Philadelphia. Partnerland der Reisemesse: Philadelphia und seine Countryside sind die Wiege der USA – ein Reisebericht in sieben Begegnungen.

Wenn meine amerikanischen Freunde über historische Orte hier reden, dann muss ich immer ein wenig lachen“, sagt der Shuttlefahrer auf dem Weg nach King of Prussia. Ibrahim Tahawy ist sein Name. Und er fährt fort: „Ich komme aus Ägypten, wir haben Geschichte.“ Aber kann man den Wert von Geschichte wirklich in Jahrhunderten messen? Eine jahrtausendealte Geschichte ist zweifellos beeindruckend. Aber spannend kann auch eine Vergangenheit von lediglich ein paar Jahrzehnten sein – wenn die Worte, mit denen sie erzählt wird, brennen.

Dies ist die Geschichte von Joshua, Donna, Nathan, Katie, Anthony, Blake und Carrie. Die Geschichte von sieben Amerikanerinnen und Amerikanern mit Leidenschaft für die Historie. Dies ist die Geschichte von Philadelphia, dem Geburtsort der USA, von einer Region mit vielen besonderen historischen Orten einer jungen Nation.

Philadelphia ist stolz auf seine Geschichte – und beschützt sie. Das wird bereits kurz nach der Ankunft beim ersten Schlendern durch die Straßen deutlich. Endlich eine Stadt in der Neuen Welt, die stolz darauf ist, alt zu sein. An jeder zweiten Ecke weisen Schilder auf markante Orte und ihre historische Bedeutung hin.

Philadelphia ist eine Stadt für Fußgänger. Im historischen Süden der Innenstadt gibt es wunderschöne alte Häuser und schmale Gassen mit Kopfsteinpflaster, die für heutige amerikanische Autos viel zu eng sind. In den Vierteln rund um den Rittenhouse Square und um den Washington Square reiht sich ein tolles Restaurant, ein netter Pub, ein kleiner Laden an den nächsten.

Philadelphia ist in vielen Dingen mit Hamburg vergleichbar: ähnliche Einwohnerzahl, die Lage am großen Fluss, der große Hafen. Und nicht zuletzt die Freiheitsliebe seiner Bürgerinnen und Bürger. Die Begeisterung der Menschen für die Stadt und ihre Geschichte.

Joshua und die riesigen Liebesbriefe von Philadelphia

Joshua (Josh) Silver führt Besucher durch Philadelphia und erzählt begeistert von der Geschichte der Stadt.
Joshua (Josh) Silver führt Besucher durch Philadelphia und erzählt begeistert von der Geschichte der Stadt. © Berndt Roettger

„Hi, I’m Josh“, sagt der Mann mit rotem Baseball-Cap und abgenutztem roten T-Shirt. Sein Lachen ist so breit, als wolle er einen Zahnarzt vom besten Zustand seiner Beißwerkzeuge überzeugen. Joshua Silver ist Historiker und Fremdenführer. „Phillys History in HD“ heißt seine Tour an diesem Morgen. Mit mir begrüßt er noch einen Vater mit seinem Sohn aus New York. Dann geht’s los.

„Philly“, wie die Stadt von ihren Einwohnern gern liebevoll abgekürzt wird, „bietet mehr Geschichte als jede andere Stadt der USA“, sagt Josh und wendet sich mit einem Lächeln seinem Besucher aus Deutschland zu: „Natürlich kann das nicht mit eurer Geschichte mithalten. Aber wir sind stolz darauf.“ 1681 wurde die Stadt von William Penn gegründet. 1683 kamen die ersten 13 deutschen Siedler aus Krefeld und gründeten den Vorort Germantown. Der Stadtteil heißt noch heute so.

In Philadelphia wurde am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung beschlossen und verkündet und 1787 auch die Verfassung der USA. Philadelphia war nach New York die zweite Hauptstadt und lange die größte Stadt der USA. Im Umkreis weniger Häuserblocks zeigt uns Josh eine ganze Reihe historischer Orte: die 1891 eröffnete Börse, die übrigens nach dem Vorbild der Hamburger Handelskammer ins Leben gerufen wurde. Die Carpenter Hall, in der sich 1774 der erste Continental Congress traf, zu Beginn des Freiheitskampfes der damaligen britischen Kolonien.

Das Gebäude gehört noch heute der Handwerkergilde und war Jahrzehnte im Hinterhof eines Häuserblocks verborgen. „Erst in den 1970er-Jahren wurden die Häuser drum herum abgerissen und dieser historische Ort wurde wieder sichtbar“, sagt Josh. Natürlich besuchen wir auch die Liberty Bell und die Independence Hall – die Ikonen des Unabhängigkeitskampfes – sowie das Grab von Benjamin Franklin und Elfreth’s Alley, die älteste bewohnte Straße der USA.

Zum Abschluss hat Josh für seine drei Teilnehmer noch ein besonderes Highlight: das kleine Flaggengeschäft Humphrys Flag Company. An der Wand des dunklen Ladens hängt eine ungewöhnliche alte Flagge. Ursprünglich trug sie den Kreis mit den 13 Sternen der Gründerstaaten. Der Besitzer aber fügte mit jedem hinzugekommenen Bundesstaat neue Sterne hinzu, sie sind auf dem blauen Rechteck wild verteilt. Geschichte kann so lebendig sein.

Am nächsten Morgen eine weitere Tour durch die Stadt. Ganz anderes Programm. Heute geht es um die Straßenkunst von Philadelphia. Der Guide spricht gerade noch mit den anderen acht Teilnehmern (übrigens alle aus Philadelphia), als ich eintreffe. Dann dreht er sich zu mir um. Es ist – wieder Josh! „Philadelphia ist die Welthauptstadt der Wandmalereien“, erklärt er. Irgendwie wird ja hier in diesem großen Land alles mit einem Superlativ versehen. 3600 Wandgemälde schmücken die Stadt.

Diese Tour zu den Graffiti der Stadt steht unter dem Motto „Love Letter“. Der Künstler Steve Powers schuf vor zehn Jahren eine Serie von 50 Wandgemälden, die mit der Geschichte der Stadt und der auf die Wände gemalten Werbung spielt. Die Wandgemälde befinden sich entlang der U-Bahn-Hochbahnstrecke „Market-Frankford“. Josh gibt ausführliche Informationen, Instruktionen und einen Plan, auf dem die Abfolge der Bilder aufgezeichnet ist.

Dann geht es in der U-Bahn-Station am Rathaus los. Sobald der Zug aus dem Tunnel auf das Viadukt gefahren ist, gerät Josh in Ekstase und ruft abwechselnd laut durch den Waggon: „Schaut nach links!“ „Schaut nach rechts unten!“ Eine der Teilnehmerinnen sagt zwischendurch: „Hier bin ich schon 1000-mal langgefahren – aber das habe ich noch nie gesehen!“

Josh kann zu jedem der Wandgemälde eine kleine Anekdote erzählen. Und an die Fahrgäste, die nicht zur Gruppe gehören, sagt er zwischendurch immer mit breitem Lächeln: „Bitte entschuldigen Sie die Störung.“ Herrlich!

Mit mehren Stopps zur ausführlichen Erläuterung fahren wir 40 Blocks aus der Stadt heraus. Am Ende werden wir auch noch mit einem wunderbaren Panorama auf die City belohnt. „Das ist der schönste Blick auf Philadelphia!“, beschwört Josh. Und seine Mitbewohner stimmen ihm zu. Was will ich mehr?

Nach der Love-Letter-Tour wandere ich durch die Viertel südlich der Innenstadt. Wunderbar, diese alten Häuser und die kleinen Straßen. Und: Ich treffe Josh ein drittes Mal – zufällig auf der Straße. Wir gehen ein Stück zusammen und gleich ist er wieder in seinem Element: „Schau dort drüben: Das Wandgemälde dort wurde einst für ein Kosmetikstudio gemalt.“ Und: „Wenn du noch drei Blocks weitergehst, dann kommst du ins italienische Viertel. Dort gibt es ganz viel Historisches zu sehen.“ Der Markt, alte Restaurants … Josh ist ein herrlicher Geschichtenerzähler – und er ist froh über jeden Besucher, der für mehr Dinge in die Stadt kommt als die „Rocky Steps“ - jene Steinstufen des Philadelphia Museum of Art, die Sylvester Stallone als junger Boxer Rocky im ersten Teil der Kinosaga emporjoggte.

Donna und das älteste Casino der amerikanischen Ostküste

Donna Bell, Managerin im Resorts Hotel + Casino, vor dem ersten  legalen Spielautomaten  in Atlantic City.
Donna Bell, Managerin im Resorts Hotel + Casino, vor dem ersten legalen Spielautomaten in Atlantic City.

Donna Bell hat mich mit Atlantic City versöhnt. Eigentlich wollte ich einen Bogen machen um das Las Vegas der Ostküste. Aber hier findet man einfach alles: gute Hotels, Restaurants, Strand und auch spannende Geschichte.

Als Kind stand Donna Bell 1978 bei der Eröffnung des ersten Casinos in Atlantic City in der langen Schlange, um die neue Attraktion zu sehen. Als ihr Vater irgendwann an einem der einarmigen Banditen spielte, steckte sie heimlich auch einige Münzen in einen Automaten. Sie gewann – aber es gab einen Riesenärger. Heute ist Donna Managerin in eben jenem Casino – dem Resorts Casino.

Über das Haus, das im Jahr 1869 unter dem Namen The Chalfonte House als erstes Hotel des Ortes erbaut wurde, kann sie Geschichten erzählen – ohne Ende. Das Hotel wurde im Zweiten Weltkrieg vom Militär übernommen und als Krankenhaus genutzt. Die Wände zwischen den Zimmern wurden herausgerissen, stattdessen wurden Vorhänge eingezogen. Das macht sich bis heute im Altbau an großen Zimmern und kleinen Bädern bemerkbar.

Als Donna dann im Casino als junge Frau in ihrem ersten Job anfing, arbeitete sie im hoteleigenen „Busbahnhof“: 200 Busse kamen damals aus allen möglichen Teilen der USA hier an. „Und alle berühmten Musiker traten bei uns auf“, erinnert sich Donna.

Wo wir schon bei den Anfängen von Atlantic City sind: Da lohnt sich ein Abendessen bei „Knife & Fork“, dem ältesten Restaurant der Stadt.

Das Restaurant wurde 1912 als Herrenclub mit der ersten Bar der Stadt gegründet. Bei Neubauten wurden erst vor ein paar Jahren geheime Tunnel bis zum Strand entdeckt – für die illegale Alkoholversorgung der Bar.

Nathan und die größte Orgel der Welt

Nathan L. Bryson ist Kurator der größten Orgel der Welt in der Boardwalk Hall in Atlantic City.  Fotos: Berndt Röttger
Nathan L. Bryson ist Kurator der größten Orgel der Welt in der Boardwalk Hall in Atlantic City. Fotos: Berndt Röttger © Berndt Roettger

Nathan L. Bryson zeigt eine völlig andere Seite von Atlantic City: Nathan ist Kurator der größten Orgel der Welt und führt Besuchergruppen durch seine Welt der mehr als 33.000 Pfeifen. Die Tour mit Nathan ist ein Muss und ein wirklich beeindruckendes Erlebnis – insbesondere, wenn er dann auf der Bühne der 14.000 Menschen fassenden, riesigen Boardwalk Hall nur für eine Handvoll begeisterter Besucher spielt.

„Diese Orgel ist einzigartig“, sagt Nathan, während wir über schmale Leitern zwischen den bis zu vier Stockwerke hohen Pfeifen hinaufsteigen. Und immer wieder weiß Nathan Geschichten zu erzählen: „Diese riesige Orgel hat ihre Existenz eigentlich nur einem kleinen Trick des orgelbegeisterten Planers der Halle zu verdanken. Er überzeugte die Stadt 1928 davon, dass es doch viel günstiger sei, einmal etwas mehr Geld auszugeben, als dauerhaft ein riesiges Orchester zu beschäftigen. Eigentlich war die Orgel damals für Theateraufführungen und Stummfilme gedacht.“

Die Orgel wiegt 150 Tonnen. Die Pfeifen sind nicht nur vorn neben der Bühne angebracht, sondern auch seitlich weiter hinten. „Das ist vielleicht die älteste Surround-Anlage der Welt“, schwärmt Nathan. Durch einen Hurrikan im Jahr 1944 wurde vieles zerstört. Mittlerweile ist etwa die Hälfte der Pfeifen wieder bespielbar. Nathan, ein angestellter Kollege und einige Freiwillige arbeiten daran, dass die Orgel irgendwann wieder in vollem Umfang erklingen kann. Wobei: Auch die Hälfte ist schon ein Erlebnis.

Anthony und ein Vermieter namens Donald Trump

Anthony Catanoso betreibt den Steel Peer, der rund 300 Meter in den Atlantik hineinragt.
Anthony Catanoso betreibt den Steel Peer, der rund 300 Meter in den Atlantik hineinragt. © Berndt Roettger

Anthony Catanoso hat große Pläne für die Zukunft. Aber wenn er über die Geschichte seines ursprünglich 1889 errichteten Steel Piers spricht, dann leuchten seine Augen. Der Pier vor dem Hard Rock Casino ragt rund 300 Meter in den Atlantik hinein. Wenn Catanoso auf die historischen Bilder des Piers schaut, gerät er richtig ins Schwärmen. „Der war gut 300 Meter länger“, sagt er. Und er war eine Sensation: Er war der bekannteste Vergnügungspark der USA. Es gab vier Theater mit 12.000 Plätzen. Ein Weltrekord im Pfahlsitzen wurde hier aufgestellt, und als Attraktion sprangen Pferd und Reiter von einem Turm ins Wasser – bis Tierschützer protestierten.

„Donald Trump war fast zehn Jahre mein Vermieter. Ich hätte noch am Tag der Wahl 1000:1 darauf gewettet, dass er niemals Präsident wird“, sagt Catanoso. „Er mochte meine Brüder und mich, hat uns ein paarmal vor einer Kündigung des Mietvertrages durch den Manager des Casinos geschützt – aber du wusstest bei ihm nie, woran du bist.“ 2011 kauften die Catanoso-Brüder Trump den Pier ab.

Auf dem Pier gibt es ein Riesenrad, einige Karussells – ein kleiner Jahrmarkt auf dem Atlantik. Bis zum nächsten Frühjahr soll eine 50 Meter hohe Achterbahn auf dem Pier entstehen. „Irgendwann möchte ich den Pier wieder verlängern – mir gehört der Grund noch 450 Meter in den Atlantik hinein. Da könnte man wieder einen überdachten Pier bauen – und dann einen Stopp für Kreuzfahrtschiffe anbieten“, sagt Catanoso.

Im Hard Rock Casino, direkt gegenüber dem Steel Pier, so könnte man meinen, es drehe sich alles nur ums Spielen. Die Flut der Spielautomaten und -tische ist riesig. Aber wo immer man hinschaut, begegnet man in Casino und Hotel
Musikgeschichte. Das Casino hat mehr Ausstellungsstücke, als jedes Hard Rock Cafe auf der Welt. Highlight sind der silberne Rolls Royce von Elvis Presley und Bühnenkostüme der Beatles in der Hotellobby. Jedes Restaurant im 2000-Betten-Hotel hat eine Bühne für Live-Auftritte. Im größten Saal mit 5000 Plätzen traten Stars wie Frank Sinatra und Elvis Presley regelmäßig auf.

Wer genau hinschaut, der findet vor den Fahrstühlen ein paar Kostüme, die auf den ungewöhnlichsten Teil der Historie hinweisen – auf die heutigen Besitzer der Hard-Rock-Kette. Die auf der ganzen Welt verteilten Cafés und Hotels gehören seit 2006 dem Seminole-Indianerstamm. Die Seminolen sind laut eigener Aussage der einzige Stamm, der sich nie offiziell den US-Truppen unterworfen hat. Die Indianer zogen sich damals in das unwegsame Gebiet der Sümpfe Floridas zurück – und lebten über viele Jahrzehnte völlig unbehelligt und abgeschieden. Irgendwann eröffneten sie das erste Casino Floridas.

Blake McGready und der König von Preußen

Blake McGready  ist Historiker und Tourguide im Valley Forge National Historic Park. Hier überwinterte die Armee George Washingtons 1777/78.
Blake McGready ist Historiker und Tourguide im Valley Forge National Historic Park. Hier überwinterte die Armee George Washingtons 1777/78. © Berndt Roettger

„Es gibt so viele Irrtümer, mit denen die Menschen hier nach Valley Forge kommen“, sagt Blake McGready. Der Historiker und Tour-Guide arbeitet sowohl im Museum der Amerikanischen Revolution in Philadelphia, als auch im etwa 30 Minuten entfernten Forge Valley National Historic Park. „Die Leute kennen den Namen und meinen, hier habe eine bedeutende Schlacht des Unabhängigkeitskrieges stattgefunden“, sagt Blake.

Aber das stimmt nicht. Valley Forge war nur eines der Lager, in denen die Armee George Washingtons überwintert hat. „Aber es war das mit Abstand wichtigste – und entscheidend für die Unabhängigkeit Amerikas“, sagt Blake. In keiner der Schlachten dieses von 1775 bis 1783 dauernden Krieges gegen die englische Kolonialmacht starben so viele Soldaten wie in diesem Lager im Winter 1777/78. Blake McGready: „Dabei war der Winter sogar eher mild.“

Begeistert führt Blake durch den 14 Quadratkilometer großen Park und erklärt, warum diese wunderschöne, hügelige Landschaft nicht nur für Erholungsuchende heute, sondern auch damals in militärischer Hinsicht für Washington ideal war. Etwa 1500 Hütten, in denen jeweils zwölf Menschen lebten, bauten die Soldaten hier auf. Für jede dieser Hütten mussten 80 Bäume gefällt werden. Entsprechend unbewaldet waren die Hügel damals.

Im Park sind eine ganze Reihe von Hütten nachgebaut worden – und man kann sich einen Eindruck davon verschaffen, wie die Soldaten hier gelebt haben. Direkt am Eingang des Parks stehen die Hütten der Muhlenberg-Brigade. Peter Muhlenberg und seine Männer kamen damals aus dem niedersächsischen Einbeck nach Philadelphia.

Im Winter 1777/78 passierte hier etwas Besonderes: Der ehemalige preußische Offizier Baron Friedrich Wilhelm von Steuben stieß zur Armee. Der Arbeit suchende Offizier hatte beim Botschafter der amerikanischen Kolonien in Paris, Benjamin Franklin, seine Dienste angeboten. Eigentlich hatte Franklin kein Interesse an dem Mann. Es gab seiner Meinung nach bereits zu viele ausländische Soldaten in der Continental Army.

Doch die Franzosen überzeugten ihn davon, Steuben zu George Washington zu schicken. Steuben schaffte es im Wintercamp im Valley Forge, aus dem bunt zusammengewürfelten Haufen eine gemeinsam kämpfende Armee zu formen. Er sprach mit den Soldaten, hörte ihnen zu, packte mit an und schuf ein Reglement, das bis heute in Grundzügen die US-Armee prägt.

Während George Washington die vorigen Schlachten verloren hatte, gingen nach diesem Winter die Siege vor allem an ihn und seine Armee. Oberhalb des früheren Exerzierplatzes, auf dem die Soldaten ausgebildet wurden, steht heute eine Statue, die an Baron von Steuben erinnert. „Fällt ihnen etwas auf?“ fragt Blake. Und man sieht: Er freut sich diebisch über dieses kleine Detail, das er gleich verraten will.

„Die Statue wurde im Ersten Weltkrieg errichtet“, entgegne ich. Blake freut sich: „Genau! Damals waren die Deutschen in den USA nicht gerade beliebt. Deshalb hatte die Gemeinde in Philadelphia die Idee, mit der Statue daran zu erinnern, was Deutsche für die Nation geleistet haben.“

Eine andere Statue zeigt General Anthony Wayne. Auf seinem Pferd sitzend blickt er in die Richtung seines in der Nähe liegenden Hauses. Ich scherze: „Ist das der Urgroßvater von John Wayne?“ Und Blake entgegnet: „Fast!“ Der General, der auch „der verrückte Anthony“ genannt wurde, war ein echter Haudegen, und der Schauspieler John Wayne (der hieß eigentlich Marion Robert Morrison) wollte sich als Künstlernamen Anthony Wayne zulegen. Doch dem Filmstudio klang das zu italienisch – so wurde aus Anthony Wayne schließlich John Wayne. „Er war also eine Art Urgroßvater im Geiste“, lacht Blake.

Mit einem kleinen Irrtum möchte Blake am Ende noch aufräumen: „Viele Menschen glauben, die Stadt, in der der Eingang zum Nationalpark liegt, sei nach Baron von Steuben benannt worden.“ Die Stadt trägt den Namen „King of Prussia“ – König von Preußen. „Aber die Wahrheit ist viel trivialer“, sagt Blake. „Es gab hier einen Wirt, der hatte seinen Pub so benannt, weil er hoffte, so die vielen deutschen Siedler in die Kneipe zu locken.“ Nach dem Pub also wurde die Stadt, in der heute auch die größte Shopping Mall der USA liegt, benannt.

Carrie und die Vögel von John James Audubon

Carrie Barron ist Managerin des John James Audubon Center. Hier mit dem Virginia-Uhu „Oden“.
Carrie Barron ist Managerin des John James Audubon Center. Hier mit dem Virginia-Uhu „Oden“. © Berndt Röttger | Berndt Roettger

Carrie Barron liebt Vögel. Vor allem ihre Eulen. Und Carrie liebt John James Audubon. Der amerikanische Ornithologe und Zeichner steht in den USA für die Entdeckung der Vogelwelt des Kontinents und bis heute für den Schutz der Vögel. Carrie ist Education Managerin des Audubon Center in Pennsylvania.

Das 2019 deutlich modernisierte und vergrößerte John James Audubon Center ist eine wunderbare Mischung aus Kunstausstellung, Vogelschau und historischem Museum. John James Audubon kam 1803 in die Countryside von Philadelphia. Sein Vater kaufte die 1762 gebaute Farm und ließ seinen gerade
18 Jahre alten Sohn hier in Amerika zurück, damit er einerseits vor den politischen Unruhen in Frankreich sicher sei und sich andererseits um den Betrieb der Farm kümmere. Doch John James beobachtete lieber die Vögel am Fluss, reiste durchs Land und begann zu zeichnen. Er zeichnete die Vogelwelt Amerikas in Lebensgröße. Die Kupferstiche wurden koloriert und im ganzen Land verkauft. Carrie Barron bringt heute den kleinen und großen Besuchern des Museums die Vogelwelt näher, zeigt die Kunstwerke Audubons und erzählt die Geschichte des Künstlers und seiner alten Farm.

Katie und die faszinierende Welt des Wharton Esherick

Katie Wynne im Wharton Esherick Museum vor einem der raffinierten Schränke des Künstlers.
Katie Wynne im Wharton Esherick Museum vor einem der raffinierten Schränke des Künstlers. © Berndt Röttger | Berndt Roettger

Was für ein Haus! Das frühere Studio und Wohnhaus des Bildhauers Wharton Esherick ist klein – aber ein großartiges Erlebnis. Der 1887 geborene Künstler, der vor allem mit Holz arbeitete, hat hier alles selbst gebaut und in jedes kleine Detail viel Liebe und Fantasie gesteckt. Heute ist es ein kleines Museum.

Katie Wynne kennt hier jedes Detail, und beim Rundgang kommt sie aus dem Schwärmen gar nicht heraus. Das beginnt mit den geschwungenen Holztreppen samt an der Decke befestigten, geschwungenen Handläufen, die man schon eher als Handschmeichler bezeichnen kann. Die Museumsmitarbeiterin erzählt die ganze Geschichte dieses von Frank Lloyd Wright und Rudolf Steiner inspirierten Künstlers.

Die hölzernen Lampen lassen sich in den Raum schwingen, die Schränke haben keine sichtbaren Griffe. In dem kleinen Haus in Paoli hat sich Esherick einen eigenen, zwei Stockwerke hohen Skulpturengarten gebaut. Seine Werke stehen unter anderem im Philadelphia Museum of Art und im Metropolitan Museum in New York. Das etwa 30 Autominuten von Philadelphia entfernte ehemalige Wohnhaus und Studio ist ein kleines, im Wald verstecktes Juwel.

Die Woche in Philadelphia, der Contry­side und Atlantic City geht zu Ende. Aber die Begegnungen mit diesen sieben Amerikanerinnen und Amerikanern und ihre Leidenschaft bleiben unvergessen. Auf dem Weg zum Flughafen treffe ich im Shuttle noch einmal Ibrahim Tahawy – den Fahrer, der mich vor ein paar Tagen abgeholt hatte. Nach dem üblichen „How are you?“, fragt er, wie es mir gefallen habe. Ich erzähle ihm von meinen Begegnungen mit Josh, Blake, Carrie, Katie, Donna, Anthony und Nathan. „Das ist großartig!“, sagt Ibrahim, als wir am Flughafen ankommen.

Philadelphia: Das muss man wissen

Philadelphia hat etwa 1,6 Mil­lionen Einwohner und ist in der Geschichte der USA eine der bedeutendsten Städte.

Anreise: Philadelphia wird von diversen Fluglinien aus Europa angeflogen. Schnellste Variante aus Hamburg ist mit Lufthansa über Frankfurt.

Führungen: Die erwähnten Stadtführungen kosten zwischen 23 und 39 Dollar. Infos unter: muralarts.org + phillytourhub.com Museen: Das Museum of the American Revolution (amrevmuseum.org, 3rd Shestnut St.) ist für Geschichtsinteressierte ebenso ein Muss wie das Unesco-Weltkulturerbe Independence Hall (nps.gov/inde, 520 Chestnut Street, Eintritt frei, nur mit Reservierung und Tour). Pennsylvania Academy of the fine arts (pafa.org, 118 North Broad St.) ist das älteste Kunstmuseum der USA.

Essen: Philadelphia bietet reichlich interessante und gute Restaurants und Pubs. Ein gemütlicher Pub mit guter Küche etwa ist The Dandelion (thedandelionpub.com, 124 S, 18th St.). Ausgezeichneten Fisch und Meeresfrüchte gibt es im Vernicks (vernickfish.com, 1876 Arch St.). Rund um den Ritten­house Square gibt es eine Reihe guter Restaurants: etwa die Brasserie Parc (parc-restaurant.com).

Die Countryside von Philadelphia bietet in nur 30 bis 45 Minuten Entfernung viele interessante Ausflugsmöglichkeiten:

Valley Forge National Historic Park: historische Informationen über die Geschichte des Winterlagers und Erholungsmöglichkeiten. Ort: King of Prussia, nps.gov/vafo Longwood Gardens: Einer der größten botanischen Gärten der USA auf dem früheren Anwesen des Industriellen Piere S. du Pont (Dupont Chemie), Brandywine Valley: www.longwoodgardens.org Brandywine River Museum of Art zeigt – eingebettet in einen großen Park – Werke dreier Generationen der Künstlerfamilie rund um Andrew Wyeth. Ort: Chadds Ford, brandywine.org

John James Audubon Center: alles Rund um die Vogelwelt und den Künstler. Ort: Audubon, johnjames.audubon.org Wharton Esherick Museum im Studio des Künstlers. Ort: Malvern, whartonesherickmuseum.org

Atlantic City liegt nur eine Stunde von Philadelphia entfernt: Boardwalk Hall: Orgel-Führung des Kurators jeden Mittwoch, 10 Uhr (Infos: boardwalkorgans.org)

Casinos: Neun Casinos gibt es in der Stadt. Das Resorts ist das älteste (resortsac.com), Ocean das neueste (theoceanac.com) und das Hard Rock (hardrockhotelatlanticcity.com) das musikalischste.

Die Reise wurde unterstützt vom Philadelphia Convention & Visitors Bureau.