In seiner Kneipe in Garding versammelt Rainer Martens Musikfreunde aus aller Welt, die hier „für’n Hut“ spielen können.

Was wäre Garding ohne Rainer Martens? Wohl musikalische Einöde. Die nordfriesische Kleinstadt im Herzen Eiderstedts versteht sich gern als der kulturelle Mittelpunkt der Halbinsel. Und das ist sie auch. So beheimatet die Geburtsstadt des Literaturnobelpreisträgers Theodor Mommsen heute den Förderverein für Kunst und Kultur, der für viele künstlerische Aktivitäten der darstellenden und bildenden Kunst in dieser Region verantwortlich ist. Und die Musikkneipe Lütt Matten, deren Betreiber seit 18 Jahren Rainer Martens ist.

1957 wurde Rainer im nahen Kirchspiel Garding geboren. Der gelernte Versicherungskaufmann wurde durch seine frühere Freundin zum Gastwirt. Diese träumte von einer eigenen Pizzeria. Als es endlich soweit war, hängte Rainer seinen Job an den Nagel und war fortan „Tellertaxi“, wie er seine damalige Tätigkeit als Servicekraft bezeichnet. Dies machte ihm so viel Spaß, dass er beschloss, eine eigene Gastwirtschaft zu betreiben, wo er und andere Musiker auftreten konnten. Die Gelegenheit bot sich, als die angestaubte Kneipe Old Garding ihre Pforten schloss. Da griff Rainer zu und machte die kleine Gaststube zum angesagten Treffpunkt für Musikinteressierte. Und schnell hatte der beliebte und humorvolle Wirt auch sein Stammpublikum zusammen. Die Kneipe hat eine intime Atmosphäre, denn der Raum ist klein und niedrig, wobei der lange Tresen viel Platz einnimmt. An der Decke hängen ausgediente Musikinstrumente.

An jedem Sonnabend gibt es nun Livemusik auf der nur sieben Quadratmeter großen Bühne. „Wer meint, er kann, der darf“, ist Rainers Devise. Und so ist der Andrang groß.Die Musiker kommen aus allen Teilen Deutschlands, zuweilen auch aus Europa und noch weiter her. Eintritt wird nicht erhoben, die Musiker spielen „für`n Hut“, der in den Pausen herumgeht. Und viele kommen immer wieder, weil es ihnen einfach Spaß macht, an diesem Ort ihre musikalischen Darbietungen einem Publikum zu präsentieren, das immer gut mitgeht und wo der gut gelaunte Rainer für die richtige Stimmung sorgt. Oft ist der Laden zum Bersten voll und die Luft manchmal zum Schneiden. So etwa, wenn wieder mal ein Gastspiel der „Scheißkapelle“ ansteht. Dahinter verbergen sich sieben hochkarätige Musiker aus der Umgebung, die ein Potpourri an bekannten Songs in allerbester Manier abliefern. Das ist Entertainment vom Feinsten.

Das eigentliche Highlight all dieser Unternehmungen ist aber die im Sommer an acht aufeinanderfolgenden Dienstagen stattfindende Musikantenbörse. Der ebenfalls in Garding lebende bekannte Musiker Knut Kiesewetter war Namensgeber und Mitinitiator dieser äußerst beliebten Veranstaltung, zu der sich gern auch viele Urlauber aus St. Peter-Ording und Umgebung gesellen. Dann wird es in der Engen Straße richtig voll, wenn dort und in der Nebenstraße auf drei Bühnen, die sich auf Anhängern befinden, sieben Bands und Solisten auftreten und ein vielseitiges Programm bieten. Die „Musikantenbörse“ ist so etwas wie ein kleines Reeperbahn-Festival, nur unentgeltlich. Und dann ist die 2700 Seelen zählende Kleinstadt wieder mal für einen Abend der musikalische Nabel der Welt.Am nächsten Morgen ist von all dem nichts mehr zu sehen, alle Spuren sind beseitigt und die bürgerliche Ruhe ist dank der vielen ehrenamtlichen Helfer wiederhergestellt.

Rainer selbst komponiert eingängige Melodien, die man gern mitsingt. Wie etwa sein Schleswig-Holstein-Lied „Zwischen Nordsee und Ostsee“. Vor allem der Refrain wird dann vielstimmig mitgesungen, in dem es heißt: „Twischen Nord-und Ostsee liggt unse Land un wi sünd en Volk mit Hart un Verstand. Vun Süden na Norden un jümmers liekut, Sleswig-Holsteen, hier sünd wi to Huus“. Erst mit 27 Jahren brachte er sich das Gitarrespielen selbst bei, und mit 40 Jahren schrieb er seinen ersten Song. Bis heute hat er drei CDs veröffentlicht, auf denen er hauptsächlich seine Lebenserfahrungen auf Deutsch und Platt besingt. Er selbst bezeichnet sich als „den singenden Kröger von der Küste“ (die Kneipen in Nordfriesland heißen „Krog“, der Kneipier dementsprechend „Kröger“). Als ein bekannter Musikmanager auf ihn aufmerksam wurde und ihn groß raus bringen wollte, lehnte der heimatverbundene Musikwirt dankend ab. Denn dann hätte er ja seinen Hafen und sein geliebtes Gaarn, wie Garding auf plattdeutsch heißt, oft verlassen müssen. Deshalb blieb er lieber seinem heimischen Publikum treu, „denn die Gardinger sind für mich ganz besondere Menschen“, betont er.Neuerdings nimmt er Gesangsunterricht, „um zu wissen, warum ich singen kann“, wie er mit einem Augenzwinkern anmerkt, „denn bisher wusste ich gar nicht, was die Stimmbänder alles so machen und können.“

Den Spruch über dem Eingang seiner Kneipe in Garding nimmt der Gas­tronom sehr persönlich: „Geihst in`n Kroog, waarst klook, geihst drumrum, bliffst dumm“, steht da geschrieben, „und das stimmt, denn nirgendwo erfährst du so viel vom Leben der anderen wie in der Kneipe“, ist Rainer Martens überzeugt.

Immer wieder kreiert er neue Ideen zur Unterhaltung der Gäste, unter denen seit jeher auch viele Touristen sind. Dazu gehört das Weihnachtsliedersingen genauso wie die „Haifischbar“ mit maritimer Ausstattung und „schmutzigen Seemannsliedern“ wie er schmunzelnd sagt. Schnapszahltage und Pilspreis nach Körpergröße gehören auch dazu. Und der am „Herrentag“ (gemeint ist der Feiertag an Christi Himmelfahrt, der sogenannte „Vatertag“), stattfindende „Ei-Renn-Man“ Lauf. Daran dürfen nur Männer teilnehmen, die dann mit einem Schokoladenei auf einem Löffel balancierend 120 m weit durch die Enge Straße laufen müssen. Der Schnellste hat gewonnen. Beim ebenfalls jährlich stattfindenden „MoRathon“ dürfen dann auch Frauen teilnehmen. Dieser ist nach dem wohlbeleibten Koch Mohammed Bouzidi benannt, genannt Mo. Er hat mal im Überschwang behauptet, er würde die 12 km von seiner Arbeitstätte am Strand von Ording bis nach Garding unter einer Stunde laufen. Darauf wurde gewettet, und er schaffte es natürlich nicht. Aber den Teilnehmern machte es so viel Spaß, dass der Lauf nun zu den alljährlichen Veranstaltungen gehört.

Kürzlich hat Rainer aber den heimatlichen Tresen verlassen und ist in fremde Gefilde aufgebrochen. Damit hat er sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt, wenigstens zum Teil. Nach der Devise „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ ist er losgezogen, „um in jedem Bundesland einmal „Moin“ zu sagen“. Dabei ist er gegen Logis und Verpflegung kostenlos aufgetreten. Geschafft hat er es bis zum Bodensee und dabei acht Bundesländer besucht. Dann waren die vier Wochen rum. Im nächsten Jahr will er dann die östlichen Bundesländer aufrollen. Seine Abwesenheit erschien vielen wie eine Ewigkeit. Nun sind alle froh, dass er wieder da ist. Und dass er jetzt seine Gäste mit vielen Geschichten und Anekdoten aus seiner „Wanderzeit“ unterhält. Dabei gibt es, wie immer, viel zu snacken und zu lachen.

Und dann gibt es da noch den Traum, „einmal in Amerika plattdeutsche Lieder zu singen.“ Na, denn man to, aber komm wieder, denn sonst werden die Abende in Garding um einiges dunkler. Und dat geiht gor nich!

www.musik-fuer-garding.de, Mitglieder willkommen, der Jahresbeitrag beträgt 12,78 €