projekt eine besondere Herausforderung. Die Denkmalschützer verlangten, dass zur Straßenseite hin jedes Fenster und vor allem der Backstein dem historischen Vorbild entsprechen musste. Damit sticht das Gebäude nach wie vor aus dem weißen Einerlei der Hörnumer Häuser heraus. In den großzügig bemessenen Deluxe-Zimmern mit Küchenzeile, die auch als Apartments gebucht werden können, aber auch in den etwas kleineren Zimmern spielt die Innenarchitektin einerseits mit den Grundfarben der Sylter Natur, also erdigen Töne, beige-braun und gelb. Andererseits verbreitet Ines Müller, halb Hamburgerin, halb Sylterin,„aber beides mit ganzen Herzen“ - „beides mit ganzem Herzen“, durch Kontrasttupfer eine fröhliche Urlaubsatmosphäre.

Die Zimmer sind schlicht und in
Die Zimmer sind schlicht und in © Bernd Schiller | Bernd Schiller

Beim Mobiliar herrschen helle Hölzer vor, auch die Fußböden haben eine Art Lodge-Charakter. Kommoden und Hocker wurden im Stil alter Reisekoffer gestaltet, mit Filz, Leder und Metallbeschlägen versehen. Ein paar angenehm-sparsam verteilte maritime Dekorationen – etwa Muscheln oder Donnerkeile in Miniaturvitrinen – ­machen Lust auf den nächsten Strandspaziergang. Ines Müller will zum Sammeln – oder besser gesagt: zum Finden – anstiften.

Alle Sinne kommen in diesem Haus auf ihre Kosten: Ein kleiner Wellnessbereich bietet Entspannung in Sauna, Dampfbad, Wärmekabine oder bei fachgerechter Massage. Auch hier wieder Gegensätze, die sich ergänzen: beigefarbene Liegen aus Rohrgeflecht, kräftige Farben an der Wand. Im Bistro, der sympathischen „Genusswirtschaft“, sorgen eine kleine Karte – zum Beispiel Flammkuchen, Carpaccio, Raclette oder gebackener Schafskäse – und eine vielfältige Weinauswahl für Appetit. Das junge Team serviert diese Köstlichkeiten so locker und gut gelaunt wie den Kaffee zum reichhaltigen Frühstück vom Büfett (aber erst ab 8.30 Uhr). Die Preise unterscheiden sich hier, im tiefen Süden der Insel, angenehm vom hohen Sylter Durchschnittsniveau. Dazu passen die Sprüche, die morgens mit der Wetterprognose und Anregungen für Ausflüge frisch gedruckt auf den Tisch kommen. Dieser etwa: „Es gibt keinen Weg zum Glück. Glücklichsein ist der Weg.“