Die Malediven gehören zu den Urlaubstraumzielen der Deutschen. Gebaut wurden sie von den Nesseltieren – und von ihnen hängt auch ihr Überleben ab

Ein warmer Wind streichelt die Haut, Blütendüfte der Frangipani kitzeln die Nase und ein fast schon unnatürlich wirkendes Türkis der See verwöhnt die ­Augen, die dem Körper signalisieren, an einem der schönsten Orte unseres Erdballs angelangt zu sein. Der schneeweiße Korallensand leuchtet, umsäumt von im Wind rauschenden Palmen, und bis zum Horizont funkeln die sanften Meereswellen in der Sonne wie Diamanten – Paul Gauguin hätte es nicht schöner malen können. Gerade vom nasskalten Deutschland eingeflogen, scheinen sich die Pforten einer Zauberwelt geöffnet zu haben – hier auf Kuramathi, einem der 1196 Eilande der Malediven, gelegen im Rasdhoo-Atoll, etwa 56 km westlich von Malé und mit 1,8 Kilometer Länge eine der größten Inseln.

Für Helmuth Steuber allerdings liegt das wahre Paradies noch ein paar Meter tiefer. Seit 26 Jahren ist der Österreicher Tauchlehrer auf den Malediven, blieb einst hier hängen, weil ihn die Unterwasserwelt wie sonst nirgendwo auf der Welt fesselte. Und noch immer glänzen seine Augen, wenn er von den Adlerrochen, Delfinen, Wal- und Hammerhaien schwärmt, denen er bei seinen Tauchexpeditionen fast täglich begegnet. „Unsere Riffe gehören zu den artenreichsten Regionen der Erde“, ist er sich sicher, nachdem er in vielen Meeren der Welt unterwegs war.

Ausgeblichene Korallen erholen sich allmählich wieder

Keine 30 Meter sind es vom Strand bis zum Hausriff, das die Insel umgibt. Dort beginnt die Zauberwelt der Korallen, der Wälder des Meeres, wie Jacques Cous-teau sie nannte. Stein- und Weichkorallen unterschiedlichster Form und Farbe bedecken den Meeresboden und sind Brutstätte, Kinderstube sowie Lebensraum von rund 1200 Fischarten, die Wissenschaftler rund um die Atolle zählten. Hier finden sie Schutz und Nahrung.

Man muss kein passionierter Taucher sein, um von der Magie der Korallenwelt gefangen zu werden und alles andere um sich herum zu vergessen. Schon beim Schnorcheln im stets badewannenwarmen Meer erwartet jeden Gast ein großes Unterwasserkino. Von kleinen Clown- und Wimpelfischen über Red Snapper, Zackenbarsche, Süsslippen-, Doktor-, Falter- und Kofferfische bis zu Napoleonfischen und Riffhaien wimmelt es bunt im glasklaren Wasser. Seesterne, Seegurken und Meeresschnecken ergänzen das schillernde Getümmel und ab und an lässt sich eine Schildkröte sehen. Neue Höhen erklimmt der Adrenalinspiegel, wird man von einem Schwarm neugieriger, dezent blau gestreifter Füselierfische eingeschlossen, so als wollten sie den Besucher in ihrer eigenen Welt gastfreundlich willkommen heißen.

Doch so grazil die Welt unter der Wasseroberfläche ist, so fragil reagiert sie auch auf Umwelteinflüsse. „Im März und Anfang April 2016 stieg die Meerestemperatur in der oberen Wasserschicht auf über 30 Grad, eine Temperatur, bei der viele Algen beginnen, Gifte zu erzeugen, woraufhin sie von den Korallen abgestoßen werden. In der Folge bleichen die Korallen aus“, berichtet Helmuths Kollegin Vanessa Kuhs, die gerade in Hamburg ihren Master gemacht hat und seit zwei Wochen als Meeresbiologin das Inselresort betreut. „Glücklicherweise war diese Wärmeperiode zeitlich begrenzt, sodass sich die Korallen bereits wieder erholen.“ An den Spitzen ihrer Skelette leuchten die ersten Symbiosealgen in zartem Grün, Ocker, Braun und Blau, so als würden Pflanzen ihre Blüten entfalten.

„Der Genesungsprozess der Korallen hängt von vielen Faktoren ab“, sagt Vanessa. „Ich bin optimistisch, aber sollte sich der Treibhauseffekt verstärken und der Versauerungsprozess der Weltmeere zunehmen, sterben die Korallen.“ Vanessa, Helmuth und ihre Kollegen lassen nichts unversucht, um dieser Apokalypse entgegenzuwirken. Bereits vor drei Jahren begann man im Schwesterresort Kurumba gemeinsam mit Gästen künstliche Korallenkörbe auszusetzen und das Hausriff in regelmäßigen Abständen zu säubern. Eine eigene Kräuter- und Gemüsefarm reduziert den Transportbedarf zur Versorgung mit Lebensmitteln. Und wie auf Kurumba setzt man auf die Kompostierung organischer Reste und auf das Schreddern und die Wiederverwendung von Plastik- und Glasabfällen. Abwässer werden aufbereitet und zur Bewässerung der Inselpflanzen genutzt.

In abendlichen Vorträgen erläutert Vanessa ihren Gästen, wie wichtig es ist, die Korallen zu schützen. „Sie sind ein natürlicher Wall, der Wellen bricht und die Erosion der Ufer reduziert. Und ohne die Korallen gäbe es auch weit weniger Fische.“ Angesichts eines von Wissenschaftlern weltweit gemessenen Anstiegs des Meeresspiegels von 10 bis 15 Millimetern pro Jahr fragen sich die Zuhörer, wie lange es die Malediven noch geben wird, die im Schnitt gerade einmal einen Meter über den Meeresspiegel hinausragen. Helmuth Steuber zeigt sich verhalten optimistisch: „In den vergangenen 26 Jahren konnte ich glücklicherweise keine wesentlichen Veränderungen verzeichnen.“ Auch Helmuths Kollege Madushan Herath hofft auf die Selbstheilungskräfte der Natur, denn wie in den vergangenen Hunderttausenden von Jahren wachsen auch heute die Inseln dank der Korallen, die immer wieder neues Kalksediment produzieren. Bleiben also die Korallen intakt, so könnte uns auch das Inselparadies noch viele Jahre erhalten bleiben.