Hamburg. Bis auf einige Ausnahmen liegen die Schiffe ohne Gäste vor Anker oder in Häfen. Eine Reederei hat Abfahrten bis Ende Juni abgesagt.

Durch die Coronakrise ist das Reisen weltweit fast vollständig zum Erliegen gekommen. Hotels sind geschlossen, Flugzeuge bleiben am Boden, Häfen wurden gesperrt, viele Grenzen dürfen nicht mehr übertreten werden. Deutschland hat, zunächst gültig bis zum 30. April, eine weltweite Reisewarnung herausgegeben, sodass Kunden immerhin einen Anspruch haben, gebuchte Urlaube in diesem Zeitraum kostenlos zu stornieren.

Tui beantragt 1,8-Milliarden-Kredit

Das alles stellt die Branche vor extreme finanzielle Probleme: Schon Tui allein beantragte 1,8 Milliarden Euro als Überbrückungskredit vom Staat, um die Liquidität zu sichern, viele Reisebüros und Spezialanbieter kämpfen um die Existenz. Sie hoffen auf möglichst viele Umbuchungen statt Stornierungen – doch wer kann schon garantieren, dass die geänderten Daten dann wirklich wie geplant funktionieren?

„Ein Schiff wird kommen …“ Was einst Lale Andersen gesungen hat, stimmt so auch nicht mehr. Vom Coronavirus hart getroffen wurde nämlich ebenso die Kreuzfahrt-Branche. Hatten Reedereien zunächst noch gehofft, dass sich SARS-CoV2 wie das erste SARS-Virus im Jahr 2003 weitgehend auf Südostasien begrenzen ließe, weitete sich die Epidemie binnen weniger Wochen zur Pandemie aus und machte auch vor der Schifffahrt nicht Halt.

Aida bislang ohne Covid-19-Fälle

Nachdem ein am 25. Januar von Bord gegangener Passagier der „Diamond Princess“ positiv auf Covid-19 getestet worden war, hatten japanische Behörden 3711 Urlauber und die Crew auf dem Schiff unter Quarantäne gestellt. Doch das half nichts, im Gegenteil: Mehr als 700 Menschen wurden nach und nach infiziert, acht starben daran.

Weil im Februar und März auf einigen weiteren Schiffen Erkrankungen entdeckt wurden, verweigerten in den Zielgebieten immer mehr Häfen Kreuzfahrern den Landgang. Auch Aida-Passagiere mussten mehrfach zittern, jedoch erhärtete sich keiner der Verdachtsfälle, sodass die Reederei offiziellen Angaben zufolge bislang ohne Covid-19-Fälle blieb.

Nur mit großen Mühen und teilweise nach längeren Irrfahrten konnten Reedereien ihre Gäste von Bord holen und nach Hause bringen. Anschließend sagten alle Anbieter neue Reisen ab – viele zunächst bis Ende April, die ersten nun bereits bis Ende Mai (MSC) oder sogar Ende Juni (Viking).

Kreuzfahrtschiffe weltweit verteilt vor Anker

Doch was ist eigentlich mit den leeren Schiffen passiert? Dieser Frage hat sich der Kreuzfahrt-Experte Franz Neumeier auf seinem Blog cruisetricks.de gewidmet. Und dabei einige erstaunliche Beobachtungen gemacht: „Längst nicht alle haben Platz in Häfen gefunden. Einige wenige sind noch unterwegs, aber die meisten liegen weltweit verteilt vor Anker.“

Ein Hotspot seien dabei die Bahamas. Auf einem Foto, das ein Offizier von Royal Caribbean mit der Drohne aufgenommen hat und das Neumeier in seinem Beitrag präsentiert, sind gleich sieben Kreuzfahrtriesen zu sehen, die vor Freeport auf Reede liegen. Am Dienstag waren diese über das Automatic Identification System (AIS) zwar nicht mehr zu finden, doch immerhin fünf Schiffe von Princess Cruises und die „Scarlet Lady“ ließen sich auf einer Parkposition zwischen Grand Bahama und Bimini identifizieren. Etwas weiter östlich befanden sich zu diesem Zeitpunkt dicht an dicht vier Schiffe der Holland America Line und die „Celebrity Reflection“.

Einige Kapitäne bauen in die Wegstrecke Muster ein

So, wie man als Privatperson Flugzeuge mit Apps wie Flightradar tracken kann, lässt sich auch jedes Schiff, das auf den Weltmeeren unterwegs ist, elektronisch aufspüren. Dabei helfen Websites wie MarineTraffic.com. Da auch die zurückgelegten Strecken angezeigt werden können, machen sich manche Kapitäne einen Spaß daraus, in die Wegstrecke ein Muster einzubauen. So zeichnete die „Seabourn Encore“ vor dem australischen Freemantle ein Herz in den Kurs, die „Discovery 2“ der Tui-Tochter Marella Cruises versuchte sich vor Jamaika erfolgreich am eigenen Firmen-Logo. Und die „AidaBlu“ kurvte südlich von Kreta solange hin und her, bis „wewillbeback“ (wir kommen zurück) zu lesen war.

Einige der weltweit gut 300 Kreuzfahrtschiffe sind zurzeit - ohne Passagiere und mit verkleinerter Crew - unterwegs zu neuen Positionen, die den Reedereien für die Zwischenzeit bis zum Neustart sinnvoll erscheinen. Wann und wie der tatsächlich erfolgt, hängt nun von dem weiteren Verlauf der Corona-Pandemie und den Entscheidungen der Politik ab.

TuiCruises zum Beispiel verlegt die Flotte momentan komplett nach Europa: „Mein Schiff 1 und 2“ sind auf dem Weg von der Karibik zu den Kanaren, wo bereits zwei Schwesterschiffe warten. „Mein Schiff 5 und 6“ steuern vom Indischen Ozean kommend das Mittelmeer an, und „Mein Schiff 4“ ist offenbar auf dem Weg nach Bremerhaven. Phoenix Reisen holt gleich die gesamte Flotte zurück nach Deutschland, bis Mitte April sollen alle Schiffe in Hamburg oder Bremerhaven sein.

Wann werden Kreuzfahrtschiffe wieder starten?

Die Unsicherheit bleibt: „Derzeit können wir noch keine Aussage über mögliche Fahrplanänderungen treffen, die in weiterer Zukunft liegen. Selbstverständlich informieren wir Sie bei allen Änderungen immer automatisch. Bitte sehen Sie daher von Rückfragen ab“, schreibt TuiCruises auf seiner Website. Ans Kundentelefon geht keiner mehr. Bei Aida heißt es: „Alle gebuchten Reisen mit Abfahrt im Zeitraum 1. Mai bis einschließlich 30. Juni können bis drei Tage vor Abreise gebührenfrei umgebucht werden.“

Wie soll es nun weitergehen? Wenn alles glatt läuft, will Hapag-Lloyd schon am 9. Mai mit der „Europa“ von Hamburg aus wieder in See stechen, vier Tage später soll in der Hansestadt auch die „Europa 2“ starten. Rund um diese Daten war ursprünglich der große Hafengeburtstag inklusive Schiffsparade geplant. Doch beides fällt jetzt aus, wie so vieles.