Lieber Fréderick Bon,


wie eigen, anders und schön die Camargue mit ihren Traditionen ist, das habe ich bei meinem Aufenthalt im „Mas de Peint“ herausgefunden. Bei Ihnen übernachtet man in einer sogenannten Manade, also einem Bauernhof oder einer Ranch, auf der das Landgut und das alte Haus der Familie vor einigen Jahren nach einer Idee Ihres Vaters geschmackvoll umgewandelt wurden. Traditionell, klassisch und sehr großzügig war das Zimmer. Außerdem gab es einen schicken Pool, in dessen schillerndem Blau ich mich an dem heißen Sommertag auf sehr angenehme Weise herunterkühlen konnte. Trotz all dieser luxuriösen Annehmlichkeiten für die Gäste wird aber auch der Hofbetrieb normal weitergeführt: unter anderem mit Stierzucht und Reis­anbau. Entsprechend sind Sie in Personalunion Züchter, Bauer und Gastgeber, und es hat mich schon beeindruckt, wie Sie das mit Anfang 30 alles unter einen Hut bekommen – also genauer gesagt den Cowboyhut.

Die Camargue ist französisches Cowboy-Country, und da ich glücklicherweise an einem der typischen ­Camargue-Tage im Mas de Peint war, die im Sommer regelmäßig auf Ihrer Manade veranstaltet werden, konnte ich sehen, wie das funktioniert: Auf den weißen Pferden haben Sie mit ihren sogenannten Gardians in Cowboy-Montur gezeigt, wie man die Stiere in Schach hält. Zum ersten Mal konnte ich dabei beobachten, wie bei Jungstieren Brandzeichen gesetzt werden. Eine weitere Premiere für mich war der Stierkampf in der kleinen Arena – und das obwohl ich von Stierkampf eigentlich nichts halte. Doch der frühere Zeitvertreib für die Züchter, der heute noch Tradition ist, läuft glücklicherweise komplett unblutig ab: Die Tiere werden beim Kampf nicht getötet. Stattdessen hat es mir Spaß gemacht zu sehen, wie die weiß gekleideten Raseteurs versuchen, die kleinen Bändchen zwischen deren Hörnern zu stibitzen.

Trotzdem werden offenbar nicht alle Stiere zu Stars in der Arena, manche landen auch als Spezialität auf dem Teller. Beim Menü am Camargue-Tag wurde der Braten mit großem Tamtam zur Musik der Blaskapelle am langen Spieß zwischen den Tischen wie eine Trophäe herumgetragen. Das Stier-Gericht abends im „Mas de Peint“-Restaurant war deutlich raffinierter. Ein Rib-Eye mit in Olivenpulver gewendeten Karotten, dazu eine gefüllte Zwiebel und eine grandiose Stier-Rotwein-Soße. Also: Wenn ich ein bisschen Ranch-Gefühl brauche, komme ich gern wieder!

Meilleures salutations, Sascha Rettig