Urlauber haben jetzt zwei Jahre Zeit für Schadenersatzforderungen – wenn der Mangel vor Ort gemeldet wird

    Der Rückflug verschiebt sich um mehrere Stunden, das Apartment ist viel zu klein, tagsüber röhren neben dem Hotel die Bagger: Solchen Verdruss muss man nicht hinnehmen, sondern möglichst schnell beim Reiseveranstalter beanstanden – selbst wenn es einem unangenehm ist und man befürchtet, als Mäkler dazustehen. Denn wer zu lange zögert und zu zaghaft vorgeht, der ist am Ende der Dumme. Hier sind Tipps, wie Sie so reklamieren, dass Sie zu Ihrem Recht kommen.

    Reklamieren, das bedeutet nicht, dass man immer gleich auf die Pauke hauen muss. Kleinere Mängel wie zum Beispiel ein fehlender Föhn lassen sich oft schnell an der Rezeption beheben. Dabei gilt: Der Ton macht die Musik. Statt lautstark zu lamentieren, ist es besser, im freundlichen Ton den Grund der Unzufriedenheit kurz und klar zu erklären und auf Abhilfe zu bestehen. Sind es größere Mängel, dann heißt es: Nicht zögern, sondern sofort handeln.

    Sofort und möglichst schriftlich beschweren

    Wenn eine Pauschalreise nicht hält, was der Prospekt versprochen hat, dann sollte man schnell handeln und bei einem Vertreter des Reiseunternehmens (Reiseleiter, Agentur) oder direkt beim Veranstalter in Deutschland reklamieren. Reiserechtsspezialistin Sabine Fischer-Volk von der Verbraucher­zentrale Brandenburg empfiehlt des­wegen immer die 24-Stunden-Notfallnummer des Veranstalters parat zu ­haben.

    Zusätzlich sollte der Reisende eine Mail an den Veranstalter mit seiner ­Beschwerde senden und darin auf das Telefonat oder das Gespräch mit dem Reiseleiter hinweisen. Denn nur die ­Beschwerde beim Veranstalter gilt später vor Gericht – egal, ob die Reise bei Aldi, im Internet, im Reisebüro oder ­direkt beim Reiseveranstalter gebucht wurde. Und die Beschwerde muss „unverzüglich“ kommen. Wer sich erst am letzten Tag der Reise oder nach der Rückkehr beschwert, der geht leer aus. Nicht vergessen: Eine Frist setzen, bis wann der Mangel beseitigt werden soll.

    Beweise sammeln, Zeugen suchen

    Dann geht es ans Sammeln von Beweisen. Häufig wird nämlich der Mangel vom Reiseveranstalter bestritten oder bagatellisiert – auch wenn die Gesetze ihn dazu verpflichten, sich „nach Kräften um geeignete Lösungen“ zu bemühen. Geht es um sichtbare Mängel wie Schimmel im Zimmer, können Betroffene Foto- und Videoaufnahmen von ­ihnen machen. Bei Lärmbelästigung hilft später ein detailliertes Protokoll, in dem steht, wann und wie lange die Bagger im Zimmer zu hören waren. Zusätzlich sollte man sich um Zeugen kümmern. Das kann auch die eigene Reisebegleitung sein, besser sind schriftliche Bestätigungen anderer Hotelgäste mit Unterschrift und Adresse.

    Keine Verzichtserklärung unterzeichnen

    Reagiert der Reiseveranstalter auf die Beschwerde und quartiert den Urlauber in ein anderes Zimmer gleicher oder besserer Güte um, muss der Gast dies akzeptieren. Das kann auch den Umzug in ein anderes Hotel bedeuten. Ist das neue Hotel besser, darf es sogar in einem anderen Ort liegen. Allerdings soll es dem Gesamtzuschnitt der Reise entsprechen. Das heißt: Wer einen Badeurlaub gebucht hat, der braucht sich nicht in die Berge versetzen zu lassen.

    Einige Veranstalter bieten ihren Kunden bereits vor Ort eine Entschädigung an. Das kann Bargeld sein, ein kostenloser Mietwagen oder ein Ausflug. Diese an sich sehr kundenfreundliche Maßnahme birgt aber die Gefahr, dass der Reisende womöglich vorschnell seine Rechte aufgibt. Deshalb raten die Verbraucherverbände in solchen Fällen, grundsätzlich keine Verzichtserklärung zu unterschreiben. Zweiter Rat der Verbraucherschützer: Auch wer vor Ort eine Entschädigung bekommt, sollte seine Beschwerde vom Reiseleiter trotzdem schriftlich bestätigen lassen.

    Selbstabhilfe nur bei erheblichen Mängeln

    Nur wenn sich der Veranstalter stur stellt und nicht reagiert, darf der Reisende auch Selbstabhilfe vornehmen und die Kosten dafür dem Veranstalter in Rechnung stellen. Das sollte aber nur ein letztes Mittel sein. Unbedingt nötig dazu sind die Beweise. Gleiches gilt, wenn man wegen erheblicher Mängel die Reise abbrechen will. In diesem Fall muss der Veranstalter die vorzeitige Heimreise zahlen, einschließlich Mehrkosten wie Taxi zum Flughafen oder ­Linien- statt Charterflug. Allerdings: Was unter einem „erheblichen Mangel“ zu verstehen ist, darüber sind sich selbst die Gerichte nicht einig.

    Die besten Tabellen zur Reisepreisminderung

    Anhaltspunkte für beanstandenswerte Mängel sowie die Höhe daraus resultierender Forderungen liefert eine Zusammenstellung des Frankfurter Land­gerichts, die sogenannte Frankfurter Tabelle. Sie ist allerdings veraltet und enthält nur Frankfurter Urteile. Aktuell und mit Urteilen von allen deutschen Gerichten ist die Kemptener Reisemängeltabelle des Reiserechtlers Prof. Dr. Ernst Führich. Auf seiner Internetseite www.fuehrich.de findet sich auch die Frankfurter Tabelle.

    Spezialisiert auf Kreuzfahrt-Reisemängel ist die Würzburger Tabelle (www.würzburger-tabelle.de) des Fachanwalts Kay P. Rodegra. In den Tabellen steht zum Beispiel, dass es bei abweichender Strandentfernung des Hotels oder bei zu kleinen Zimmern 5 bis 20 Prozent des Reisepreises zurück gibt. Bei Lärm in der Nacht kann der Schadenersatz bis zu 40 Prozent des Reisepreises betragen, bei Gerüchen bis zu 50 Prozent. Und wenn das Hotel noch eine Baustelle ist, dann kann der Urlauber sogar den kompletten Reisepreis zurückverlangen.

    Nach der Rückkehr schriftlich Ansprüche geltend machen

    Um Geld zurückzuerhalten nach der Heimkehr von der Reise, an den Veranstalter ein Einschreiben senden und darin Minderungs- und/oder Schadenersatzansprüche geltend machen. Für Buchungen, die bis Ende Juni 2018 gemacht wurden, muss das innerhalb eines Monats geschehen, für Buchungen ab dem 1. Juli 2018 hat man neu zwei Jahre Zeit. Trotzdem sollte man nicht lange zögern, sondern gleich schreiben.

    Der Brief muss noch keine genaue Forderung enthalten (z. B. Minderung um 25 Prozent des Reisepreises in Höhe von . . ., Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit), auf jeden Fall aber den Hinweis, dass die Mängel am Urlaubsort gerügt wurden, sowie die Beweise. Die Frist für eine eventuell notwendige Klage beträgt zwei Jahre ab Rückkehr von der Reise. Bei vor dem 1. Juli 2018 gebuchten Reisen kann es auch nur ein Jahr sein, wenn der Reiseveranstalter das in seinen Geschäfts­bedingungen so festgelegt hat.

    Weitere Informationen: Der Verbraucherzentrale Bundesverband stellt auf seiner Webseite www.verbraucherzentrale.de unter „Reise“ Musterbriefe für die Mängelrüge am
    Urlaubsort zur Verfügung. Weitere Muster­briefe sind auf der Reiserecht-Seite www.
    fuehrich.de zu finden.