Neben der Kreuzfahrt sind Wohnmobile der große Reisetrend. Statt mit dem Schiff haben wir deshalb mal im Camper eine Route erkundet – und dabei selbst den Kurs bestimmt

    Schon komisch ohne Schiff. Rund 80 Tage im Jahr bin ich auf See. Und nun eine Kreuzfahrt auf dem Land. Mit einem Wohnmobil. Das hat gerade mal zwei Decks. Und maximal vier Passagiere beziehungsweise Besatzungsmitglieder. Ungewohnt. Immerhin: Mit Hamburg und Kiel gehören zwei vertraute Kreuzfahrthäfen zu meiner Route. Aber Rendsburg und Eckernförde spielen bisher nur eine Nebenrolle. Scharbeutz, Plön und Bad Segeberg ignorieren die Kreuzfahrt völlig. Fünf Tage werde ich in Land stechen, eine Kurz-Kreuzfahrt ­also. Start- und Zielhafen ist Hamburg.

    Es beginnt mit einer Verzögerung. 17 Uhr war das geplante Ablegen, es wird 19 Uhr. Die zwei Crewmitglieder fehlten: mein Sohn und ich. So ein Check-in auf einem Wohnmobil kann dauern. Bettzeug, Handtücher, Töpfe, Toilettenpapier, Müllsäcke, Nahrungsmittel – wenn ich das alles an Bord der „Aida“ schleppen müsste, wäre die auch nicht pünktlich.

    Kurze Orientierung von Bug bis Heck. Vorne beim Wohnmobil ist die Brücke mit zwei Plätzen. Der Captain hat die volle Verantwortung, weil mein Staff-Captain erst 14 Jahre alt ist und das Steuer nicht übernehmen sollte. Schließlich fährt das Wohnmobil locker 65 Knoten. Von der Brücke gelangt man direkt ins Restaurant mit vier Plätzen. Wobei die beiden Stühle der Brücke um 180 Grad gedreht werden und dann auch zum Restaurant gehören. Sehr praktisch. Auf der Steuerbordseite ist die Kochstation fürs „Showcooking“. Gegenüber, ­also backbord, der Wellnessbereich, bestehend aus Dusche, Waschbecken und Chemie-Toilette. Mit etwas Fantasie und kochendem Wasser aus der Kleinküche könnte man eine provisorische Sauna einrichten. Ein anderes Mal. Hinter dem Spa ist ein halbes Deck höher die eigentliche Unterkunft. Zwar keine Balkon-, aber immerhin eine Außenkabine mit zwei Betten. Draußen am Heck angebracht ist die Halterung für zwei Tenderfahrräder. Wir verzichten auf die Räder, da wir nirgendwo auf Reede liegen.

    Und dann ist es so weit: Wir fahren los. Ein Kreuzfahrtschiff legt grundsätzlich immer mit drei kurzen Tönen ab. Bei der Hupe im Wohnmobil ist es ­anders. Sie hat keine so große Reichweite wie das Tuten der „Queen Mary 2“. Hier macht es die Quantität: Und so beginnt unsere Fahrt mit 30 kurzen und 20 langen Tönen.

    Es ist schon dunkel, als wir unseren ersten Wohnmobilhafen in Scharbeutz erreichen. Overnight sieht das Routing vor. Das Anlegemanöver ist nicht ohne, der Wind auf der Ostsee weht kräftig aus nordöstlicher Richtung mit einer Stärke von 6 bis 7. Und alles ohne Stabilisatoren. Dennoch haben wir nach 20 Minuten das Wohnmobil eingeparkt, es ist für den Landgang freigegeben. Der fällt jedoch wegen Müdigkeit aus. Der Wohnmobilhafen Scharbeutz hat einen Landstromanschluss, den der Kapitän allerdings im Dunkeln nicht gefunden hat. Aber es gibt ja als Alternative das Flüssiggas, mit dem hier der Boiler im Spa-Bereich, die Kabinenheizung und die Kochstelle fürs Showcooking betrieben werden. Damit habe ich Umweltaktivisten gleich den Wind aus den Segeln genommen. Schweröl gibt’s bei uns auch nicht, nur Olivenöl, das wir fast täglich fürs Showcooking brauchen.

    Schleswig ist das neueSt.Tropez für Wohnmobile

    Früh am nächsten Morgen machen wir in Scharbeutz los und fahren in Richtung Eutin, dann durch die Holsteinische Schweiz. Das Ortsschild Malente erinnert uns an bessere Zeiten des deutschen Fußballs, als sich hier unsere Nationalelf immer vor der WM einquartierte – und die Vorrunden überstand. Der große Plöner See hat reichlich Seegang, der Staff-Captain zieht auf Anweisung seines Dienstvorgesetzten die Handbremse fest. Stampfen ist keine Gefahr bei einem Wohnmobil, aber manchmal rollt es. Ein kurzer Landgang auf eigene Faust zum Plöner Schloss hinauf, dann geht es schon weiter. Es ist nur noch ein kurzer Weg bis nach Kiel.

    Das digitale Display zeigt an: Unser Grauwasser-Behälter ist schon gut gefüllt. Grauwasser? Das ist alles das, was durch Dusche und Spüle läuft. Die Toilette hat ihr eigenes Reservoir. Beides gilt es bald zu entsorgen. In Kiel sind wir nicht alleine im Hafen. Die „Viking Sky“ und „Color Magic“ haben ebenfalls an der Förde festgemacht. Dort drängeln sich die Passagiere jetzt vor dem großen Mittagsbüfett. Bei uns gibt es heute im Hauptrestaurant Spaghetti mit frischem Basilikum. Der Topf steht an zentraler Stelle im Wohnmobil und erinnert ein wenig an den Central Park auf der „Oasis of the Seas“.

    Ein schönes Bild um kurz nach 14 Uhr: Gemeinsam mit der „Color Magic“ verlassen wir den Hafen von Kiel. Dann trennen sich unsere Wege: Sie fährt nach Oslo, wir nach Eckernförde. Das erreichen wir bereits nach einer knappen Stunde. Ein kurzer Walk vor dem Wohnmobil durch den kleinen Hafen. Vorbei an Yachten und Fischkuttern, die vom Dorschfang zurück sind. Wir kaufen keinen frischen Fisch. Dorsch in einem Wohnmobil zuzubereiten, ist dann doch eine Übung für Fortgeschrittene.

    Also kein Overnight in Eckernförde, sondern im St. Tropez für Wohnmobile: Schleswig! Direkt an der Schlei stehen in erster Linie die Wagen nebeneinander aufgereiht – mit wunderbarem Blick aufs Wasser und die Marina. Hier im Stadt­hafen sind sie perfekt auf uns eingestellt. Für 18 Euro pro Nacht bekommen wir ­alles, was das Herz eines Van-Freundes erfreut: einen großen Stahlrost zum Ablassen des Grauwassers, eine Säule zum Ausleeren der Chemietoilette, einen Pfeiler, aus dem das Frischwasser direkt in unseren Tank fließt. Und sogar freies Wlan. Sie wissen selbst, was das auf Schiffen kostet. Viele Campingplätze sind seit Adenauer-Ära nicht mehr renoviert worden. Nicht so in Schleswig. Das hier ist Stellplatz 2.0. Die hohen Bewertungen in unserer Smartphone-App Stellplatz Radar sind völlig verdient.

    Zur Unterhaltung gibt es nur Kniffelbecher und iPad

    Auch der Landgang im Stadthafen Schleswig ist ein Erlebnis. Es beginnt schon an der Hafenpromenade mit seiner Gastronomie wie dem Hafencafé oder dem Kaphörnchen. Das kleine, historische Fischerviertel Holm ist in Gehweite. Nur zum Schloss Gottorf wäre es mit dem Tenderfahrrad einfacher. Aber das haben wir ja nicht mit. Also ein kurzer Abstecher am nächsten Morgen nach dem Ablegen. Und genau da passiert es: Alarm! Nicht sieben kurze und ein langer Ton, wie wir es von der Kreuzfahrt kennen, sondern ein penetranter Dauerton. Brennt es? Hängen wir noch am Landstrom? Ist die Chemietoilette übergelaufen? Ein netter Nachbar tippt an unsere Scheibe und zeigt nach unten: Die Gangway ist noch nicht eingefahren! Das ist bei einem Wohnmobil der kleine Tritt, der direkt zu Deck 1 hinaufführt. Ein Knopfdruck, und das Problem ist gelöst.

    Unser nächster Hafen heißt Rendsburg. Direkt an der Eisenbahn-Hoch­brücke ist der Stellplatz. Leider müssen wir auf das besondere Erlebnis verzichten: Wir werden nicht mit dem Wohnmobil über das Wasser fahren. Seit ein Frachter die historische Schwebefähre im Januar 2016 gerammt hat, ist sie außer Betrieb. Wir bleiben auch hier over night. Und seit dieser Nacht kann ich den Wikipedia-Eintrag bestätigen: Der Nord-Ostsee-Kanal ist wirklich die weltweit meistbefahrene künstliche Wasserstraße für Seeschiffe. Und die A7 gefühlt die bundesweit meistbefahrene Autobahn für Wohnmobile.

    Auf der geht es ein kleines Stück zu unserem letzten Ziel: Bad Segeberg. Mal ganz ohne Karl May. Unser Entertainment auf dieser Reise? Ein Kniffelbecher und ein iPad. Darauf verfolgen wir die Krise des FC Bayern – das toppt jedes Musical. Ein Theater gibt es nicht an Bord des Wohnmobils, dafür aber direkt in der Nähe des Stellplatzes: die Freilichtbühne am Kalkberg. So etwas gibt es in der Größe selbst auf amerikanischen Schiffen nicht. Wir kraxeln den Berg hinauf und haben einen grandiosen Blick in die leere Arena, in der heute ­weder Winnetou noch Peter Maffay auf der Bühne stehen. Es ist ein gewaltiges Rund. Und dann klappen wir zum letzten Mal die kleine Gangway hoch. Am nächsten Morgen haben wir den Heimathafen Hamburg erreicht. Und müssen das Wohnmobil schweren Herzens wieder abgeben. Wir haben es nur für fünf Tage gechartert.