Minneapolis. Der Minnesota State Fair, eines der größten US-Volksfeste, bringt viel hervor: prämiertes Vieh, Schönheitskönige und Keks-Millionäre.

Das kleine Mädchen zwei Reihen weiter vorn im Bus nach Minneapolis Downtown umklammert sein kleines weißes Eimerchen wie einen Schatz. Vorsichtig öffnet es den Deckel, unweigerlich drehen sich fast alle Köpfe nach der Kleinen um: Es duftet nach Schokolade und frisch gebackenen Keksen, es duftet nach Plätzchenbacken, es duftet unwiderstehlich nach Sweet Martha’s Cookies.

„Sieh mal, Mami, das sind alles meine. Werd ich eigentlich so dick wie du, wenn ich die aufesse?“, fragt der ­kleine Lockenkopf und lacht seine entsetzte Mutter unverblümt an. Einige Mitfahrer im Bus können sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Viele von ihnen haben diesen heißen Tag auf dem Minnesota State Fair verbracht, einem der größten Volksfeste der USA, das Martha Rossini Olson zur Cookie-Millionärin gemacht hat. Eine riesige Party mitten in der Prärie des Mittleren Westens mit zwei Millionen Besuchern, die eine Schönheitskönigin verehren und begeistert zusehen, wie sie in einem riesigen Block Butter verewigt wird.

Kulinarische Sünden sind ein Muss – es ist doch Jahrmarkt

Vergessen Sie Schweinshaxen auf dem Münchner Oktoberfest und frittierten Backfisch auf dem Hamburger Dom – das ist nichts gegen die Cholesterinbomben auf der Minnesota State Fair: Da werden Würstchen aufgespießt, in Maisbrei gebadet und mehrfach durchfrittiert. Fertig ist der Corn Dog, davon verdrückt jeder Besucher des Volksfestes mindestens drei. Ebenso beliebt und kalorienhaltig: Cheese Curds, frittierte Käsestücke. Schweinebauch-Burger und Berliner mit einer fetten Creme aus Erdnuss und Marshmallow sowie einem Streifen Speck gibt es auch.

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    „Hier schießt der Cholesterinspiegel an einem Tag so hoch, dass ich mich die Woche darauf nur von Salat ernähre“, erzählt mir Dave und beißt in eine Kirsche – die ist doppelt frittiert, natürlich. Aber man muss nicht glauben, dass auch nur irgendjemand über solche kulinarischen Sünden nachdenkt. Was auf dem State Fair passiert, bleibt auf dem State Fair, sagen sie in Minnesota mit einem Schmunzeln. Seit 1859 ist das so.

    „All you can drink“ am Stand mit frischer Vollmilch

    Der State Fair ist eine Mischung aus großem Fressen, Jahrmarkt und Landwirtschaftsmesse: Von überall her reisen Farmer aus dem landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat Minnesota an, um ihr Vieh zu präsentieren. Es blöken Schafe, es zeigen Kühe ihre prächtigen Euter, und im fürchterlich stinkenden Schweineschuppen können Kinder Ferkelchen streicheln.

    Dass sie wahrscheinlich noch drei Tage später wie Säue stinken werden, stört die unprätentiös daherkommenden Menschen in Minnesota gar nicht. Es ist State Fair, und da riecht es eben nach Tier, wenn die Cowboys und Cowgirls aus dem ganzen ­Bundesstaat ihre Viecher zeigen. Auch Trecker, Mähdrescher und Aufsitz­rasenmäher sind hoch im Kurs, genau wie frische Vollmilch: Am „Milk Stand“ kann man für zwei Dollar so viel davon trinken, wie man schafft.

    Die Keks-Königin verdient in zwölf Tagen rund vier Millionen Euro

    Doch der Star des State Fair ist Martha Rossini Olson mit ihren Chocolate Cookies, die einfach süchtig machen. Sweet Martha’s Cookies ist das Geschäft mit dem größten Umsatz in den zwölf Tagen Volksfest – sie schafft mehr als vier Millionen Euro mit ihren Schokoladenkeksen, die die Besucher ihr für 16 Dollar pro Eimer förmlich aus den Händen reißen. Die Schlangen vor den drei Keksbuden sind für gewöhnlich so lang, dass man eine Viertelstunde anstehen muss, um endlich am ersten Cookie knuspern zu können.

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      „1979 war es, als ich einen Telefonanruf bekam, dass wir unseren Stand auf dem State Fair aufbauen dürfen. Eigentlich war es mehr eine Bretterbude, die mein Mann Gary und Freunde von uns dann zusammenbauten. Wenn mir damals einer gesagt hätte, ich würd einmal Cookie-Millionärin werden, ich hätte ihn ausgelacht“, erzählt Martha und zeigt stolz die Backstube: Dort rühren einige ihrer Mitarbeiter die Cookies an, andere pressen sie dann in Form, backen sie und verteilen sie schließlich auf die Eimer. Dann geht es in den Verkauf.

      Geheimzutat wird natürlich nicht verraten

      „Wir machen alles frisch und benutzen keine Konservierungsstoffe. Die bittersüßen Schokoladenstücke in den Cookies sind seit Jahren von derselben Firma. Es gibt eine kleine Geheimzutat, die werde ich natürlich nicht verraten“, sagt Martha und lacht herzlich. 60 Tonnen Schokolade, 50.000 Eier und 65 Tonnen Mehl werden während des Volksfestes zu Keksen verbacken.

      Apropos Mehl: Früher war Minneapolis, das mit der benachbarten Hauptstadt Minnesotas, Saint Paul, rund 700.000 Einwohner hat, die Welt-Mehlhauptstadt. Gleich mehrere Mühlen produzierten am Mississippi ihre Produkte, heute werden die alten Gebäude in Quartiere zum Wohnen und Arbeiten umgebaut.

      Back-Business als großer Familienbetrieb

      Jeden Morgen ist Martha eine der Ersten auf dem State Fair, um sich die Zahlen des Vortags anzusehen und das Equipment in den mittlerweile drei Backstuben auf dem Volksfest zu checken. „Irgendetwas ist immer zu reparieren. Wir sind ein großer Familienbetrieb, und zum Fair fliegen alle ein wie jetzt gerade meine Tochter aus New York. Ich hänge wirklich sehr an meiner Familie“, sagt Martha Olson, die das Back-Business noch heute mit Freunden zusammen betreibt. Ob sie nach diesen stressigen Tagen Urlaub auf den Bahamas macht?

      „Das könnte man meinen, aber Sie werden lachen: Wir müssen nach dem Ende des Fair erst mal alles sauber machen und dann die Paychecks für 620 Mitarbeiter vorbereiten. Die verteilen wir dann auf einer großen Abschlussparty“, sagt Martha, die lieber bei Gartenarbeit und in Buchhandlungen entspannt, als ihren Reichtum in karibischen Resorts zu verprassen.

      Das Antlitz der Milchkönigin wird in Butter geschnitzt

      Ob sie überhaupt noch Cookies essen mag? „Natürlich, ich muss doch probieren, ob sie gut gelungen sind“, sagt die schlanke Frau, die irgendwann das Geschäft an ihre Kinder übergeben wird. Noch macht es ihr selbst zu viel Spaß.

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        Das große Fressen, eine Cookie-Mil­lionärin . . . Auf dem Minnesota State Fair gibt es für all das noch eine Steigerung: Seit Stunden hockt Emily Annexstad in einer Kühlkammer – mit Winterjacke und Handschuhen. Die Studentin ist zur diesjährigen Milchkönigin des State Fair gekrönt worden, und zur Belohnung wird ihr Porträt in einen 45 Kilogramm schweren Butterklotz geschnitzt.

        50 Auftritte als „Princess Kay“

        Schon seit Jahrzehnten ist die Kür der „Princess Kay of the Milky Way“ eine beliebte Tradition in Minneapolis. Und Emily ist wahnsinnig stolz auf den Titel. „Ich wollte schon immer Princess Kay werden. Schon mit 13 habe ich Kälbchen auf dem State Fair vorgeführt“, sagt Emily, die mit ihren Brüdern auf einer Farm mit 200 Milchkühen abgelegen von Minneapolis aufwuchs. Nun vertritt sie die vielen Bauernfamilien in Minnesota als Königin des Milchver­bandes Midwest Dairy Association.

        Heißt konkret: täglich um 14 Uhr Parade auf dem State Fair und Tausenden Menschen zuwinken, rund 50 Auftritte als Princess Kay im kommenden Jahr. 1500 Dollar und Kleidung für die Auftritte bekommt Emily als Belohnung vom Milchverband. „Meine Mutter hat übrigens deutsche Wurzeln. Ich habe gehört, dass ihr in Deutschland so tolle Eiscreme habt. Stimmt das?“ „Ich weiß nicht, die Italiener sind für ihr Eis berühmter“, antworte ich ihr . Auf jeden Fall macht das deutsche Eis nicht so süchtig wie Martha’s Cookies.

        Tipps & Informationen

        Anreise Den Minneapolis-St. Paul International Airport erreicht man mit einem Umstieg mit Icelandair oder Air France. Ab Frankfurt Direktflüge mit Condor.

        Minnesota State Fair Das nächste Spektakel findet 2018 vom 23. August
        bis zum 3. September statt.

        Übernachtung z. B. im Hotel The Depot, ein ehemaliges Eisenbahndepot mit schicker Bar und modernen Zimmern in Sichtweite des US Bank Stadiums, in dem 2018 der Superbowl gespielt wird.

        Unternehmungen Dringend einzuplanen ist ein Besuch der Mall of Ame­rica, des weltweit meistbesuchten Shoppingcenters, für das Touristen sogar aus Japan einfliegen. Plätze in der Stadt erkundet man am besten durch das Leihfahrrad-System, zum Beispiel am Mississippi entlang. Lohnenswert ist für Musikfans auch ein Besuch des Prince-Anwesens Paisley Park.

        (Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Explore Minnesota und die Stadt Minneapolis .)