Boa Vista punktet mit kilometerlangen Sandstränden, Meer und Ausflügen zur Vulkaninsel Fogo

Vier Stunden Flug über Europa. Endlich reißt die Wolkendecke auf. Weiße Wolken segeln über einem dunkelblauen Meer. Unter uns liegen die Kanarischen Inseln. Noch eine gute Flugstunde weiter in Richtung Süden ist kein Wölkchen mehr zu sehen, und es erstreckt sich der Atlantik so blau wie Kornblumen. Dahinter dehnt sich weißer Strand. Mit zwei Hüpfern setzt das Flugzeug auf dem kleinen Airport der Kapverden-Insel Boa Vista auf. Endlich in der Sonne!

Zehn Minuten Busfahrt durch ein ärmlich wirkendes Dorf mit bunt angestrichenen Steinhäusern, dann über eine holprige Schotterstraße, und plötzlich scheint eine andere Welt zu beginnen. Vor uns taucht wie eine Fata Morgana eine Palmenoase und ein Gebäudekomplex auf. Das Hotel Riu Touareg mit zweistöckigen Häusern und kleinen Türmen wirkt wie eine orientalische Festung. Wir fahren durch ein riesiges Eingangstor, durchqueren eine Halle, die so groß ist wie der Düsseldorfer Hauptbahnhof, und blicken auf einen parkähnlichen Garten mit Palmen, Hibiskus und Oleander. Dazwischen blitzt das Blau eines riesigen Swimmingpools.

Der Inselname Boa Vista, was „schöner Anblick“ bedeutet, stand für die Freude verzweifelter Seemänner, die nach wochenlanger Atlantiküberquerung endlich wieder Land sahen. Der höchste Berg der Insel, der Monte Estância (387 m), galt als magnethaltig und schien die Schiffe anzuziehen. Viele zerschellten kurz vor dem Strand. Sichtbares Denkmal einer solchen Tragödie ist das bizarre Wrack der „Cabo de Santa Maria“. Der Frachter strandete vor rund 60 Jahren vor der Nordküste und ist heute die meistfotografierte Sehenswürdigkeit der Insel. Über den Strand Praia da Chave fahren wir mit einem Allradfahrzeug an den etwas schaurigen Ort. Die Brandung am Dünenstrand ist stark – niemand wagt sich in die Wellen.

Die Inselhauptstadt lockt mit Häusern aus der Kolonialzeit

Badespaß ist dagegen auf der anderen Inselseite angesagt. Der Strand Praia de Santa Monica ist mit Abstand der schönste und längste der Insel. Über rund 20 Kilometer erstreckt er sich Richtung Westen. Hier perlt die salzhaltige Luft wie Champagner auf der Haut. Wellen rollen in zarten Schaumkronen auf den feinen Sand. Es ist ein Spaß, ins fast immer 25 Grad warme Wasser zu laufen. Das Meer, nahezu menschenleere, weitläufige Sandstrände und die Sonne sind das Gold von Boa Vista. Da können selbst die anderen Kapverdischen Inseln kaum mithalten. Die einzige Konkurrenz ist die Nachbarinsel Sal. Doch dort ist für manche schon zu viel Tourismus eingezogen. Neun der Inseln vor der westafrikanischen Küste sind bewohnt. Große Hotelkomplexe gibt es nur auf Boa Vista und Sal, auf dem Rest meistens kleine Hotels und Gästehäuser. Kirchen, Museen oder alte Ruinen – Fehlanzeige. Hier heißt es: ausspannen, baden, höchstens tauchen, hochseeangeln und wandern.

Wer die Hotelanlagen verlassen will, kann zwischen einigen Ausflügen wählen. Über schmale Schotterstraßen fahren wir im Jeep zum verlassenen Fischerdorf Espinguera. Dort hat eine mutige Italienerin ein paar alte Fischerhütten zu kleinen weißen Ferienbungalows ausgebaut. In einem offenen Restaurant serviert sie rustikale italienische Küche. Auf dem Weg dorthin kommt man ins Dörfchen Rabil. Dort gibt es eine kleine Töpferschule, in der man die wenigen originalen Souvenirs der Insel kaufen kann. Die Inselhauptstadt Sal Rei lockt mit einer bescheidenen Markthalle und schlichten Häusern aus der Kolonialzeit. Die Urlauber, die auf den Kapverden eine Alternative zu den Kanarischen Inseln suchen, bringen der Inselkette einen zaghaften Aufschwung. War die Zahl der Einwohner in Sal Rei zeitweise auf unter 2000 gesunken, wächst sie jetzt wieder deutlich und liegt bei 2500: Immer mehr Exilanten, die zum Beispiel in die USA oder nach Brasilien gegangen waren, kehren wieder zurück.

Spannend ist Inselhopping zur ­Vulkaninsel Fogo und nach Santiago, der größten Insel mit Praia, der Hauptstadt des jungen Staates, der bis 1975 portugiesische Kolonie war. Der Flug von Boa Vista oder Sal nach Fogo mit einem kleinen Propellerflugzeug dauert etwa eine Stunde (Kosten circa 200 Euro). Vom Mini-Flughafen geht es per Jeep durch die Inselhauptstadt São Filipe und dann durch Papaya- und Bananenplantagen in Richtung Pico de Fogo (2829 m). Im Bergdorf darunter wird Fogo-Wein und einheimischer Kaffee ausgeschenkt. Kinder versuchen, selbst gebastelte Figuren sowie schwefelgelbes Vulkangestein zu verkaufen.

Zwei Inseln unterscheiden sich total von den kargen mondähnlichen Landschaften der Inselschwestern. São Vicente mit dem Hauptort Mindelo hat die schönste Hafenbucht im Staat Cabo Verde und eine Altstadt mit Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert. Es gibt so etwas wie buntes Großstadtleben. In den Altstadtkneipen entstand auch die mitreißende, meist sambaähnliche Musik der Kapverden wie Batuko, Morna und Coladeira. Für das Inselinnere gilt wie meistens: trocken und öde. ­Santo Antão ist das genaue Gegenteil und die grünste aller Inseln. Steile ­Berge, tropische Täler und spektakuläre Vulkanlandschaften machen sie zur ­Natur-Wanderinsel. Es gibt einfache Spazierwege in der Ebene, etwas ­anstrengende Wanderungen auf Maultierpfaden und anspruchsvolle Touren im Hochgebirge. Am schönsten, so ­empfiehlt uns ein Einheimischer, sei eine Autotour vom Hafen Porto in den Hauptort Ribeira Grande – bis auf 1400 Meter karge Höhe und wieder hinunter in grüne Täler.